Wentorf bei Hamburg. 2000 Baume fallen dieser Tage in der Lohe. Anwohner wittern Profitgier wegen steigender Holzpreise. Was der Förster sagt.
Gunther Esther ist ein Naturfreund. Der 66 Jahre alte Wentorfer geht gern und oft mit seinen Hunden in der Lohe spazieren. Doch der derzeitige Anblick des Naherholungsgebietes „mit besonderem Naturschutzwert“ stimmt ihn traurig. Grund sind die großen Schneisen, die Forstarbeiter diese Woche in das Nationale Naturerbe geschlagen haben. „Das gleicht einem Kahlschlag“, sagt Esther und blickt fassungslos auf die gerodete Fläche direkt am Wentorfer Lohe-Eingang gegenüber dem Gelände der Lerntiere.
Lohe-Anwohner Wilfried Knappe steht neben Gunther Esther und schüttelt ebenfalls den Kopf über den massiven Einschlag. Der 77 Jahre alte Wentorfer hat die großen, schweren Fahrzeuge in dieser Woche durch seine Straße An der Lohe rollen sehen. Darunter ein Harvester, eine tonnenschwere Holzerntemaschine, mit der die Stämme aus dem 240 Hektar großen Gebiet herausgeholt werden.
Kahlschlag im Naturerbe Lohe: Vornehmlich Fichten werden gefällt
„Rund 2000 Bäume, vornehmlich Fichten, werden es am Ende der nächsten Woche sein“, sagt der zuständige Förster Martin Schnipkoweit, beauftragt von der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein, der Eigentümerin der Lohe. Der 38-Jährige erklärt, dass die eigentlichen Fällarbeiten Aufräumarbeiten seien, die im Februar zwar begonnen worden seien, aber aufgrund von Regenfällen und einsetzender Brutzeit nicht hätten abgeschlossen werden können.
Anfang das Jahres waren gleich drei Winterstürme über Norddeutschland hinweggefegt und hatten große Schäden angerichtet. „Die Lohe mit ihren vielen Fichten war besonders betroffen“, sagt Schnipkoweit, der noch andere Wälder in Schleswig-Holstein betreut. „Bis zu 20 Hektar von 140 Hektar bewaldeter Lohe-Fläche sind betroffen“, sagt Schnipkoweit. Diese Bäume werden nun gefällt und geräumt, um die Verkehrssicherungspflicht an den Wegen zu gewährleisten und um Platz für heimische Laubbäume zu schaffen.
Lohe wird zum Laubmischwald umgebaut
Die Lohe wird seit zehn Jahren zu einem Laubmischwald umgebaut. Statt Fichten sollen hier zukünftig Roterle, Stieleiche, Weidenarten, Buche und Flatterulme wachsen. „Die sind auch viel sturmresistenter“, sagt Schnipkoweit. Insofern haben die Stürme den 2012 von allen angrenzenden Gemeinden beschlossenen Waldumbau beschleunigt.
„Umbau ja, aber behutsam, so wie es auch im Konzept steht“, sagt Esther. „Harvester und 2000 gefällte Bäume sind für mich das Gegenteil von behutsam und passen nicht mehr in die heutige Zeit. Diese Bäume haben im Laufe ihres Lebens etwa eine Tonne CO2 pro Baum gebunden und Wildtieren Schutz geboten. Das ist jetzt einfach vernichtet“, sagt Esther. Der hochgewachsene, kräftige Mann kennt sich aus. Er ist Jäger und Wolfsbeauftragter in Schleswig-Holstein. Er weiß, wie schwer es die wenigen Rehe jetzt ohnehin schon in der von Menschen gern genutzten Lohe haben. „Den Rehen geht es hier gar nicht gut. Die haben ständig Stress und sind sehr dünn“, sagt Esther. Nun fürchtet er, dass der Stresspegel weiter steigt, weil Spaziergänger weitere Flächen jenseits der Hauptwege für sich erobern – nämlich die, die der Harvester bereits befestigt hat. „Warum hat man nicht die schonendere Variante mit Pferd genutzt, um die Stämme herauszuholen?“, fragt Wilfried Knappe.
Bereits 2007 umstrittene Holzfällarbeiten
„Weil das bei den vielen Bäumen nicht zu bewerkstelligen gewesen wäre und aus arbeitstechnischen Gründen zu gefährlich ist. Früher gab es bei dieser schweren Waldarbeit viele Tote“, antwortet Schnipkoweit. „Früher gab es auch kein Friday for future“, kontert Esther – und „noch Fasane in der Lohe“. Er vermutet, dass hinter der „Fällung unter vermeintlich forstlichen Gesichtspunkten ausschließlich Gründe der Profiterlangung wegen der hohen Holzpreise“ stecken.
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Tatsächlich gab es bereits im Herbst 2007 bis Frühjahr 2008, vier Jahre vor dem Verkauf des Standortübungsplatzes an die Stiftung, umstrittene Fällarbeiten durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die zu großem bundesweiten Protest bei Anwohnern, Umweltschützern und Politikern führten. Damals wurden 90 Prozent der Wertholzbestände dem Gelände entnommen und dessen Charakter nachhaltig verändert. Unter dem gefällten Bäumen waren auch 100 Jahre alte Eichen.
Fichten dienten der Bundeswehr als Lärm- und Sichtschutz
So alt sind die Fichten nicht. „Sie wurden vor 48 Jahren gepflanzt“, erinnert sich Wilfried Knappe genau. Und dienten der Bundeswehr als Lärm- und Sichtschutz auf dem Übungsplatz. Wie die Eichen werden die langen Fichtenstämme jetzt auch verkauft. „Reich wird man davon nicht“, sagt Schnipkoweit. Mit einem Großteil des Erlöses sollen die zukünftigen Pflanzungen für den „behutsamen Umbau der Lohe“ finanziert werden. Auf der gerodeten Fläche, vor der Esther und Knappe stehen, war damit bereits begonnen worden. Die kleinen Buchen, Eichen und Weiden haben die Stürme und Fällarbeiten nicht überlebt.
Laut jüngstem Geschäftsbericht der Stiftung für das Jahr 2020 ist „die Ertragslage weiter im Aufwind“, hat die Landesstiftung Erträge von 15 Millionen Euro erzielt.