Wentorf. Martin Schnipkoweit erklärte besorgten Bürgern, was es mit der vermeintlichen Rodung in der Wentorfer Lohe auf sich hatte.

Wenn in der Wentorfer Lohe Bäume gefällt werden müssen, geht ein Aufschrei durch die Bevölkerung. Denn 230 Hektar Natur, davon 130 Hektar Wald und etwa 80 Hektar offene Landschaft, heimische Rehe und Greifvögel sind nicht nur Wentorfern, Wohltorfern und Börnsenern lieb und teuer. Das Nationale Naturerbe Wentorfer Lohe ist auch für den südöstlichen Hamburger Rand eine wichtige grüne Lunge. Kein Wunder also, dass beim Rundgang mit dem zuständigen Förster Martin Schnipkoweit, zu dem mehr 40 Interessierte gekommen waren, auch einige Bergedorfer dabei waren.

Kahlschlag: 2000 Bäume gefällt? Ja, aber nicht vom Förster

Sie alle waren alarmiert, weil insbesondere das Gelände am Eingang der Lohe mit schwerem Gerät leer geräumt worden war. Dort stehen nur noch einzelne Baumstämme, Baumstümpfe und – aus der Sicht von Laien – Gestrüpp. An den Wegesrändern sind an mehreren Stellen in der Lohe Fichtenstämme aufgestapelt. Vorab war die Rede von Kahlschlag und von 2000 gefällten Bäumen.

„Das war ein Missverständnis“, sagt Martin Schnipkoweit und erklärt: „Damit waren die im Februar vom Sturm gefällten Bäume gemeint. Das waren fast alles Fichten, die wir in den kommenden Jahren ohnehin allmählich herausgenommen hätten – zugunsten eines behutsamen Waldumbaus.“ Die von Menschenhand gefällten seien nur eine Handvoll Nadelbäume gewesen, die wegen der Verkehrssicherheitspflicht beispielsweise an Wegen oder nahe geparkter Autos abgenommen werden mussten.

Kahlschlag: das falsche Signale in Zeiten des Klimawandels

Wentorfs Jagdbeauftragter Gunther Esther, der die Arbeiten bereits im Vorfeld kritisiert hatte, zweifelte an den Antworten des Försters vom beauftragten Unternehmen Silvaconcept und fasste kritisch nach: „Das stimmt definitiv nicht, dass nur bereits gefallene Bäume herausgenommen worden sind. Die waren teilweise 50 Jahre alt und haben bis zu eine Tonne Kohlendioxid in ihren Leben gebunden. Das, was Sie dort gemacht haben, passt überhaupt nicht damit zusammen, dass sich junge Leute an Straßen festkleben, um das Klima zu schützen.“

Den Vorwurf des Raubbaus wollten die Stiftung und der Förster jedoch nicht auf sich sitzen lassen. „Wir würden ansonsten niemals so viel Holz machen“, sagt Bernd Struwe-Juhl, bei der Stiftung Naturschutz zuständig für die Lohe. „Der Waldumbau der Monokulturen zum Mischwald ist Teil unseres Konzeptes, und die Fichten herauszunehmen, das haben wir langfristig geplant.“

Der Sturm habe den Zeitplan durchkreuzt, den Umbau quasi beschleunigt. „Wir haben bereits im Februar auf die Schäden aufmerksam gemacht“, ergänzt Martin Schnipkoweit. „In einem ersten Schritt der Verkehrssicherheitspflicht haben wir die akuten Schäden an den Wegen gleich nach dem Sturm beseitigt. Dann haben wir uns entschieden, während der Brut- und Setzzeit zu warten und jetzt so früh wie möglich begonnen, die übrigen Schäden zu beseitigen, damit der Borkenkäferbefall nicht überhand nimmt.“

Beim Lohe Rundgang ging es auch über die Fläche nahe dem Eingang. Dort wurden zusätzliche Bäume gefällt, eine tote Lärche blieb stehen. Ob die Fichtenschonung im Hintergrund den nächsten Sturm überdauert ist fraglich.
Beim Lohe Rundgang ging es auch über die Fläche nahe dem Eingang. Dort wurden zusätzliche Bäume gefällt, eine tote Lärche blieb stehen. Ob die Fichtenschonung im Hintergrund den nächsten Sturm überdauert ist fraglich. © Susanne Tamm

Wentorfer Lohe: Sollte man überhaupt eingreifen?

Gunther Esther wollte wissen: „Haben Sie auch mal überlegt, einfach alles zusammenfallen zu lassen?“ Das sei nicht überall möglich, entgegnete ihm Struwe-Juhl, gerade weil die Lohe ein so stark besuchtes Naherholungsgebiet sei. Es gebe aber auch Flächen, die stärker sich selbst überlassen bleiben, etwa nahe den Krötenteichen.

Der Wentorfer Reiner Freund fragte, ob die Stiftung denn künftig nur auf Buchen und Eichen setze, wenn es vielleicht fünf Grad wärmer werde. „Wir sind bemüht, einen Mix aus heimischen Bäumen anzupflanzen, die es nach der Eiszeit von allein hierher geschafft haben“, erklärte Struwe-Juhl. Dazu gehörten auch Flatterahorn, Ulmen, Stieleichen, aber auch mal eine Robinie.

Schnipkoweit reagierte auch auf die Kritik an dem schweren Gerät: „Bei solchen Großereignissen kann man mit Pferden einfach nicht so viel ausrichten. Und für die Waldarbeiter ist die Arbeit auch weniger gefährlich, wenn sie in einem Harvester oder einem Bagger sitzen.“ Die Spannungen in von Windwurf gefällten Bäumen sei nicht zu unterschätzen, wenn sie irgendwo hängenbleiben.

Wunsch nach stärkerer Bürgerbeteiligung

Bernd Struwe-Juhl, Biologe der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, verteidigt das mit der Bevölkerung erarbeitete Konzept.
Bernd Struwe-Juhl, Biologe der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, verteidigt das mit der Bevölkerung erarbeitete Konzept. © Susanne Tamm

Alena Kemp-Stein vom Verein Wentorf-gestalten! plädierte für mehr Bürgerbeteiligung und appellierte an Struwe-Juhl, auch an die Nahrungsmittelsicherheit zu denken. Sie könnte sich vorstellen, dass sich mehr Bürgerinnen und Bürger in der Lohe engagieren könnten, etwa bei der Pflege der Obstbäume – ob es nicht denkbar wäre, noch mehr Obstbäume zu pflanzen?

Der Biologe Struwe-Juhl wies darauf hin, dass das Konzept, das vor etwa acht Jahren mit großer Bürgerbeteiligung entstanden sei, auch die Streuobstwiesen festgelegt habe. Dort seien an die 80 Obstbäume gepflanzt worden. Das Konzept sehe außerdem vor, dass in den stark frequentierten Bereichen die Verkehrssicherungspflicht geachtet werde.

Er berichtete, dass vom kommenden Monat an in der Lohe regelmäßig ein Ranger der Stiftung nach dem Rechten schauen werde. Außerdem soll das „Grüne Klassenzimmer“, in dem eigentlich Grundschulkinder die Natur kennenlernen sollen, näher an den Eingangsbereich der Lohe verlagert werden. Denn dort hätten sich häufig junge Leute zum Feiern getroffen und leider auch ihren Müll hinterlassen.

Auf dem Rundgang gab es auch Lob für die Stiftung

Doch es gab nicht nur kritische Fragen, sondern auch Lob für die Arbeit der Stiftung. „Das hat sich hier doch zu einer tollen Ecke entwickelt, finde ich“, sagte ein Teilnehmer des Rundgangs. „Diese offene Landschaft ist wunderbar für die Vogelwelt, ich habe hier schon Schwarzkehlchen und Neuntöter gesehen.“

Auch Florian Schulz, Kreisvorsitzender des BUND Herzogtum Lauenburg und als solcher Mitglied des Aufsichtsrats der Stiftung, brach eine Lanze für deren Arbeit: „Der deutsche Naturschutz ist chronisch unterfinanziert. Die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein ist da eine echte Perle. Sie macht nicht etwa 15 Millionen Euro Gewinn, wenn sie so viele Erträge verzeichnet, denn der Umweltschutz kostet viel Geld.“ Wenn sie eine Million Euro Gewinn gemacht habe, reinvestiert sie diese in gute Projekte.

So wurde die Lohe zum Nationalen Naturerbe

Bis 1997 war die Wentorfer Lohe militärisches Sicherheits- und Ausbildungsgebiet. Anschließend hatten die Anliegergemeinden Wentorf, Wohltorf und Börnsen versucht, das Gelände vom Bund zu kaufen. 2012 ging das 230 Hektar große Naturschutzgebiet schließlich an die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein.

Der damalige Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann (CDU) hatte dies eingefädelt, nachdem er durch die Berichte in der Bergedorfer Zeitung auf die Problematik der Wentorfer Lohe aufmerksam geworden war. Denn auch damals gab es Proteste gegen den Kahlschlag durch die Bundesforsten.

Seit Jahren ist diese mit den Förstern des beauftragten Unternehmens Silvaconcept dabei, die Lohe vom ehemaligen Truppenübungsgelände mit vornehmlich Nadelbäumen zum Mischwald mit mehr Laubgehölzen umzuwandeln. Etwa acht Jahre ist es her, dass die Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein das nationale Naturerbe Wentorfer Lohe übernommen hat. Damals gab es eine umfassende Bürgerbeteiligung. Denn die Stiftung wollte gemeinsam mit den Nutzerinnen und Nutzern des einstigen Truppenübungsplatzes ein Konzept entwickeln, dass