Lanken. Die Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH) hat den Ausbildungspreis der IHK gewonnen. Warum es trotzdem schwierig ist, Azubis zu gewinnen

Ein Mal im Jahr verleiht die Industrie- und Handelskammer zu Lübeck (IHK) Ausbildungspreise an Unternehmen. Der Preis in der Kategorie Nachhaltigkeit geht in diesem Jahr an die Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH), die die Müllabfuhr für 450.000 Menschen und 7000 Unternehmen in den Kreisen Herzogtum Lauenburg und Stormarn organisiert. Unter den 130 Beschäftigten sind nur fünf Azubis und zwei Umschüler, denn dem kommunalen Unternehmen haftet das Image des „Müllmanns“ an.

„Sie glauben gar nicht, wie viele Bewerbungen ich von Menschen erhalte, die im Hausmeisterservice und verwandten Branchen arbeiten und meinen, weil sie ja auch Abfälle entsorgen, seien sie eine Fachkraft für Abfall- und Kreislaufwirtschaft“, sagt Olaf Stötefalke, Prokurist und Leiter der Unternehmenskommunikation der AWSH.

Obwohl es diesen Ausbildungsberuf bereits seit 19 Jahren gibt, kennt ihn kaum jemand: Mit dem Ausbildungspreis der IHK will der Dienstleister nun die Werbung intensivieren. So wird an allen 13 Recyclinghöfen künftig das Banner prangen, das IHK-Geschäftsführer Lars Schöning neben der Ehrenurkunden überreichte. Und auch auf der Reinbeker Ausbildungsmesse (13. September im Sachsenwaldforum) wollen die Lankener mit dem Preis für eine Ausbildung bei der AWSH werben.

„Müllmann“: Azubis kämpfen gegen Vorurteile

„In meinem ersten Lehrjahr wurde ich noch öfters Müllmann genannt“, bestätigt auch Pasquale Samulon, der gerade seine Ausbildung zur Fachkraft für Abfall- und Kreislaufwirtschaft beendet hat. Das ist gleich aus zwei Gründen falsch, denn die AWSH organisiert lediglich die Müllabfuhr und betreibt die Recyclinghöfe. Abgeholt werden die Mülltonnen in beiden Kreisen durch einen Subunternehmer, vom zur Buhck-Gruppe gehörenden Unternehmen Willi Damm.

Zum anderen, das hat der 20-Jährige Bargteheider während seiner Ausbildung gelernt, ist es eben kein „Müll“, sondern es handelt sich um Wertstoffe. „Je sortenreiner wir diese Wertstoffe einsammeln, desto einfacher ist es, sie in den Verwertungskreislauf zurückzuführen“, sagt Stötefalke. Deshalb gibt es mittlerweile auch vier Abfallbehälter für Papier, Bioabfälle, die gelbe Tonne für Kunst- und Verbundstoffe sowie Metall und die graue Tonne für den Restmüll. Hinzu kommen Container für Glas, Papier und Textilien sowie 13 Recyclinghöfe in beiden Kreisen.

Das Banner, das die Azubis Joséphine Velte und Pasquale Samulon halten, soll künftig an jedem der 13 Recyclinghöfe der AWSH hängen.
Das Banner, das die Azubis Joséphine Velte und Pasquale Samulon halten, soll künftig an jedem der 13 Recyclinghöfe der AWSH hängen. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Mit Unverständnis für seine Berufsentscheidung hatte auch Daniel Alexandrov zu kämpfen. Für den 20-jährigen Schwarzenbeker ist es sogar die zweite Ausbildung. Eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann brach er nach einem Jahr ab: „Da musste ich nur Regale auffüllen.“ Während Samulon seine Ausbildung auf dem Recyclinghof in Bargteheide absolvierte, ist Alexandrov in der Verwaltung in Lanken tätig – und hoch zufrieden: „Ich kann mich wirklich mit großem Stolz mit dem identifizieren, was ich hier tue.“ Das gilt auch für Familie, Freunde und Bekannte: „Seitdem ich hier arbeite, achten wir alle sehr viel mehr auf Nachhaltigkeit.“

Lob für breite Ausbildungspalette bei AWSH

Auf die kam es Joséphine Velte (17) bei ihrer Bewerbung nicht primär an: Die Brunstorferin suchte einen vielfältigen Job mit einer langfristigen Perspektive – und wurde nicht enttäuscht. Die angehende Kauffrau für Büromanagement weiß von Freundinnen in vergleichbarer Position, die während ihrer Ausbildung gerade einmal zwei bis drei Abteilungen durchlaufen haben.

Velte hingegen kennt mittlerweile das gesamte Portfolio vom Beschwerdemanagement über Tourplanung und Behälterhältermanagement bis zum Vertrieb. Und sie kennt auch die Abläufe auf einem Recyclinghof, denn dort verbringen die kaufmännischen Azubis der AWSH immer ihre ersten vier Wochen im Unternehmen.

Joséphine Velte (17), Pasquale Samulon und Daniel Alexandrov (beide 20, v.l.) präsentieren gemeinsam mit ihren Ausbildern Marc-Andre Wieglow (2.v.l.) und Nicole Eifert (2.v.r.) den Ausbildungspreis der IHK. 
Joséphine Velte (17), Pasquale Samulon und Daniel Alexandrov (beide 20, v.l.) präsentieren gemeinsam mit ihren Ausbildern Marc-Andre Wieglow (2.v.l.) und Nicole Eifert (2.v.r.) den Ausbildungspreis der IHK.  © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Nachhaltigkeit gilt jedoch nicht nur bei der Behandlung der Abfallstoffe, sondern auch für die internen Abläufe, erläutert Ausbilderin Nicole Eifert: „Wir haben das papierlose Büro weitgehend umgesetzt, bieten unseren Mitarbeitern zudem Online-Schulungen an.“ Die AWSH arbeitet darüber hinaus mit den Tafeln sowie den Sozialkaufhäusern in beiden Kreisen zusammen, bietet Kurse zur Umweltbildung für Kitas und Schulen an.

Dazu kommen weitere Vergünstigungen wie das Job-Ticket oder das Job-Rad. Für Alexandrov eine echte Alternative: „Ich habe zwar ein Fahrrad, mit dem ich zur Arbeit komme, überlege aber mein nächstes Rad über den Arbeitgeber anzuschaffen.“ Was alle drei Azubis herausstellen, ist die Arbeitsatmosphäre und die Wertschätzung, die sie von Kollegen erfahren. „Ich bin toll ins Team aufgenommen worden“, so Samulon.

Soziale Komponente ist für junge Menschen besonders wichtig

Ein Aspekt, den Sebastian Grothkopp, bei der IHK für Aus- und Weiterbildung zuständig, für besonders wichtig hält: „Angesichts des Fachkräftemangels haben junge Leute heute die Wahl, wo sie eine Ausbildung beginnen wollen. Und für sie ist Wertschätzung sehr wichtig. Wenn die soziale Komponente nicht passt, ist es den heutigen Azubis egal, ob sie dort 100 Euro mehr verdienen können.“

Eine verstärkte Nachfrage nach Ausbildungsberufen, die in den Bereichen Umweltschutz und Nachhaltigkeit tätig sind, kann Grothkopp hingegen nicht feststellen: „Sicherlich gibt es eine kleine Gruppe von jungen Menschen, die ihre Berufswahl daran ausrichten. Beim Gros geht es aber um den Beruf selbst und das Image des Unternehmens.“

Imagekampagne soll für Ausbildung statt Studium werben

Für die IHK ist ein anderes Problem drängender: Noch immer streben zu viele Jugendliche nach dem Schulabschluss ein Studium statt der Dualen Ausbildung in Berufsschule und Unternehmen an. Um das zu ändern, haben sich im Herbst 2022 die 79 Industrie- und Handelskammern in Deutschland zu einer bundesweiten Ausbildungskampagne zusammengeschlossen. Herzstück der Kampagne sind die Erlebnisse von zehn Azubis, die von ihren Erlebnissen bei der Ausbildungsplatzsuche und im Betrieb berichten.

„Wir haben im Frühjahr mit jungen Menschen als unserer Zielgruppe angefangen, mit den zehn Kampagnenbotschaftern einen TikTok-Kanal bespielt“, so Grothkopp. Dabei geht es jedoch nicht nur um berufliche Inhalte, sondern die zehn Teilnehmer geben auch Privates Preis. Grothkopp: „Die Gleichaltrigen wollen nicht nur etwas über den Job wissen, sondern auch, was so ein Bankkaufmann etwa in seiner Freizeit macht.“ 10.000 Follower hat der Kanal bereits, weitere Aktionen sollen folgen.

Appell: Trotz Ausbildungsstart am 1. August jetzt noch bewerben

Davon will auch die AWSH profitieren. 21 Mitarbeiter werden in den nächsten sechs Jahren in den Ruhestand gehen, doch nur drei rücken pro Jahr im Bereich der Abfall- und Kreislaufwirtschaft nach – inklusive Umschülern. „Wir hatten in diesem Jahr landesweit zehn Prüflinge, davon haben allein wir drei gestellt. Ginge es nach uns, könnten es ruhig doppelt so viele sein“, sagt Torsten Höppner, Leiter der Abfallwirtschaft. 65 Mitarbeiter arbeiten auf den 13 Recyclinghöfen, mindestens eine Fachkraft muss täglich vor Ort sein. Ist das nicht gewährleistet, muss der Hof geschlossen werden.

Viele Lehrstellen im Kammerbezirk seien noch frei. „Der Start ins Ausbildungsjahr ist noch nicht verwirkt, nur weil schon bald der 1. August ist“, warb IHK-Geschäftsführer Schöning dafür, sich auch kurzfristig zu bewerben. Neben der AWSH haben in diesem Jahr den IHK-Ausbildungspreis „Top Ausbildungsbetrieb“ der Staplerhersteller Jungheinrich in Norderstedt und Euroimmun in Lübeck erhalten. Zwei weitere Preise gehen in den nächsten Tagen an das Blumenhaus Jentsch in Bargteheide sowie das Bugenhagen Berufsbildungswerk in Timmendorfer Strand.