Schwarzenbek. 107 Feuerwehrleute zählt die Schwarzenbeker Wehr: Neu dabei ist Attaalla Khattab (31). Er hat einen besonderen Grund, zu helfen.
Im syrischen Bürgerkrieg sah Attaalla Khattab Tote und Verletzte, sah Bomben fallen und Häuser brennen – und konnte nicht helfen. Damals beschloss der 31-jährige Diplom-Ingenieur, nie wieder hilflos sein zu wollen. Die Folge: Seit Freitag, 27. Januar, ist Khattab nun aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Schwarzenbek.
Acht Männer und eine Frau wechselten während der Mitgliederversammlung der Schwarzenbeker Brandschützer aus dem Jugendbereich und der Anwärterausbildung in die aktive Wehr. Einer davon ist Attaala Khattab: Der Palästinenser floh 2015 aus dem syrischen Bürgerkrieg nach Deutschland. Der Diplom-Ingenieur lebt mit Frau und Kind in der Europastadt und arbeitet bei der LMT-Group. Bei seiner Anmeldung habe er gesagt, er wolle der deutschen Gesellschaft, die ihn so wohlwollend aufgenommen habe, etwas zurückgeben, erinnert sich Wehrführer Jan Piossek.
Attaalla Khattab: „Ich habe im syrischen Bürgerkrieg viel Schlimmes erlebt“
Doch das ist nicht alles: „Ich habe im Bürgerkrieg viel Schlimmes erlebt, habe in Damaskus Häuser brennen sehen. Ich habe erlebt, wie ein Vater und sein Sohn auf der Straße gestorben sind – und ich war hilflos“, sagt Khattab. Damals habe er sich geschworen: Sollte es wieder Frieden in Syrien geben oder er in einem anderen Land in Frieden leben, wolle er nie wieder hilflos sein.
Eine ehrenamtliche organisierte Feuerwehr habe es auch in Syrien gegeben, berichtet der 31-Jährige. In den einzelnen Stadtteilen von Damaskus sei die auch personell gut besetzt gewesen, auf dem Lande eher schwächer. Daneben habe es auch eine Berufsfeuerwehr gegeben, die jedoch eher einen schlechten Ruf hatte. Der Grund: Die meisten hauptamtlichen Feuerwehrleute waren Armeeangehörige.
Kaum Mitglieder mit Migrationshintergrund – nur eine Frau unter den Neuen
Seine Aufnahme und die Erfahrungen mit den neuen Kameraden in der Feuerwehr – ein Anwärter muss rund 70 Stunden in der Grundausbildung absolvieren – bezeichnet Khattab als sehr gut: „Ich bin total freundlich aufgenommen worden.“ Neben dem 31-Jährigen gibt es bisher jedoch kaum Mitglieder mit Migrationshintergrund und unter den neun neuen Feuerwehrleuten war auch nur eine Frau: „Wir sind kein Spiegel der Gesellschaft – sonst würden hier 50 Prozent Frauen sitzen“, sagt Piossek.
Die Wehr würde gerne weitere Personengruppen wie etwa die islamische Gemeinde, aber auch Ukraineflüchtlinge ansprechen und für sich gewinnen, so der Wehrführer: „Wir machen aber momentan keine aktive Werbung für uns, weil den Platz dafür nicht haben.“ Seit 2016 wird über An- oder Neubau einer Wache diskutiert. 2018 hatte die Stadtverordnetenversammlung dann einen Neubau beschlossen. Bei der Mitgliederversammlung der Wehr im Januar 2019 hatte die damalige Verwaltungschefin Ute Borchers-Seelig sogar einen Baubeginn noch im laufenden Jahr versprochen.
Schleppende Neubauplanung sorgt für Murren
Doch dazu kam es nicht: Angesichts leerer Kassen diskutierten die Politiker noch einmal über eine Anbau-Lösung und auch die Kaufverhandlungen zogen sich hin. Zumindest alle Fahrzeuge können derzeit untergebracht werden, nach dem 2020 eine Doppelgarage auf dem Gelände errichtet wurde. Mittlerweile hat die Stadt das Gelände für den Neubau erworben und auch die Anbindung an die Lauenburger Straße mittels eines Kreisels ist nach zähen Verhandlungen mit Land und Bund gesichert. „Lassen sie mich mal aus dem Nähkästchen plaudern: Bei derartigen Verhandlungen mit Land und Bund wird einem Bürgermeister sehr schnell klar, wo er sitzt – am Ende der Nahrungskette“, so Bürgermeister Norbert Lütjens.
Nachdem der Unmut der Feuerwehrleute über den schleppenden Verlauf auch das Rathaus erreicht hatte, gab der Verwaltungschef den Feuerwehrleuten einen Einblick in die verwaltungsinternen Abläufe: Noch in diesem Jahr soll die Planung des Neubaus europaweit ausgeschrieben werden. Angesichts des Investitionsvolumens von mehr als zehn Millionen Euro sei dies notwendig. Der Kreisverkehr soll dann 2024 entstehen, die Ausschreibung für die Bauarbeiten der Wache 2025 erfolgen – „Wenn alles gut geht“, so Lütjens Einschränkung, für die er sparsamen Applaus erhielt.
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Appell des Wehrführers für mehr Kameradschaft
Doch nicht nur wegen der stockenden Neubauplanung ist die Stimmung unter den Aktiven nicht die beste: „Wir haben ein Kommunikationsproblem“, so Piossek, dessen Ursache an der Corona-Pandemie liege. Seit 2020 haben sich die Kameraden nur eingeschränkt treffen können, gemeinsame Aktivitäten außerhalb der Einsätze habe es nicht gegeben, stattdessen sei über das Internet kommuniziert worden. „Da ist ganz viel Nähe verloren gegangen“, so der Wehrführer und das persönliche Gespräch habe gefehlt, um Missverständnisse auszuräumen. So hätten sich viele Kleinigkeiten summiert. Die Hoffnung mit der Rückkehr zum regulären Dienst im vergangenen Jahr würde auch die Kameradschaft wieder wachsen, hätte sich jedoch nicht erfüllt. Viele Kameradschaftsabende seien nicht gut besucht gewesen, so Piossek: „Wir müssen uns aber im Einsatz vertrauen können.“ Die Grundlage dafür werde auf den außerdienstlichen Veranstaltungen gelegt: „Lasst uns mehr Kameradschaft wagen“, appellierte Piossek. Helfen sollen interne Veranstaltungen sowie ein Wertepapier, in dem Grundregeln wie Respekt, Vertrauen und Wertschätzung festgelegt werden.
Namen und Zahlen
Mit 273 Einsätzen war das vergangene Jahr nach 2017, damals waren es 279, das einsatzreichste Jahr in der Geschichte der Wehr. Der Grund dafür waren die zahlreichen Sturmeinsätze im Frühjahr 2022.
Für 9. September 2023 lädt die Freiwillige Feuerwehr zum Tag der offenen Tür in die Feuerwache an der Lauenburger Straße 46 ein.
Die Gruppenführer Pascal Hildebrand und Tobias Lahode wurden zur Oberlöschmeistern, Wehr-Vize Timo Lehmann zum Hauptbrandmeister mit drei Sternen befördert. Wolfgang Michaelsen und Dieter Wedderin sind seit 50 Jahren Mitglieder der Wehr. Für 40 Jahre aktiven Dienst wurde Thorsten Klettka das Brandschutzehrenzeichen in Gold am Bande verliehen.