Wotersen. Inhaberin Anke Asmus verrät, wie sich die Gaststätte Heitmann immer wieder neu aufgestellt hat und sich dennoch treu geblieben ist.
Sie hat das Kneipensterben der 1980er-und 90er-Jahre ebenso überstanden wie die Corona-Pandemie. Seit 125 Jahren ist die Gaststätte Hans Heitmann in Wotersen in Familienbesitz und mit ihrer bodenständigen, norddeutschen Küche ein echter Geheimtipp.
Als Anke Asmus, die den Familienbetrieb in fünfter Generation führt, vor 24 Jahren die Gaststätte übernahm, erhielt sie vom Vater den Rat, immer bereit für Veränderungen zu sein. „Er hat gesagt, alle zehn Jahre ändert sich etwas“, erinnert sich die 46-Jährige, die seit fünf Jahren auch Dehoga-Vorsitzende im Kreis ist. Sorge bereitet Asmus jedoch der demografische Wandel: Klar ist, im gerade einmal 20 Einwohner zählenden Wotersen, das zur Gemeinde Roseburg gehört, müssen die Gäste von außerhalb kommen.
Bodenständige Hausmannskost mit Pfiff ist im Trend
Doch was ist, wenn die Stammgäste aufgrund ihres Alters ausbleiben – auch darauf hat Asmus eine Antwort gefunden. Folge: Immer jüngere Gäste entdecken die Dorfkneipe und das bodenständige Speisenangebot. „Die sagen, hier schmeckt es wie bei meiner Großmutter“, freut sich die gelernte Köchin.
Die Kunde verbreitet sich per Mundpropaganda: Die Freunde von Asmus’ erwachsenen Kindern kommen ebenso wie die ihrer jugendlichen Aushilfen. Und durch ihr Hobby – „Reiten ist meine Burnout-Prophylaxe“ – finden auch immer mehr jüngere Gäste aus ihrem Reitverein den Weg nach Wotersen. Das ist heute vor allem bekannt durch die Konzerte des Schleswig-Holstein Musik Festivals.
Asmus kocht bodenständige Hausmannskost mit Pfiff
Die Reithalle ist nur wenige Schritte entfernt, doch davon profitiert der Gasthof nicht. „Manchmal kommen vor oder nach den Konzerten ein paar Gäste, und beim Musikfest auf dem Lande gibt es ja eigene Cateringstände auf dem Gelände“, sagt Asmus. Dabei ahnen die Klassikfans gar nicht, was sie verpassen: Asmus kocht bodenständige Hausmannskost mit Pfiff, vorwiegend aus regionalen Zutaten und vieles sogar bio.
Dazu gehören Gerichte wie Rouladen, Wildgulasch, Schnitzel, Sauerfleisch, Bauernfrühstück oder Fisch: „Wir fahren selber an die Ostsee, holen von einem Fischer Dorsch, Scholle und was er sonst so gefangen hat“, sagt Asmus. Entsprechend ändert sich dann auch die Karte. „Nur wenn’s wirklich selbst gemacht ist, schmeckt es auch wie Hausmannskost“, sagt Asmus. Gemüse und Obst kommen fast ausschließlich aus dem eigenen Garten, Eier von den eigenen Hühnern. Und die Forellen schwimmen im Teich hinter den Apfelbäumen.
Dank Google: Landgasthof statt Autobahnraststätte
Alte wie neue Gäste, darunter viele Vereine, sind für Asmus wie eine große Familie, denn die packen auch mal an, wenn Hilfe erforderlich ist. Gern erinnert sich die Köchin an das Ehepaar, das zu einer Familienfeier in Hamburg unterwegs war und während der Fahrt auf der A 24 per Google nach einem Lokal für die Mittagspause gesucht hatte: „Die waren total begeistert von unserer Küche, verabschiedeten sich herzlich und wenig später kamen ihre Kinder, die ebenfalls zur Familienfeier unterwegs waren. Die Eltern hatten ihnen gesagt, sie müssten unbedingt eine Rast bei uns einlegen.“
Als in den 1980er-Jahren die ZDF-Erfolgsserie „Das Erbe der Guldenburgs“ in Wotersen gedreht wurde, waren Asmus und ihr Vater als Statisten dabei. Die Gaststätte spiele keine Rolle – zumindest nicht in der Serie. Für die Darsteller aber schon: Stars wie Iris Berben oder Alexander Wussow schätzten die regionale Küche.
2013 ermittelten die Hamburger Tatort-Kommissare Falke und Lorenz in Wotersen
Später haben dann auch die Location-Scouts die Gaststätte mit dem Retro-Charme entdeckt: 2013 ermittelten die Hamburger Tatort-Kommissare Falke und Lorenz im „Mord auf Langeoog“ in Wotersen und im vergangenen Jahr wurde die Gaststätte kurzerhand nach Wacken verlegt: In „Borowski und das unschuldige Kind aus Wacken“ ist die Gaststätte allerdings ein Bestattungsinstitut mit entsprechenden Schildern an der Hauswand. „Damals gab es das Gerücht, wir hätten aufgegeben und ein echtes Bestattungsinstitut sei hier eingezogen“, erinnert sich Asmus schmunzelnd.
Die Geschichte des Hauses beginnt jedoch nicht erst vor 125 Jahren, sondern bereits 1851: Damals kaufte der Zimmermann Franz Joachim Schröder das Grundstück samt eines darauf stehenden Gebäudes mit der Maßgabe, ein neues Haus zu bauen. 1897 kam es in Familienbesitz, als Johannes Johns die Gaststätte samt Poststelle erwarb. 1920 ging das Haus an dessen Sohn Theodor über. Als der 1932 starb, übernahm Ehefrau Ella den Betrieb: Sie ließ den alten Dachstuhl abreißen, stockte das Hauptgebäude auf und ließ noch eine Nebengebäude errichten.
Eine Besonderheit der Gaststätte ist der kreisrunde Saal
Den kreisrunden Saal, eine Besonderheit der Gaststätte, hatte bereits Vorbesitzer Schröder 1855 erbaut. Warum? Wirtin Asmus zuckt mit den Achseln: „Vielleicht weil er Zimmermann war und es konnte.“ Seither wird die Gaststätte von Frauen geführt: Anni Johns heiratete 1941 Hans Heitmann. Der Fuhrunternehmer und Gastwirtssohn aus Roseburg gab der Gaststätte ihren Namen, den auch Asmus’ Eltern Anne und Werner Westedt beibehielten.
Als 1999 die seit 1890 bestehende Poststelle geschlossen wurde, und die Mutter eine Erwerbsminderungsrente bezog, sprang Tochter Anke ein. Sie war damals gerade einmal 22 Jahre alt und besaß erst seit zwei Jahren ihren Gesellenbrief als Köchin. „Ich habe anfangs viel Lehrgeld zahlen müssen“, erinnert sich die heutige Dehoga-Kreisvorsitzende. Etwa als plötzlich ein Mitarbeiter des Kreises in der Gaststätte stand und ihr neben einer saftigen Gebühr auch noch eine Reihe von Mängeln auflistete, die sie beseitigen müsse, andernfalls würde er den Betrieb schließen. Asmus hielt durch, auch mit Hilfe ihrer Eltern und berät heute als Dehoga-Vorsitzende Berufskollegen, die eine Betriebsübergabe planen.
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Panierte Blutwurst als gastronomisches Highlight
Doch die Köchin kann nicht nur leckere Hausmannskost zubereiten, sondern gibt den Klassikern der norddeutschen Küchen auch eine eigene Note mit. Im Jahr 2017 war „Draculas Knuspertaler“ ein Favorit beim von den Tourismuswerbern des Kreises (HLMS), Dehoga und IHK Lübeck ausgerichteten Lauenburg’schen Teller. Asmus servierte mit Kornflakes panierte hausgemachte Blutwurst mit Apfelspalten und Rosmarinkartoffeln – regional, deftig und unglaublich lecker.
Das Gericht steht ebenso wie „Swiens Glück“ (Schweinemedaillons mit Spitzkohl und Leberwurstsoße) bis heute auf der Speisekarte. Für den Lauenburg’schen Teller 2023 kombiniert die Köchin wieder bodenständige Zutaten wie Leberwurst und Kartoffeln, die sie diesmal mit Rosmarin in Teigtaschen füllt und es „Nudeldicke Deern“ nennt.
Geöffnet ist die Gaststätte Hans Heitmann (www.heitmann-wotersen.de), die auch fünf Pensionszimmer und einen großen Saal für Veranstaltungen bietet, mittwochs bis freitags ab 17 Uhr sowie am Wochenende ab 11 Uhr. Am 17. und 18. März bleibt die Gaststätte jedoch geschlossen – dann feiern die Westedts ihre Goldene Hochzeit. Die dreiwöchige Sommerpause beginnt am 14. Juli. Anke Asmus: „Wir machen an diesem Tag eine Barkassenfahrt durch den Hamburger Hafen, ein Geschenk unserer Stammgäste.“ 50 Personen fahren mit – neben dem Gaststätten-Team auch viele Freunde und Stammgäste. Asmus: „Genau so wie in einer großen Familie.“