Schwarzenbek. Ein Leitfaden zeigt Stärken und Schwächen der Europastadt und wo gehandelt werden muss. In 15 Jahren soll sie anders aussehen.
Sechs Monate wurde diskutiert, geplant und bewertet – jetzt liegt das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK) in seiner Rohfassung vor. Es ist der Leitfaden für die Entwicklung der nächsten 15 Jahre, zeigt die Stärken der Stadt und listet auch ihre Schwächen auf.
Zur Abschlusspräsentation waren 100 Gäste ins Rathaus gekommen. Für Oliver Bormann und Giulia Desideri vom Berliner Planungsbüro Yellow Z keine Überraschung: Sowohl bei den öffentlichen als auch internen ISEK-Veranstaltungen waren teils mehr als 100 Bürger gekommen: „Für eine verhältnismäßig kleine Stadt ist das eine sehr engagierte Beteiligung“, so Bormann. Auch Bürgermeister Nobert Lütjens war voll des Lobes: „Es ist ein hochprofessionelle Arbeit, die in einem sehr kurzen Zeitraum erstellt wurde und dennoch unglaublich in die Tiefe geht.“
Stadtentwicklungskonzept für Schwarzenbek ist Grundlage für Fördermittel
Das Konzept listet die Stärken und Schwächen der Stadt auf, macht deutlich, wo gehandelt werden muss. Ein Hauptgrund für die Erstellung des ISEK ist die alte Realschule, die zu einem kommunalen Dienstleistungszentrum umgebaut werden soll. Dafür werden Fördermittel gebraucht, die ohne Stadtentwicklungskonzept nicht fließen. Neben der Realschule gibt das Konzept auch Handlungsempfehlungen für andere Orte der Stadt: So waren sich Bürger, Politiker und Planer einig, dass auch der Ritter-Wulf-Platz, die Lauenburger Straße sowie das alte Postgebäude an der Schmiedestraße Schwachstellen sind, die eine Neugestaltung benötigen.
Ritter-Wulf-Platz ist wichtiger Teil der Innenstadt
Vor allem der als Parkplatz genutzte Ritter-Wulf-Platz am Rathaus wirke mit seiner Kopfsteinpflasterung und den Lampen wie ein Riegel, so Planer Bormann. Der Platz dürfe nicht singulär betrachtet werden, sondern als Verlängerung von der Lauenburger Straße bis zum Stadtpark. Eine Sichtweise, die für Bürger, Politiker und Verwaltungsmitarbeiter neu war und neue Perspektiven eröffnet. Den Stadtpark, aber auch das Amtsrichterhaus und den alten Markt beurteilen die Planer positiv: Dort seien nur kleinere Veränderungen notwendig, um die Aufenthaltsqualität zu erhöhen. Auch die Fahrradboxen am Bahnhof und die neuen Stadtbusse seien ein Schritt in die richtige Richtung. Und selbst für den Einzelhandel gab es Lob für den Mix und die Präsentation vieler inhabergeführter Geschäfte.
Nicht gut weg kam in der Bewertung durch Bürger und Planer die alte Realschule, die seit zehn Jahren nicht mehr für Schulzwecke genutzt wird und zuletzt das kreiseigene Impfzentrum beherbergte. Auch die leerstehende Postfiliale an der Schmiedestraße sowie der gesamte Straßenzug seien problematisch, hätten aber sehr viel Potenzial. Insbesondere die alte Postfiliale benötige eine Wiederbelebung, denn sie sei ein wichtiger Trittstein für das anstelle der Realschule geplante Servicezentrum wenige Hundert Meter weiter. Ebenfalls problematisch sei die Unterführung an der Compestraße, die sich Radfahrer und Fußgänger teilen: „Wir können dort nicht für Millionen einen Tunnel verbreitern, müssen andere Lösungen finden“, so Bormann. Die gelte es auch für den Ritter-Wulf-Platz zu finden, so der Planer, der vor allem die Gestaltung des Einkaufszentrums kritisierte: „Da geht man rein und ist weg. Für den Platz bringt das nichts.“
Schwarzenbek ist eine Stadt der kurzen Wege
Positiv hingegen sei eine weitere Erkenntnis der Planer: Die hatten einen Radius um das Stadtzentrum gelegt und festgestellt, dass kein Ort mehr als zwei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt ist. Da seien ideale Voraussetzungen für eine andere Art der Bewegung in der Stadt, so Bormann. Er warnte jedoch davor, Parkplätze jetzt schnell zurückzubauen: „Es muss angenehm und attraktiv sein, auch mal auf das Auto zu verzichten.“ Dafür brauche es neue Radwege, Stellplätze für Räder und grüne Verbindungen Richtung Zentrum, auf denen es Spaß mache zu radeln. Doch auch die seien durch die grünen Lärmschutzwälle entlang des Zubringers Nord im Westen oder des Sierreparks im Osten schon vorhanden. Dazu brauche es weitere Grünanpflanzungen sowie die Entsiegelung von Plätzen und Stellflächen, damit Regenwasser vor Ort versickern könne. Ziel sei eine gesündere, lebenswertere Stadt der kurzen Wege, so Bormann.
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Mit Rollrasen Veränderungen ausprobieren
Kritik am ISEK gab es dennoch: Sowohl CDU-Spitzenkandidat Paul Dahlke als auch Katja Estel (FWS) vermissten im Konzept konkrete Beispiele etwa zur Umgestaltung des Ritter-Wulf-Platzes. Doch das komme erst im nächsten Schritt, so der Planer: Mit dem ISEK als Grundlage könne man Förderzuschüsse beantragen, dann einen Stadtplaner beauftragen. Oder im Rahmen eines Verkehrslabors mit Rollrasen und Pflanzenkübel selbst für einige Wochen Veränderungen ausprobieren.
Kritik gab es aber auch von FWS-Chef Bernhard Böttel, denn die Fördertöpfe des Landes werden derzeit umstrukturiert. Erst ab 2025 wird es wieder möglich sein, Fördermittel für den Umbau der alten Realschule zu beantragen: „Sie steht jetzt zehn Jahre leer und ich habe keine Lust, weitere zehn Jahre zu warten“, so der Politiker. Dazu kommen Sorgen von Bürgern, ihr Stadtteil werde künftig vernachlässigt, denn das ISEK gelte nur für den Bereich Innenstadt. Dem widersprach der Bürgermeister vehement: Man werde keinen Stadtteil vergessen. Ende Mai soll das 170 Seiten starke Konzept auf der Internetseite der Stadt zur Einsicht bereit stehen. Das sei dann nicht der Abschluss, sondern der Anfang, versprach Lütjens: „Wir werden uns mit den Ergebnissen über einen sehr langen Zeitraum beschäftigen.“