Schwarzenbek. Die Laufkundschaft fehlt. Mit verkürzten Öffnungszeiten spart Traditionsbäckerei Gräper in Schwarzenbek. Und nicht nur sie.

Immer öfter stehen Kunden vor verschlossenen Türen, denn im Einzelhandel gehen die Lichter immer früher aus. Im vergangenen Herbst war es Aldi Nord, der den Einkaufsschluss um eine Stunde auf 20 Uhr vorverlegte. Viele Fachgeschäfte machen es ähnlich: Eine frühere Ladenschließung spart Energie- und Personalkosten. In Schwarzenbek hat jetzt die Traditionsbäckerei Gräper ihre Öffnungszeiten reduziert: Statt um 18 Uhr schließt das Geschäft von Montag bis Donnerstag schon um 16 Uhr.

Nicht der Fachkräftemangel sei das Problem, sagt Konditormeister und Bäcker Matthias Gräper (61), der gemeinsam mit Schwester Bettina (57) den elterlichen Betrieb in der Lauenburger Straße 6 in zweiter Generation führt: „Wir haben eigentlich genügend Mitarbeiter. Die meisten haben wir sogar im Betrieb ausgebildet.“ Dass hinter dem Verkaufstresen und im Café das Personal dennoch knapp ist, liegt am hohen Krankenstand. „Dabei handelt es sich zumeist um langwierige Erkrankungen“, sagt Bettina Gräper. Wenn alle da sind, beschäftigt die Bäckerei und Konditorei, die noch eine Filiale in Müssen betreibt, 20 Personen inklusive Aushilfen.

„Totentanz“: Immer weniger Fachgeschäfte im Stadtzentrum

Neues Personal einstellen will man bei Gräper aber auch nicht, hält den Erkrankten ihre Stellen frei. Doch Neueinstellungen lohnten sich auch nicht, sind sich die Geschwister beim Vor-Ort-Termin einig: „Schauen Sie doch mal auf die Straße. Das ist doch ein Totentanz“, sagt die 57-Jährige. Die Lauenburger Straße ist die Hauptstraße der Europastadt und auch ihre Haupteinkaufsstraße: Doch eingekauft wird mittlerweile am Ortsrand im Lupuspark. Vor 21 Jahren öffnete dort Aldi Nord den ersten Supermarkt, Edeka, Hagebau und weitere Filialisten folgten. Die Innenstadt konnte lange Zeit mithalten: Im Sky-Center am Rathaus gab es ebenfalls einen großen Supermarkt, hinzu ein Kaufhaus, ein Drogeriemarkt und die Post, die mit ihren Angeboten für Laufkundschaft sorgten.

Zeliha Satilmis (hinten) und Nicole Sibelius (r.) verkaufen eine Gräpersche Spezialität: Brötchen. Siberlius hat in der Schwarzenbeker Traditionsbäckerei sogar gelernt.
Zeliha Satilmis (hinten) und Nicole Sibelius (r.) verkaufen eine Gräpersche Spezialität: Brötchen. Siberlius hat in der Schwarzenbeker Traditionsbäckerei sogar gelernt. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Doch im ehemaligen Sky-Center gibt es mit Penny, Action und Budni nur noch kleinere Läden, der Drogeriemarkt an der Lauenburger Straße ist einem Billig-Markt gewichen und auch die Post hat geschlossen. Das seien schlechte Bedingungen für Fachgeschäfte, sagen auch die Schuhhändler Marika und Uwe Krützmann. Wer bei Billiganbieter Tedi einkaufe, werde mit großer Wahrscheinlichkeit anschließend nicht den Schuhfachhändler oder die Handwerksbäckerei aufsuchen, so Uwe Krützmann: „Uns fehlt die Vielfalt an Einzelhandelsfachgeschäften.“ Auch der Schuhhändler hat daraus seine Konsequenz gezogen: Wochentags ist zwar wie bisher von 9.30 bis 18 Uhr geöffnet, dafür bleibt am Montag das Geschäft geschlossen.

Steigende Energiepreise setzen vor allem Bäckereien zu

Das haben sich Bettina und Matthias Gräper auch schon überlegt: Bevor sie sich entschlossen, abends früher zu schließen, hatten sie per Strichliste die Kunden gezählt. Die Abendstunden stellten sich dabei neben dem Wochenanfang als die am wenigsten frequentierten heraus. Durch die verkürzten Öffnungszeiten sparen sie Energie- und Personalkosten. „Am Umsatz hat sich hingegen nichts geändert“, ist Matthias Gräper froh. Eine tageweise Schließung zu Wochenbeginn sei aber eine Option, sollten die Energiepreise weiter steigen, denn Gräpers Öfen werden mit Gas beheizt. 32.000 Euro hat Matthias Gräper bisher jährlich für Strom- und Gas bezahlt. „Dieses Jahr kommen wir auf 50.000 Euro und da ist der Gaspreisdeckel schon eingerechnet“, sagt der Unternehmer. 1959 hatte Herbert Gräper die bereits seit 1896 an der Lauenburger Straße existierende Bäckerei samt Café übernommen, seit 1993 führt Matthias Gräper den Betrieb.

Matthias Gräper ist Konditormeister und Bäcker in zweiter Generation.
Matthias Gräper ist Konditormeister und Bäcker in zweiter Generation. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Hilfe erhoffen sich Gräper und Krützmann von der Stadt, die bessere Rahmenbedingungen schaffen soll. Bettina Gräper verweist auf die fehlenden Parkmöglichkeiten im westlichen Bereich der Lauenburger Straße: „Dort hinten gibt es Parktaschen, vor unserem Geschäft hingegen nur Poller“, ärgert sich die Unternehmerin über eine Maßnahme, die 30 Jahre zurückliegt. 1994 war die Lauenburger Straße saniert worden, erhielt breite Fußwege mit rotem Klinkerpflaster und ist seither von Bäumen gesäumt. Doch der Bereich in der Stadtmitte erhielt keine Parkplätze, weil beiderseits der Straße Platz für Radfahrer sein sollte. Später kamen die Poller hinzu, weil Autofahrer halbseitig auf dem Fuß- und Radweg geparkt hatten. Für die Einzelhändler in diesem Bereich ein stetes Ärgernis, zumal Außengastronomie ebenfalls nicht möglich ist – durch die Poller ist der Raum für Radfahrer und Fußgänger dann zu eng.

Bau des Kreisels bietet neue Chance für die Innenstadt

Neben Parkmöglichkeiten wünschen sich Gräpers neue Frequenzbringer für die Innenstadt, alternativ könnten aber auch Wohnungen entstehen: „Hauptsache es kommen mehr Menschen ins Zentrum.“ Helfen könnte auch ein Citymanagement, das neuen Fachgeschäften mit Mietkostenzuschüssen den Start erleichtert sowie eine Verkehrsberuhigung. Zumindest dieser Wunsch könnte bald realisiert werden: Mit dem Bau des Kreisverkehrs in Höhe der Einmündung Kerntangente soll im kommenden Jahr begonnen werden. Die Bundesstraße 209, die aktuell noch mitten durch den Ort führt, könnte dann über Kerntangente, Grabauer Straße oder Ernst-Schefe-Allee zur neuen Ortsumfahrung führen und die Lauenburger Straße umgestaltet werden. Das bedeute jedoch nicht, so Bürgermeister Norbert Lütjens, dass vor jedem Geschäft Parkplätze entstünden.

Der Verwaltungschef verweist zudem auf das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK), das gerade in Workshops unter Beteiligung der Bürger erstellt wird: „Wir wollen die Rahmenbedingungen so setzen, dass auch Einzelhändler ihr Geschäft zukunftsfähig betreiben können.“ Allerdings seien Einzelhändler und Immobilienbesitzer nicht explizit zu den Workshops eingeladen worden, gibt Lütjens auf Nachfrage zu. Mit einer höheren Aufenthaltsqualität werde es aber hoffentlich auch gelingen, Kaufkraft in der Stadt zu binden. Und mit dem neuen Servicezentrum in der ehemaligen Realschule, das Bürgerservice, Stadtbücherei und Volkshochschule unter einem Dach vereinen soll, schaffe die Stadt auch einen neuen Frequenzbringer. Die Stadt könne jedoch nicht das Geschäft der Einzelhändler übernehmen: Es sei deren Aufgabe, ihre Unternehmen in Zeiten des digitalen Wandels zukunftssicher aufzustellen, so Lütjens. Dabei können die Stadt sie jedoch unterstützen: „Wir können Workshops mit IHK und anderen Fachleuten vermitteln, denn die Probleme unserer Innenstadt haben ja auch andere Städte und auch Lösungsansätze.“

Verkürzte Öffnungszeiten sind nicht nur ein Schwarzenbeker Problem

Denn nicht nur in Schwarzenbek verkürzen Geschäfte ihre Öffnungszeiten, auch in der Geesthachter Fußgängerzone haben Einzelhändler Ruhetage eingeführt oder schließen frühzeitig: Die Dat-Backhus-Filiale ist dort bereits um 14 Uhr zu. Dies sein dennoch kein landesweiter Trend, sondern vielfach eine örtlich und zeitlich begrenzte Reaktion auf Personalknappheit und Energiepreise, sagt Mareike Petersen, Sprecherin vom Handelsverband Nord, der die Interessen von rund 32.600 Einzelhandelsunternehmen in den drei norddeutschen Bundesländern vertritt. Petersen warnt vor einem Wildwuchs unterschiedlicher Öffnungszeiten in Einkaufsstraße und Fußgängerzonen und gibt zu bedenken: „Wenn ich nicht auf habe, entgeht mir nicht nur dieses eine Geschäft – möglicherweise kommt dieser Kunde nicht mehr wieder.“

Zahl der Handwerksbäcker geht beständig zurück

Mit 9965 Meisterbetrieben, einem Gesamtumsatz von 14,89 Milliarden Euro und 240.800 Mitarbeitern, darunter 12.242 Azubis, zählt das deutsche Bäckerhandwerk zu den wichtigsten Wirtschaftsfaktoren Deutschlands. Allerdings mit abnehmender Tendenz: 2014 hatte es bundesweit noch 12.611 Betriebe mit 277.000 Mitarbeiter und 20.540 Azubis gegeben. 2021 waren es nur noch 9965 Betriebe mit rund 35.000 Filialen. Fast halbiert hat sich die Zahl der Azubis, die 2014 noch bei von 20.540 lag. (Quelle: Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks)