Kuddewörde. Zwei Wählergemeinschaften bestimmen künftig die Politik in Kuddewörde. Sie wollen Einfluss auf die Energiewende vor Ort nehmen.

Nach der Kommunalwahl vor drei Wochen bestimmen künftig zwei Wählergemeinschaften das politische Geschehen in Kuddewörde. Sie sind den Namen nach beide neu, doch ist dies nur die halbe Wahrheit. Richtig ist dagegen, dass die Gemeindevertretung mit rekordverdächtig langer Tagesordnung in die erste Sitzung am 8. Juni startet.

Nicht auf der Tagesordnung ist das Thema, das in den vergangenen Monaten viele Menschen in Kuddewörde alarmiert hat: Der Plan, eine neue Hochspannungstrasse durch den Ort zu bauen, stößt auf breiten Widerstand.

Breiter Widerstand gegen Hochspannungstrasse in Kuddewörde

Im Mittelpunkt jeder konstituierenden Sitzung steht die Wahl beziehungsweise Vergabe von Spitzenpositionen, etwa die von Vorsitzenden der Fachausschüsse oder Posten in Aufsichtsräten oder Verbänden. Im Vorfeld wurden bereits einige Personalien geklärt zwischen den Aktiven Bürgern Kuddewörde (ABK) und den Brückenbauern.

Für den Bürgermeisterposten kandidiert erneut Amtsinhaber Josef Schmidt (ABK). Bis zum Amtsverzicht seines Vorgängers Wolfgang Gerlach hat Schmidt die CDU-Fraktion geführt, die alle Sitze in der vorigen Gemeindevertretung innehatte. Kurz vor der Wahl dann die Wende: Mit Schmidt verließe die Mehrzahl der Gemeindevertreter die Fraktion.

Der vormalige Fraktionschef der CDU-Fraktion Josef Schmidt und Spitzenkandidat der ABK bewirbt sich um die Wiederwahl zum Bürgermeister.
Der vormalige Fraktionschef der CDU-Fraktion Josef Schmidt und Spitzenkandidat der ABK bewirbt sich um die Wiederwahl zum Bürgermeister. © BGZ | ABK

Die CDU ist in der Gemeindevertretung Geschichte, Erbe ist die ABK

Eine Gruppe älterer Christdemokraten blieb in der Fraktion zurück, trat aber nicht mehr zur Wahl an. Die neu gegründete ABK erreichte gut zwei Drittel der Stimmen in der 1500-Einwohner-Gemeinde, errang damit neun von 13 Sitzen in der Gemeindevertretung. Vier Sitze erhielten die Brückenbauer, erreichen damit aus dem Stand Fraktionsstärke.

Zur Wahl der ersten stellvertretenden Bürgermeisterin tritt Hilke Soltau an. Die Vorstandsfrau der Brückenbauer ist als Yoga-Lehrerin und schamanische Heilerin tätig. Als Vorsitzender der vierköpfigen Brückenbauer-Fraktion zieht Vorstand Thomas vom Bruck in die Gemeindevertretung ein, er ist als freier Fotograf und Drehbuchautor tätig. Auch die ABK hat ihre Fraktionsvorsitzende bestimmt: Susanne Borgwardt, wie Schmidt zuvor Mitglied der CDU-Fraktion, wurde im Amt bestätig.

Zweite Kraft in Kuddewörde sind jetzt die Brückenbauer

Die Brückenbauer haben sich erst kurz vor der Kommunalwahl gegründet. Der Name geht auf Ihre Forderung zurück, die marode Bille-Brücke für Fußgänger und Radfahrer wieder herzurichten. Zulauf hatten sie erhalten, weil sich die Aktiven um Thomas vom Bruck und Hans-Hermann Stamer aktiv gegen die Pläne zur Wehr setzen, die geplante neue Hochspannungsleitung zwischen Hamburgs Osten (Oststeinbek) und dem Raum Sahms oberirdisch zu führen. Verlaufe die Trasse quer durch Kuddewörde, werde der Ort außer durch die Bundesstraße 404 ein zweites Mal zerschnitten, so die Gegner des Vorhabens.

Kuddewörde soll kein zweites Mal zerschnitten werden

Susanne Borgwardt ist als Vorsitzende der Fraktion der Aktiven Bürger Kuddewörde ABK in der Gemeindevertretung bestätigt.
Susanne Borgwardt ist als Vorsitzende der Fraktion der Aktiven Bürger Kuddewörde ABK in der Gemeindevertretung bestätigt. © BGZ | ABK

Netzbetreiber 50Hertz verwahrt sich gegen Forderungen, die Trasse unterirdisch zu planen, mit dem Hinweis, genau dies gebe der erteilte Planungsauftrag nicht her. Zudem sind die Kosten unterirdischer Lösungen erheblich höher.

Mit dem Bauingenieur und BUND-Mitglied Stamer und weiteren Streitern haben die Brückenbauer jedoch Menschen in ihren Reihen, die dagegen halten. Abgesehen von der Verschandlung der Landschaft und dem drohenden Schnitt durch Kuddewörde bieten Erdkabel aus ihrer Sicht mehrere Vorzüge. Sie könnten etwa auf kürzerem Wege verlegt werden, müssten, anders als Oberleitungen, den Sachsenwald nicht umgehen.

Mit der Hochspannungstrasse durch den Sachsenwald?

„Von den drei Optionen, die auf dem Tisch liegen, scheint mir eine Trassenführung entlang der Autobahn 24 am wenigsten schädlich“, sagt Brückenbauer-Fraktionschef Thomas vom Bruck. Wobei ein Erdkabel durch den Sachsenwald gut bedacht sein müsse. Abgesehen von Eingriffen im Schutzgebiet, „müssen wir sehen, dass Wechselstrom-Erdkabel nur maximal drei Kilometer lang sein sollen. Das würde wohl gerade reichen“.

Richtig geplant und verlegt ließe sich die starke Abwärme von 380.000 Volt-Erdleitungen möglicherweise gut für Nahwärmenetze nutzen, hat Stamer bereits angeregt. „Wir werden alles tun, um zu verhindern, dass eine oberirdische Hochspannungstrasse den Ort zerschneidet“, verspricht vom Bruck. Ob Fakten, politische Überzeugungsarbeit und Unterschriftensammlungen reichen werden, um dies zu erreichen, müsse sich zeigen: „Die oberirdische Trassenführung ist von der Bundesregierung so gewollt.“

Brückenschlag vom Erdkabel zur kommunalen Wärmeversorgung

Keine langen Beratungen während der konstituierenden Sitzung soll es zum Tagesordnungspunkt 27 geben. Er soll zunächst zur Beratung in den Bauausschuss überwiesen werden, darauf haben sich Vertreter beider Fraktionen geeinigt. Auf den ersten Blick scheint er durchaus geeignet, eine Brücke zu schlagen zwischen dem Nein zur Hochspannungstrasse, der Idee, ein Erdkabel als Wärmelieferant für Nahwärmeversorgung zu nutzen, und der Notwendigkeit, den CO2-Ausstoß in der Gemeinde zu reduzieren.

Wie sollen Schule, Kita und Gemeindezentrum beheizt werden?

Der Antrag zielt darauf ab, für gemeindeeigene Gebäude an der Möllner Landstraße ein Konzept für die Wärmeversorgung zu erstellen. „Dort befinden sich neben der Schule und der Kita auch unser Gemeindezentrum sowie die alte Feuerwehr, die heute als Werkstatt genutzt wird“, erläutert Schmidt. Kuddewörde werde angesichts der Energiewende vorhandene alte Heizungen nicht einfach ersetzen können.

Was stattdessen zu tun ist, um die Liegenschaften fit für die Zukunft zu machen, bedürfe eingehender Beratungen im Fachausschuss, sind Schmidt und vom Bruck einig. Viel Zeit bleibt nicht. „Die Gebäude von Kita und Gemeindezentrum stammen aus den 1980er-Jahren“, so der amtierende Bürgermeister.