Kuddewörde/Elmenhorst. Wählergemeinschaft Brückenbauer plädieren für Erdkabel und Nutzung der gewonnenen Wärme. Für beide Vorschläge sieht es schlecht aus.
Halbzeit für die Infoveranstaltungen zur neuen Hochspannungstrasse durch die Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg: Gut 280 Menschen haben vergangene Woche die Chance genutzt, sich in Kuddewörde und Elmenhorst aus erster Hand bei den Netzbetreibern 50Hertz sowie Tennet über aktuelle Vorplanungen zu informieren. In Kuddewörde (Amt Schwarzenbek-Land) sorgten präsentierte Karten für besonders große Aufmerksamkeit, nährten sie doch Befürchtungen, dass Hochspannungsmasten Mitten im Dorf errichtet werden.
Neue Hochspannungstrasse soll unter die Erde
Die Brückenbauer treten in der Gemeinde als neue Wählerinitiative zur Kommunalwahl am 14. Mai an. Nach Auflösung einer älteren Wählergemeinschaft wollen sie der CDU Konkurrenz machen, die die Gemeindevertretung Kuddewörde die vergangenen Jahre dominiert hat. Mit Blick auf die Trassenplanungen machen sich die Brückenbauer dafür stark, die Hochspannungstrasse als Erdkabel zu verlegen: Damit könnten Bürger, Natur und auch das Klima entlastet werden.
Kurz nach örtlichen Verwaltungschefs und Lokalpolitikern sind viele Bürger erpicht zu erfahren, wie eine Hochspannungstrasse von Oststeinbek nahe der Hamburger Landesgrenze bis in den Südosten des Kreises Herzogtum Lauenburg verlaufen soll.
Umspannwerk im Raum Talkau oder bei Sahms?
Dort, im Großraum Talkau/Fuhlenhagen oder bei Sahms weiter südlich, soll die Ost-West-Trasse mit einer neuen, von Lübeck kommenden Nord-Süd-Trasse zusammengeführt und beide an eine bestehende Hochspannungsverbindung von Schwerin bis Krümmel angebunden werden. Ob mit einem oder mehreren Umspannwerken, muss sich zeigen.
Die Bürger, die erfahren wollen, wo genau entlang der A 24 die neue West-Ost-Stromautobahn entsteht, müssen sich gedulden. Mehrere Jahre. „Diesen Sommer fällt der Startschuss für den ersten offiziellen Planungsschritt. Im Juni wird uns die Bundesnetzagentur offiziell die Grobplanung für zwei Korridore übertragen“, erläutert Klemens Lühr, zuständiger Planer bei 50Hertz.
Die Trasse steht voraussichtlich erst 2029 fest
2026 soll die Fachplanung mit einer Entscheidung der Bundesnetzagentur enden. Dann steht jedoch erst fest, in welchem der jeweils etwa einen Kilometer breiten Suchkorridore die Detailplanung aufgenommen wird. Wie die 380.000-Volt-Trasse genau verlaufen soll, werde voraussichtlich nicht vor 2029 feststehen, erläutert Lühr.
Die beiden Korridore orientieren sich an der Autobahn 24. Einer verläuft mit der Autobahn, gilt einem möglichen Trassenverlauf nördlich wie südlich der Fernstraße. Der zweite verläuft weiter im Norden, unter anderem durch das Gebiet der Gemeinde Kuddewörde.
Würde Nordtrasse Kuddewörde zerschneiden?
Es gehe nicht darum, jeglichen Leitungsbau zu verhindern, sagt Hans-Heinrich Stamer (73), stellvertretender Vorsitzender der Wählergemeinschaft Brückenbauer und Kandidat für die Gemeindevertretung. Für Verunsicherung sorge die Möglichkeit, dass Kuddewörde durch die Hochspannungstrasse zerschnitten werden könne. „Folgt man veröffentlichten Karten, hat es den Anschein, dass die Trasse die Gemeinde im Kreuzungsbereich B404/Möllner Straße passieren soll.“
Man wolle sich gemeinsam dagegen wehren, dass die Planung allein auf die Errichtung einer Freilandverbindung mit Hochspannungsmasten fixiert werde. Die Möglichkeit, die Stromautobahn in der Erde zu verlegen, biete neben bekannten Vorteilen auch Optionen, die bislang noch gar nicht betrachtet wurden, so der Bauingenieur, der aktives Mitglied der Naturschutzorganisation BUND ist.
BUND-Mann fordert, auch Erdkabel zu prüfen
Mit Erdkabeln ließe sich, anders als mit Freileitungen an Hochspannungsmasten, auch der Sachsenwald passieren, ist Stamer überzeugt. „Eine großräumig Umgehung des Waldgebietes könnte so eingespart werden.“ Eine Verlegung in der Erde biete zudem guten Schutz gegen die Belastung durch elektromagnetische Felder (Elektrosmog). „Ob der Mindestabstand zu Bebauung 200 oder 400 Meter betragen muss, ist eine Abwägungsfrage, ist unter anderem davon abhängig, wie der Anteil an Wohnbebauung bewertet wird.“
Keinerlei Rolle werde bislang der Möglichkeit zugemessen, die Abwärme der Hochspannungsleitungen zu nutzen. Im Betrieb erwärmen sie sich auf 80 Grad Celsius, „Hochtemperaturseile bis zu 150 Grad“, hat Dr. Rüdiger Paschotta, Forscher an der Uni Freiburg, bereits vor Jahren über das Energie-Lexikon online verbreitet.
Abwärme von Kabeln für Nahwärme nutzen?
„Warum sollte man diese Energie nicht nutzen, um sie etwa für die örtliche Nahwärmeversorgung zu nutzen?“, fragt Stamer. Würden die Hochspannungskabel im Erdboden verlegt, könnte die Wärme über Rohre gesammelt und dann in Wärmenetze eingespeist werden, so der Inhaber des Büros Umweltingenieurbau Kuddewörde.
Inwieweit sich dies rechne, müsse geprüft werden, fordert Stamer. „Wir werden mit Vertretern weiterer Kommunen die Bundesnetzagentur anschreiben und sie auffordern, dies in den Blick zu nehmen und die Fixierung auf Hochspannungsmasten für das Vorhaben zurückzuziehen.“
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Energiewende funktioniert nicht ohne neue Infrastruktur
Als überaus interessiert und freundlich, wertet Klemens Lühr das Klima auf den beiden ersten Infoveranstaltungen. „Viele Menschen akzeptieren, dass die Energiewende nicht ohne Ausbau der Infrastruktur funktionieren kann. Doch natürlich haben gerade die Bürger in den Suchkorridoren viele Fragen.“
Bislang sei ihm nicht bekannt, dass auch anderorts die Hochspannungstrasse zum Thema im Kommunalwahlkampf werde. Ein Gedankenaustausch mit den Kuddewörder Brückenbauern und namentlich Hans-Heinrich Stamer habe bereits vor den Info-Veranstaltungen bestanden.
Erdkabeltrasse derzeit nicht genehmigungsfähig
50Hertz müsse sich jedoch für das Planverfahren an den Auftrag halten. „Der lautet Freileitung, wir bekämen Erdkabeltrassen nicht genehmigt“, betont Lühr. Diese seien in der Regel Punkt-zu-Punktverbindungen mit Gleichstrom vorbehalten, Hochspannung-Wechselstrom dagegen werde nur in Ausnahmefällen durch Erdkabel geleitet.
Für Waldgebiete wie den Sachsenwald sei eine solche Verbindung kaum geeignet. „Wir reden in einem solchen Fall nicht von einer wenigen Meter breiten Trasse sondern einer Schneise, in der ja auch die Baustraße verläuft.“ Die Vorstellung, von einer Erdtrasse die Abwärme der Kabel abzuführen, um diese Wärme zu nutzen, habe in Deutschland bislang noch bei keiner Trassenplanung eine Rolle gespielt, so Lühr: „Die Idee ist neu.“
In Schleswig-Holstein gelten keine pauschalen Mindestabstände
Klar sei dagegen, dass die Mindestabstände zu Hochspannungstrassen in Schleswig-Holstein anders geregelt seien als durch pauschal festgesetzte Mindestabstände von 200 oder 400 Metern: Die notwendigen Abstände würden im Einzelfall geklärt, hingen etwa auch vom Gelände und der Höhe der jeweils verwendeten Hochspannungsmasten ab, so Lühr. „Die Grenzwerte können je nachdem bereits in einem Abstand von 50 Metern eingehalten werden. Aber natürlich haben wir kein Interesse, die Trasse möglichst dicht zu Wohnbebauung zu planen.“
Zwei weitere Info-Termine in dieser Woche
Zu zwei Infoveranstaltungen lädt 50Hertz diese Woche. Am Montag, 3. April, in Witzhave am Gemeindezentrum Rausdorfer Weg 16, sowie für Dienstag, 4. April, in Barsbüttel-Willinghusen an der Grundschule, am Sportplatz 5.