Schwarzenbek. 1972 wurde das Gelände im Norden Schwarzenbeks als Bundesgrenzschutzstandort eingeweiht: 25 Jahre später war Schluss. Ein Rundgang.
Der Lupuspark ist eine Schwarzenbeker Erfolgsgeschichte: Vor 50 Jahren als Standort des Bundesgrenzschutzes (seit 2005 Bundespolizei) entstanden, war diese Nutzung nach Mauerfall und Wiedervereinigung nicht mehr notwendig. Heute gibt es dort einen florierenden Mix aus Einkaufszentrum, Wohnen und Gewerbe.
Bernd Münchow war von der Eröffnung der Kaserne der Bundesgrenzschützer (BGS) im Jahr 1972 bis zum Auszug 25 Jahre später auf dem Gelände stationiert. 50 Jahre später hat sich der ehemalige Leiter der BGS-Fahrschule mit unserer Zeitung zum Rundgang getroffen.
Der 76-Jährige ist in Schwarzenbek kein Unbekannter. Er ist „Hüter“ der Kirchturmuhr in St. Franziskus und war viele Male auf dem Jakobsweg als Pilger unterwegs. Über seine Erlebnisse auf dem Weg nach Santiago de Compostela in Spanien hat er auch mehrfach bei Vorträgen in Schwarzenbek berichtet. Doch zurück zu seinem „früheren Leben“ als Grenzschützer. Wir stehen am Rande des Aldi-Parkplatzes am heutigen Hans-Koch-Ring, einige Meter von den Recyclingcontainern entfernt. Dort war früher der Eingangsbereich des einst komplett umzäunten Geländes.
Elf Jahre nach dem Mauerbau entstand BGS-Standort
Noch vor dem Berliner Mauerbau 1961 durch DDR-Grenztruppen hatte die Bundesregierung beschlossen, ihren Grenzschutz zu verstärken: Seit 1957 war klar, dass Schwarzenbek BGS-Standort wird. Die Europastadt war gerade einmal 15 Kilometer von der späteren innerdeutschen Grenze entfernt, sollte die Lücke zwischen Ratzeburg und Lüneburg schließen. 1967 war Baubeginn auf dem 17 Hektar großen Areal. Zwei Jahre später rückte das Panzerbataillon 169 im benachbarten Lanken ein.
Am 10. November 1972 erfolgte die Einweihung durch den damaligen Innen- und späteren Außenminister Hans-Dietrich Genscher (1927-2016). „Da war aber noch lange nicht alles fertiggestellt“, erinnert sich Münchow. Damals gab es nur Wache, Heizungszentrale, Tankstelle und Kfz-Hallen, ein Wirtschaftsgebäude und Unterkünfte für die Hundertschaften. Bis 1982 kamen noch weitere Dienstwohnungen, Sportplatz und -halle, Stabsgebäude sowie Werkstätten hinzu. 500 Grenzschützer waren dort stationiert, insgesamt wurden 42 Millionen D-Mark investiert.
1997 wurde der Standort in Schwarzenbek geschlossen
Für das Zonenrandgebiet waren Panzerkaserne und Bundesgrenzschutz wichtige Wirtschaftsfaktoren, die die Europastadt Schwarzenbek aufblühen ließen. Doch dann kam die Wiedervereinigung. Für Deutschland ein Glücksfall, für den Standort Schwarzenbek zunächst ein Problem. Die Panzerkaserne in Lanken wurde geschlossen, auch mit dem Grenzschutz ging es bergab. Die Mitarbeiter – später waren sie Bundespolizisten – absolvierten ihren Dienst fortan an der Grenze nach Polen an der Oder oder aber sie waren am Hamburger Flughafen sowie bei Großveranstaltungen im Bundesgebiet im Einsatz.
1997 wurde der Standort in Schwarzenbek geschlossen. 2001 kaufte die May & Co. Wohn- und Gewerbebauten GmbH aus Itzehoe das Areal. Ein Jahr später eröffnete der Discounter Aldi eine Filiale auf dem Gelände der ehemaligen Kleiderkammer. Es folgten Edeka, Hagebaumarkt, Dänisches Bettenlager (Heute Jysk) und weitere Dienstleister sowie Gewerbebetriebe. Aus der Ringstraße, die das gesamte Garnisonsareal erschloss, wurde der Hans-Koch-Ring – benannt nach dem früheren Bürgermeister der Europastadt.
Wohnhäuser wo eine Bundesgrenzschutz-Kasernen standen
Von den alten Gebäuden sind nur noch wenige geblieben. Münchow blickt im trüben Nieselregen auf ein Luftbild des Areals und zeigt auf die andere Seite des Hans-Koch-Rings, wo zwei Mehrfamilienhäuser gleich im Eingangsbereich des heutigen Lupusparks auf der linken Seite stehen. „Das waren die Bundesbedienstetenwohnungen. Darin wohnte etwa der Spieß“, erinnert sich der Pensionär.
Über den Hans-Koch-Ring geht unser Spaziergang an den Quadra-Häusern vorbei, die ebenfalls linksseitig des Aldi-Marktes stehen. Dort standen früher die Unterkünfte für die Hundertschaften: Vier lange, zweigeschossige Gebäude, die schräg zur Ringstraße angelegt waren, beherbergten die Dienstanwärter, die in Schwarzenbek ausgebildet wurden. Sie wurden abgerissen und ab 2005 die Quadra-Häuser gebaut, die ihren Namen ihrer quadratischen Grundform verdanken.
„Damals hatte das Areal mehr Grünflächen“
Wir gehen ein Stück weiter den Hans-Koch-Ring entlang. Gleich gegenüber der heutigen Quadra-Häuser war das Lehrsaalgebäude. „Dort hatte ich mein Büro“, sagt Münchow. Nach dem Auszug der Grenzschützer mietete die Stadt das Gebäude für die Centa-Wulf-Förderschule an. Heute ist dort das Berufliche Förderzentrum für Menschen mit Behinderungen des Lebenshilfewerks untergebracht.
Das Förderzentrum Centa-Wulf-Schule ist nach einem Wechsel an die Cesenatico-Straße bei der Grundschule Nordost zurück an den Hans-Koch-Ring gekehrt: In einem Büro- und Geschäftshaus im Eingangsbereich des Lupusparks hat die Förderschule 2022 neue Räume erhalten.
Von seinem Büro konnte Münchow an der Sporthalle vorbei zu den Kfz-Werkstätten und seinem Schulungsraum gehen: „Damals hatte das Areal mehr Grünflächen, über die Plattenwege führten.“ Da wir nicht abkürzen können, bleiben wir auf der Ringstraße: Wo einst der Sportplatz war, haben in den vergangenen Jahren mehrere Gewerbebetriebe Leichtbauhallen errichtet.
Sporthalle ist heute Sitz eines Elektrobetriebs
Das einzige massive Gebäude liegt am Ende des Sportplatzes: In die Sporthalle der Grenzschützer war zunächst ein Fitnessstudio eingezogen. In der Halle standen Fitnessgeräte, wurden Aerobic-Kurse angeboten. Münchow hatte dort Fußball gespielt: „Ich war der erste Sportunfall“, erinnert sich der 76-Jährige: „Der Boden war noch neu und wohl zu stumpf. Ich bin hängengeblieben und hatte eine Kapselverletzung.“
Statt Fitnessgeräte stehen heute Regale in der Halle: 2016 hat die Schwarzenbeker Elektro-Firma EFG das Gebäude übernommen und umgebaut. 2018 gab es für das Beleuchtungskonzept in den neuen Büroräumen auf einer Fachmesse sogar einen Preis. Gegenüber lagen früher Schießbahn und Hubschrauberlandeplatz: Auf dem entsteht gerade einer der letzten Neubauten des Lupusparks: Michael und Jürgen Putzer, Wirtschaftspreisträger 2022, bauen dort eine neue Filiale für ihren Leifheit-Reifenservice.
Wo das Autohaus stand, hat heute Hagebau erweitert
Auf der Schießbahn entstand 2020 der Neubau der Firmen Suatec und HSM-Heizungsbau. „Geschossen wurde auf einen Kugelfang in Richtung Bundesstraße“, sagt Münchow. Für die Übungen mit großkalibrigen Waffen nutzten die Bundesgrenzschützer hingegen den Schießstand der Bundeswehr im nahen Lanken.
Gleich gegenüber der Turnhalle lag die Waffen- und Kfz-Werkstatt: „Dort oben habe ich die Fahrschüler ausgebildet“, sagt Münchow und zeigt auf das Obergeschoss des Gebäudes, in dem es noch freie Gewerbeflächen gibt. Abgerissen sind hingegen die Garagen: Dort stand zunächst ein Autohaus, das aber den Erweiterungsplänen des Hagebaumarktes gewichen ist.
Aldi, Edeka und viele andere Unternehmen haben sich angesiedelt
Der Baumarkt, Edeka und ein Drogeriediscounter waren 2003 dem Pionier Aldi gefolgt: Der Discounter hatte 2002 als erster direkt im Eingangsbereich des Lupuspark einen Markt errichtet. 13 Jahre später wurde der abgerissen: Ein Jahr lang verkaufte der Discounter in einem Zelt, während das neue, energetisch optimierte Verkaufsgebäude entstand.
Auch Bernd Kratzmann zählt zu den Pionieren: Im Jahr 2000 hatte er einen Edeka-Markt in Oststeinbek von seinen Eltern übernommen, 2003 im Lupuspark in einen weiteren Markt investiert, der 2009 auf 3000 Quadratmeter erweitert wurde.
Zu den Pionieren zählte auch das Dänische Bettenlager. Der Filialist baute auf der gegenüberliegenden Seite des Hans-Koch-Rings und erweiterte seine Filiale in diesem Jahr. Mittlerweile heißt das Unternehmen Jysk. Neben dem Dänischen Bettenlager entstand eine weitere Ladenzeile mit den Billiganbietern Tedi und Kik sowie einem Schuhhandel und einem Tiernahrungsanbieter.
Schwarzenbek wurde geschlossen, BGS-Standort in Ratzeburg blieb
Mit Bernd Münchow sind wir wieder am Aldi-Parkplatz, dem Ausgangspunkt unseres Rundgangs angekommen. „Dort waren früher die Bekleidungskammer und das Stabsgebäude“, sagt der Pensionär und zeigt auf Aldi und Edeka. „Und auf der anderen Straßenseite, wo heute Jysk, Tedi und Fressnapf sind, befand sich das Wirtschaftsgebäude mit der Kantine.“
Wehmut schwingt in seiner Stimme nicht mit. Doch bis heute habe er nicht verstanden, so Münchow, warum damals Schwarzenbek und nicht Ratzeburg geschlossen wurde: Für die heutigen Aufgaben der Bundespolizei, die bei Demos oder Fußballspielen eingesetzt wird, wäre die Europastadt dank der nahen Autobahnanbindung der bessere und auch zentraler gelegene Standort gewesen, meint der 76-Jährige.