Gülzow. In Gülzow wurde vor einem halben Jahr die bundesweit neunte Tante Enso-Filiale eröffnet. Es gibt ungewöhnliche und brandneue Produkte.
Als Tante Enso am 28. Juli im Gülzower Markttreff eröffnete, war er der neunte Markt des Bremer Start-ups MyEnso. Mittlerweile gibt es zwischen Brekendorf im Norden und München im Süden 16 Läden, die mit Kundenkarte das Einkaufen rund um die Uhr möglich machen.
Geht es nach Enso-Chef Thorsten Bausch, soll es so weitergehen: „Wir habe eine enorme Nachfrage von mehreren Hundert Orten aus ganz Deutschland, die sich um einen Tante Enso beworben haben.“ Mittlerweile zieht der Markt, der sich nicht nur mit seinem Namen ganz bewusst am alten Tante-Emma-Laden orientiert, nicht nur in bestehende Immobilien: In Zella (Thüringen) wurde im November ein Tante Enso-Neubau eröffnet, in Schwarzatal (Thüringen) und Sukow (Mecklenburg-Vorpommern) sind weitere Neubauten geplant.
24-Stunden-Supermarkt: Nächster Tante Enso soll in Kastorf entstehen
Neu im Programm ist auch Tante Enso-Plus: Dabei handelt es sich um größere Neubauten, die neben einem Tante Enso-Mini-Supermarkt noch weitere Dienstleister wie Bäcker, Metzger, Arzt, Apotheke oder altengerechte Wohnungen enthalten werden.
In der Gemeinde Kastorf bei Berkenthin sollen auch Finanzdienstleistungen angeboten werden, die gemeinsam mit den Sparkassenverbänden entwickelt wurden. An einem Multiservice-Terminal können Bürger dann nicht nur Geld abheben und Überweisungen tätigen, sondern auch Krankenkasse und Behörden online kontaktieren. Bis zu 30 neue Standorte will MyEnso in diesem Jahr neu eröffnen – neben Kastorf auch im stormarnschen Grönwohld.
Ein halbes Jahr nach der Eröffnung in Gülzow zieht Marktleiter Sebastian Böttger (39) eine positive Bilanz: „Wir sind so etwas wie ein Treffpunkt: Hier trifft man immer jemand – und wenn es nachts um 1 Uhr ist.“ Die Gülzower hätten den Markt hervorragend angenommen, so Böttger. „Die Menschen sind glücklich.“ Gülzow ist schon jetzt so etwas wie ein Tante Enso-Plus, denn neben dem Laden gibt es im Markttreff (Hauptstraße 21), der einst ein altes Bauernhaus war, noch das Café Stullenland, eine Arztpraxis sowie Räume für die Arbeitsgemeinschaft Heimatgeschichte.
Kunden gestalten das Angebot mit
Gestartet war der Mini-Markt mit 2300 unterschiedlichen Produkten, die auf 175 Quadratmetern angeboten werden. „Mittlerweile haben wir 2800 Produkte“, sagt Marktleiter Böttger. Auch das gehört zum Tante Enso-Konzept: Die Kunden dürfen das Angebot mitbestimmen. Auf einer Tafel im Eingangsbereich dürfen sie ihre Wünsche äußern. Das sind nicht unbedingt exotische Waren, sondern oft gängige Produkte wie Kaffeepads oder Bratwürste.
Ungewöhnlich und brandneu sind hingegen die Produkte der „Foodpioniere“ – so nennt Tante Enso Schokoriegel, Nudeln, Müslis oder Waschmittel, die von Manufakturen und Start-ups hergestellt werden, die für die großen Supermarkt-Konzerne noch uninteressant sind. In das Angebot eines Supermarktes dürfte es auch der Honig vom Gülzower Honigwerk nicht schaffen, der bei Tante Enso als „Lokaler Held“ gelistet ist.
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Den ersten großen Kundenansturm erlebt der 24/7-Markt in den Morgenstunden gegen 5 Uhr: Pendler auf dem Weg zur Arbeit halten an, um sich bei Tante Enso frische Brötchen zu holen. Die werden von der Geesthachter Bäckerei Dittmer täglich geliefert. „Ein echter Renner sind die Franzbrötchen“, sagt Mitarbeiterin Daniela Klüber.
Auch andere regionale Produkte wie Fleisch von Wildglück aus Schnakenbek oder Käse und Eier vom Erdmannshof in Kollow sind bei den Kunden beliebt. Böttger: „Ich kann teilweise gar nicht so schnell nachbestellen wie gekauft wird.“ Die Kunden des kleinen Markts kommen jedoch nicht nur aus Gülzow, weiß Klüber: „Wir haben Kunden aus Geesthacht, die einfach die Ruhe beim Einkaufen schätzen. Ein Kunde ist sogar aus Ratzeburg gekommen, weil wir ein spezielles Bier im Angebot haben.“
24-Stunden-Supermarkt: Im Dorftreffpunkt von Gülzow arbeiten alle in Teilzeit
Für die 34-jährige Klüber aus Gülzow, die gelernte Haushaltshilfe ist, ist es der erste Job nach der Elternzeit. Weil Kunden auch ohne die Anwesenheit des Personals per Kundenkarte einkaufen können, arbeitet sie wie Marktleiter Böttger und die übrigen vier Mitarbeiter in Teilzeit. Böttger, der zuletzt stellvertretender Marktleiter in Hamburg war, wollte dem Einzelhandel schon den Rücken kehren: „Viele Märkte sind bis 21 Uhr geöffnet. Gerade wenn Du eine Führungsposition hast, bist Du nicht vor 23 Uhr zu Hause.“
Das sei wenig familienfreundlich. Seine Frau habe ihm dann aber geraten, sich bei Tante Enso zu bewerben: „Und die haben mich mit ihrem Konzept voll abgeholt“, sagt der 39-Jährige, der jetzt eine 30-Stunden-Woche hat. Er verdiene zwar weniger, könne aber nun zu Fuß zur Arbeit gehen, so Böttger, der wie die meisten Mitglieder seines Teams in Gülzow wohnt.