Hamburg. Hohes Lohnplus stellt Stadtreinigung, Kliniken, Staatstheater vor Probleme. Was die Elbphilharmonie zu Ticketpreisen sagt.
Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst bedeutet für rund 50.000 Beschäftigte in Hamburg eine erhebliche Entlastung. Im Schnitt gut elf Prozent mehr Lohn – gerechnet auf zwei Jahre bis Ende 2024 – habe man für Mitarbeiter der Stadtreinigung, Erzieherinnen, Krankenhausbeschäftigte und viele andere Berufsgruppen herausgeholt, freute sich die Gewerkschaft Ver.di.
Auf der anderen Seite sind die massiv steigenden Personalkosten für die betroffenen öffentlichen Unternehmen in Hamburg eine Herausforderung – und zum Teil werden das wohl alle Bürgerinnen und Bürger finanziell zu spüren bekommen, zum Beispiel über höhere Müllgebühren oder steigende Ticketpreise für die Staatstheater.
Öffentlicher Dienst: Elf Prozent mehr Lohn – das bekommen Bürger zu spüren
Denn grundsätzlich gilt: Während die Mitarbeiter in Ämtern und Behörden ganz überwiegend nach dem Tarifvertrag der Länder direkt aus dem Haushalt der Stadt bezahlt werden, müssen sich öffentliche Unternehmen selbst finanzieren. Das bedeutet: Steigen die Kosten, müssen sie entweder sparen, ihr Angebot reduzieren oder die Einnahmen erhöhen – oder um einen höheren Zuschuss der Stadt bitten, sofern sie einen erhalten.
Beispiel Stadtreinigung: Entsorger, eingruppiert bei Einstellung in E 3, verdienten bislang 2418 Euro, künftig aber 2762 Euro – ein Plus von 344 Euro oder 14,22 Prozent, so Ver.di. Bei einer Fachkraft für Abfallwirtschaft auf einem Recyclinghof der Stadtreinigung (eingruppiert nach E6) springt der Monatslohn von 2683 auf 3042 Euro – also um 359 Euro oder 13,36 Prozent.
Stadtreinigung will auch andere Maßnahmen prüfen – doch das wird schwer
Da ein großer Teil der rund 4000 Mitarbeiter vom Tarifabschluss profitiert, kalkuliert die Stadtreinigung mit Mehrausgaben von rund 31 Millionen Euro für 2023 und 2024. Da sie sich ganz überwiegend aus Gebühren für die Müll-Abholung finanziert, dürfte sie diese erheblichen Mehrkosten kaum ohne Gebührenanhebung stemmen können.
„Die Mehrkosten werden sich in noch unbekannter Höhe auch in der Gebührenerhöhung widerspiegeln müssen“, teilte das Unternehmen mit. Selbstverständlich werde man auch andere Maßnahmen prüfen, um Kosten einzusparen. Klar ist: Wenn die Gebühren steigen, wird das zum Jahresende mitgeteilt und dann ab 2024 gültig. Außer dem Tarifabschluss werden dann auch Faktoren wie die Energiekosten eine Rolle spielen.
Ein Bühnentechniker bekommt 371 Euro oder 12,75 Prozent mehr Lohn
Beispiel staatliche Bühnen: Ein Tischler, tätig als Theaterwerker in den städtischen Bühnen, wird laut Ver.di nach der Ausbildung in E 6 eingruppiert, was derzeit 2683 Euro monatlich entspricht. Vom 1. März 2024 an gibt es 3042,04 Euro – also 358 Euro oder 13,36 Prozent mehr. Bühnentechniker in der Elbphilharmonie, bei Berufsstart in E 8 eingruppiert, würden nach Gewerkschaftsangaben einen Lohnsprung von 2910 auf 3281 Euro machen – plus 371 Euro oder 12,75 Prozent.
Was die höheren Personalkosten für die staatlichen Häuser bedeuten, ist noch unklar. Für alle gilt: Sie bekommen Zuschüsse der Stadt – Staatsoper: 68 Millionen Euro pro Spielzeit, Schauspielhaus 32 Millionen, Thalia-Theater 27,7 Millionen, Kampnagel: 7,8 Millionen und Hamburg Musik (Elbphilharmonie und Laeiszhalle 6,0 Millionen –, finanzieren sich aber auch über ihre Ticketerlöse oder die Vermietung ihrer Säle.
Staatsoper schließt höhere Ticketpreise zumindest nicht aus
„Die Auswirkungen des Tarifvertrages werden sicherlich Thema in den anstehenden Gesprächen zwischen der Kultur- und der Finanzbehörde sowie in den zuständigen Gremien der Häuser sein“, teilte die Kulturbehörde allgemein mit.
Die Staatsoper (650 Beschäftigte, 70 Prozent Personalkosten) konnte bereits mitteilen, dass ihre Personalausgaben voraussichtlich von 63,4 auf 68,8 Millionen Euro steigen werden. Auf die Frage, ob schon absehbar sei, ob und inwiefern die Ticketpreise erhöht werden oder man um eine Erhöhung des städtischen Zuschusses bitten werde, hießt es schlicht: „Nein“.
Elbphilharmonie schließt „kurzfristige Änderungen der Ticketpreise“ aus
Die Elbphilharmonie hatte zwar noch noch so spitz gerechnet, wusste aber schon: „Die Saalmieten für die Saison 2023/24 sind bereits festgesetzt und sollen nicht weiter angepasst werden. Kurzfristige Änderungen der Ticketpreise aufgrund der Tarifeinigung wird es nicht geben.“ Wobei „kurzfristig“ auch Raum für Spekulationen lässt.
Beispiel Kitas: Nach Ver.di-Angaben erhält eine Erzieherin (Eingruppierung nach der Ausbildung in S 8b) aktuell 3211 Euro im Monat. Ab März 2024 sind es dann 3598 Euro – das sind 387 Euro oder 12,7 Prozent mehr. Allein beim städtischen Betreiber Elbkinder mit seinen 185 Kitas sind rund 6000 der insgesamt 7000 Beschäftigten von dem Tarifabschluss betroffen. Die Personalausgaben, die 73 Prozent der Kosten ausmachen, würden voraussichtlich 2023 um rund 12 Millionen und 2024 um 18 Millionen Euro steigen, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.
Kitas brauchen viele Millionen mehr – aber Elternbeiträge sollen zunächst nicht steigen
Wie diese Mehrkosten aufgefangen werden, ist noch offen. Denn die Kitas in Hamburg finanzieren sich zum Teil über das Kita-Gutschein-System – mehr als 1,1 Milliarden Euro überweist Ihnen die Stadt pro Jahr nach einem festen Schlüssel. Zweitens werden für jede Betreuung, die über die kostenlosen fünf Stunden am Tag hinausgeht, Gebühren fällig, die ebenfalls in Abstimmung mit der Stadt festgelegt werden.
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Theoretisch könnten nun diese „Elternbeiträge“ erhöht werden – was nach Angaben der Sozialbehörde derzeit aber nicht geplant ist. Praktischerweise sind aber die Entgelte aus dem Gutschein-System für das Jahr 2023 ohnehin noch nicht vereinbart. „Die Verhandlungen hierzu laufen, dementsprechend wird das Thema ,Folgen des Tarifabschlusses‘ hier auch mit besprochen werden“, so ein Sprecher der Sozialbehörde.
Asklepios fordert „vollständige Refinanzierung der Personalkostenzuwächse“
Beispiel Krankenhäuser: Eine Pflegefachkraft im UKE oder in einer der sieben Hamburger Asklepios-Kliniken wird laut Ver.di meist in P7 eingruppiert und verdient derzeit 2932 Euro im Monat, ab März 2024 aber 3304 Euro – ein Plus von 372 Euro oder 12,7 Prozent. Aus dem städtischen Uniklinikum UKE, wo rund 8800 Mitarbeitende vom Tarifabschluss profitieren, hieß es zunächst nur, man müsse „erst einmal intern bewerten“, wie man damit umgehe.
Bei Asklepios Hamburg, wo die Stadt nur noch eine 25-Prozent-Beteiligung hält, wurde man bereits deutlicher: „Es ist jetzt schon klar, dass Asklepios diese hohen Personalkostenzuwächse mit den gesetzlichen Erlössteigerungen von 2,3 Prozent im vergangenen und 4,3 Prozent in diesem Jahr nicht refinanzieren kann“, sagte ein Sprecher. „Damit wir unserem Versorgungsauftrag als größter Gesundheitsversorger der Stadt weiterhin vollumfänglich nachkommen können, müssen die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker jetzt unverzüglich handeln und die dauerhafte vollständige Refinanzierung der Personalkostenzuwächse sicherstellen.“
Hafen-Betrieb HPA hat die Lohnsteigerung schon eingeplant
Beispiel Hafen: Ein Lotsenversetzer, eingruppiert als Decksmann nach E7, erhält jetzt 2734 Euro im Monat, ab März 2024 dann 3095 – also 361 Euro oder 13,22 Prozent mehr. Ist er als Schiffsführer (E9) eingruppiert, springt er von 3069 auf 3449 Euro – plus 381 Euro oder 12,37 Prozent.
Die Hamburg Port Authority (HPA, 1700 Beschäftigte) rechnet mit einem zusätzlichen Personalaufwand von rund vier Millionen Euro in 2023. Diesen habe man aber bereits eingeplant. mit