Aumühle/Wohltorf. Flynex will die Forstwirtschaft revolutionieren. Künstliche Intelligenz stellt Sturmschäden oder Befall von Schädlingen fest.

Der schwarze Punkt, der über dem Gehölz im Sachsenwald umher surrt, wird plötzlich größer und nähert sich mit unerwarteter Geschwindigkeit dem Feld am Börnsener Weg, punktgenau landet die Drohne auf einer kreisförmigen, orangefarbenen Matte. Außer sie zu überwachen hat Pilot Christian Georgi nicht viel zu tun. Denn die Route des 25.000 Euro teuren Gerätes hatte sein Chef Andreas Dunsch bereits vor dem Start programmiert.

Die Drohne fliegt vollautomatisch: Mit Start und Landeanflug ist sie acht Minuten in 75 Meter Höhe unterwegs, überfliegt dabei zwei Hektar Wald mit eine Geschwindigkeit von fünf Metern pro Sekunde und macht insgesamt 166 Fotos von der Landschaft unter sich. Möglichen Hindernissen würde sie eigenständig ausweichen oder in der Luft stehenbleiben.

Forstwirtschaft: Software plant den Drohnenflug und die Analyse-Ziele

Dank Echtzeitkinematik (Real Time Kinematic, RTK) – ein Verfahren zur präzisen Bestimmung von Positionskoordinaten mithilfe der Satellitennavigation – fliegt sie auf 1,5 Zentimeter genau. Andere Drohnen fliegen mit einer Genauigkeit von 1,5 Metern. Doch dieses technische Wunderwerk ist an diesem Mittwoch in Wohltorf noch nicht einmal das Besondere in der Forstwirtschaft. Es ist vielmehr die Software, die dahintersteckt und deren Möglichkeiten die Firma Flynex mit Sitz in Hamburg, Leipzig und San Francisco gerade am Beispiel des Sachsenwaldes zeigt.

Der Sachsenwald aus 75 Meter Höhe gesehen.
Der Sachsenwald aus 75 Meter Höhe gesehen. © Griffel & Co GmbH | Griffel & Co GmbH

Denn es geht nicht allein darum, die Bäume zu überfliegen und gestochen scharfe Fotos zu liefern: Die Software plant den Flug, kann in Echtzeit die Aufnahmen liefern und sie entsprechend der Analyse-Ziele darstellen. Langfristig ermöglicht sie eine digitale Bewirtschaftung des Waldes, ist Andreas Dunsch, einer der Geschäftsführer von Flynex, überzeugt. Je nach Problem des Auftraggebers sind andere Zahlen, Höhen oder Analysen erforderlich, und sein Unternehmen ruft entsprechend unterschiedlich gestaffelte Preise auf. „Flynex ist der Entwickler einer smarten Plattform, die Drohnenflüge optimal planbar macht und aus den gesammelten Daten den ultimativen Nutzen für individuelle Bewirtschaftungsziele zieht“, erläutert der 39-Jährige.

Die künstliche Intelligenz für die Forstwirtschaft gebe es nicht fertig zu kaufen. „Ich bin weder Forstwirt noch Biologe“, sagt Dunsch. „Mir sagen die Aufnahmen nichts.“ Doch es sei möglich, in der Matrix Bereiche zu markieren und zu klassifizieren. So lasse sich das System für die Analyse quasi trainieren. Eines Tages könne die künstliche Intelligenz die Analyse übernehmen. Sein Unternehmen mit etwa 40 Mitarbeitern befliegt aktuell vorwiegend Gewerbeobjekte wie Sendemasten, Pipelines und Gebäude.

Drohne ist schneller, als der Förster es sein könnte

Die aktuellen Probleme im Sachsenwald kann Jan Bergeest von der Firma Claus Rodenberg Waldkontor benennen: „Wir sind Dienstleister für die privaten Waldeigentümer“, sagt er. „Wir sitzen quasi an der Schnittstelle.“ Bereits vor den großen Stürmen im Januar und im Februar hatte er bei den Bismarcks das Thema digitale Forstwirtschaft und eine Befliegung für eine Bestandsaufnahme angesprochen. Denn Fachleute können auf den Fotos erkennen, ob Bäume gestresst sind.

Etwa 5500 Hektar Waldfläche bilden vor Ort den Sachsenwald – Norddeutschlands größtes zusammenhängendes Waldgebiet. Die heftigen Sturmschäden im Januar und Februar machten auch dort den drei Förstern zu schaffen. „Ein Revier hat in einem solchen Fall mehr Fläche, als ein Förster erlaufen kann“, erläutert Jan Bergeest. „Das Thema Borkenkäfer, von dem wir weitgehend verschont geblieben waren, steht jetzt auch vor unserer Tür.“ Denn den Windwurf könnten die Fachleute nicht so schnell abarbeiten, dass der Parasit im April nicht doch noch ausreichend Brutmaterial finde. Hinzu komme der Fachkräftemangel.

Sachsenwald-Analyse würde 70.000 Euro kosten

Die Bilder einer Drohne liefern zuverlässige Daten, die, mit der Software weiterbearbeitet, Antworten darauf liefern, wie viel Fläche von den Schäden betroffen ist, wie viele Bäume umgestürzt sind, wie viel Maschinen- und Abfuhrkapazitäten benötigt werden. „Auf diese Weise lassen sich die Arbeiten besser planen, eine nachhaltige Bewirtschaftung endlich zeit- und kosteneffizient realisieren“, sagt Bergeest.

Das hat seinen Preis: Dunsch schätzt, dass für den Sachsenwald Kosten von etwa 70.000 Euro anfallen würden. Der günstigere Weg sei es, über Satellitenbilder Auffälligkeiten festzustellen und diese dann von der Drohne aus in Augenschein zu nehmen.