Schwarzenbek. Nach 45 Jahren im Lokaljournalismus geht die 62-Jährige in den Ruhestand. Worüber sie zuletzt für unsere Zeitung berichtet hat.
Mit einer Kleinbildkamera vom Typ „Certo SL“ aus dem Certo-Werk Dresden fing alles an: Die Begeisterung für die Fotografie und später für den Journalismus hat die gebürtige DDR-Bürgerin Monika Retzlaff, die seit Langem in Schwarzenbek lebt, bereits mit zehn Jahren gepackt. Mehr als fünf Jahrzehnte war die Kamera ihr ständiger Begleiter, jetzt geht die Diplom-Journalistin, die mehr als 30 Jahre für die Bergedorfer Zeitung geschrieben und schwerpunktmäßig aus Schwarzenbek berichtet hat, in den Ruhestand.
Bei ihrem Start in den Beruf zu DDR-Zeiten ging es eher um Planwirtschaft und verdiente Mitarbeiter (Helden der Arbeit) in Kombinaten. Dafür hatte die Schwarzenbekerin aber auch einen Dienstwagen mit Fahrer und einen eigenen Fotografen. Für unsere Zeitungen hat die 62-Jährige über Großveranstaltungen berichtet, Vorträge besucht und diverse Grundsteinlegungen miterlebt.
Ihr letzter Auftrag vor der Rente war die „Lange Nacht der Bücherei“
Ihr letzter Auftrag für unsere Zeitung war eine Reportage über die „Lange Nacht der Bücherei“ in der Schwarzenbeker Stadtbibliothek Ende März. „Ich freue mich darauf, endlich mehr Zeit für die Familie zu haben. Reisen ist kein großes Thema für mich, ein Buch werde ich auch nicht schreiben. In den vielen Berufsjahren habe ich mich daran gewöhnt, dass eine Geschichte nach maximal 100 Zeilen auserzählt ist. Das ist keine gute Voraussetzung für ein Buch“, erzählt sie schmunzelnd.
Auch die Kamera – aktuell eine Spiegelreflex von Nikon mit Wechselobjektiven – bleibt künftig im Schrank. „Ich habe meine Liebe zur Fotografie eher zufällig entdeckt. Wir hatten früher in der Uckermark viele Familienfeiern. Mein Vater war Lokführer, meine Mutter verkaufte Fleisch und Wurst in einer Schlachterei. Da mir bei den Feiern langweilig war, habe ich mir eine Kamera gewünscht, um Bilder zu machen. Das war teuer, aber meine Eltern haben mir schließlich die Sucherkamera vom Typ Certo zum Geburtstag geschenkt“, erzählt die Journalistin.
Von der Kunst, Sportler im richtigen Moment abzulichten
Die Familienmitglieder waren ihre ersten Motive, in 90 Prozent der Fälle kamen die Fotos von Feiern gut an. Die restlichen zehn Prozent sorgten eher für Verdruss, wenn der Onkel zu fortgeschrittener Stunde nach reichlich Alkoholgenuss die falsche Tante küsste und das auf Celluloid in der Kleinbildkassette dokumentiert war. „Mein Taschengeld ging für das Entwickeln der Bilder und die Filme drauf. Dann wurde ich Mitglied im Fotoclub im Pionierhaus. Dort gab es Filme und eine Dunkelkammer. Außerdem lernte ich dort die Grundlagen der Sportfotografie kennen“, erinnert sich die Schwarzenbekerin.
Sport war ein wichtiger Faktor in der DDR. „Unser Lehrer Gerd Settekorn brachte uns bei, die Athleten nicht beim Start sondern kurz vor dem Ende eines Wettkampfes zu fotografieren, weil ihnen dann die Anstrengung anzusehen war. Das wirkte dramatischer. Es war aber schwer, mit den einfachen Kameras Menschen in Bewegung zu fotografieren“, berichtet die 62-Jährige. Trotzdem gelang ihr das und sie heimste einige Preise für ihre Fotos ein.
Nach dem Abitur stand die Entscheidung Mathe/Physik studieren oder in den Journalisums gehen. Die Antwort war schnell klar. „Ich musste mich aber für das Schreiben entscheiden. Als Fotoreporterin hätte ich mir selbst die entsprechende Ausrüstung kaufen müssen. Das war für mich und meine Familie unerschwinglich“, erzählt sie. Das System in der DDR war allerdings völlig anders. Während in Westdeutschland das Volontariat – also die praktische Ausbildung – im Regelfall an ein Studium anschließt, war im Osten Deutschlands das Volontariat Grundvoraussetzung für ein Journalistikstudium.
Für Monika Retzlaff begann eine Laufbahn beim „Neuen Tag“. In der Lokalredaktion Frankfurt/Oder ging es um Planerfüllung, Kollektive und verdiente Arbeiter. Es folgte das Studium in Germanistik, Psychologie und Journalistik – selbstverständlich mit Marxismus/Leninismus in Leipzig „Ohne diese Fächer ging bei keinem Studium etwas“, erzählt die 62-Jährige, die ihr Studium mit einer glatten Eins absolvierte.
Gemeinsam mit dem Ehemann in das 10.000-Mitarbeiter-Kombinat
Im Studium lernte sie auch Ehemann Udo kennen, einen Kristallographen. Gemeinsam fanden die beiden in einer Halbleiterfabrik mit 10.000 Mitarbeitern einen Job, inzwischen waren auch Stefanie und Alexander geboren. Der Betrieb hatte einen eigenen Radiosender (Betriebsfunk), den Monika Retzlaff leitete, außerdem gab sie das Mitarbeitermagazin heraus. Ein Glücksfall, denn die Jobs wurden zugeteilt und die frisch gebackene Diplom-Journalistin sollte eigentlich nach Eberswalde.
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„Mit der Wende wurde alles anders. Ich kam zur Berliner Morgenpost, die ein Büro in Frankfurt aufmachte, und ich bekam 5000 Mark, das war unvorstellbar viel Geld. Aber auch die Themen wurden anders. Es ging um Auffanggesellschaften und die Demokratisierung und wir haben die Themen kritisch hinterfragt. Das war neu“, erinnert sich Monika Retzlaff. Über weitere Stationen in der Pressestelle eines Energieversorgers kam sie Anfang der 1990er-Jahre nach Schwarzenbek. Ehemann Udo fand einen gut bezahlten Job bei der Westdeutschen Quarzschmelze (später General Electric) in Geesthacht, Monika Retzlaff wurde freie Mitarbeiterin bei der Bergedorfer Zeitung.
Der erste Termin für unsere Zeitung war der Tanztee bei Schröder
„Mein erster Termin war ein Tanztee in Schröders Hotel“, erzählt sie schmunzelnd. Große Themen waren damals der Bau des Markttreffs in Gülzow, die Raumnot beim TSV und der daraus resultierende Bau der Sporthalle an der Buschkoppel. Es folgte ein Umzug ins Siegerland, natürlich auch wieder mit einer neuen journalistischen Station bei der „Westfälischen Rundschau“ und die Rückkehr nach Schwarzenbek 2007 nach dem tragischen Tod ihres Mannes Udo.
Im Siegerland hat Monika Retzlaff viel über Kultur berichtet, das tat sie in den vergangenen Jahren für uns auch. Doch nun steht der 63. Geburtstag im Mai an – und dann ist Schluss mit dem Schreiben. „Fotos bei Familienfeiern mache ich auch nicht mehr. Das ist mir zu viel Stress bei der Nachbesprechung“, sagt die Journalistin, die viele Jahre auch dem Vorstand des mittlerweile aufgelösten Vereins SiWa (Sicheres Wasser) angehörte. „Eigentlich sollte ich dort nur über den Beginn der Badesaison in Müssen berichten. Wenig später war ich ehrenamtliche Pressesprecherin“, erzählt sie.