Sahms/Sandesneben. Von Lübeck über Sahms nach Krümmel führt die zweite neue Hochspannungstrasse im Lauenburgischen. Bereits 2030 soll sie vollendet sein.

Die Planungen für neue Hochspannungstrassen durch die Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg nehmen weiter Fahrt auf. Eine West-Ost-Verbindung zwischen dem Umspannwerk Hamburg-Ost in Oststeinbek und einem künftigen Knotenpunkt Sahms im Herzogtum Lauenburg hat der Netzbetreiber 50Hertz bereits auf den Weg gebracht. Jetzt folgt die Firma Tennet mit einer Nord-Süd-Verbindung zwischen Lübeck und der Elbe. Um die etwa 80 Kilometer lange Trasse publik zu machen, bieten Tennet und Mitstreiter Ende September in der Region drei „Infomärkte“ in Hamberge (Stormarn), Elmenhorst und Sandesneben.

Herzogtum Lauenburg: Planung für zweite Hochspannungstrasse beginnt

Wie zuvor 50Hertz setzt Tennet darauf, vor Beginn der formellen Genehmigungsverfahren die Menschen im Untersuchungsraum zu informieren und Fragen frühzeitig zu klären. Fest stehen bisher erst drei Orte für die Neubautrasse. Die 380-KV-Hochspannungsverbindung wird bei Lübeck in der Gemeinde Stockelsdorf beim dortigen Umspannungswerk beginnen. Sie führt dann über das geplante neue Mega-Umspannwerk samt Netzwerkkupplungspunkt in Sahms und endet in Krümmel mit Übergang über die Elbe.

Dazwischen wird in Suchräumen nach dem am besten geeigneten Trassenverlauf gesucht. Betrachtet werden dabei „die allgemeinen Raumwiderstände wie Wohnbebauung, Schutzgebiete und vorhandene Infrastruktur“, so Tennet in einer Pressemitteilung. Ziel sei es, „einen Leitungsverlauf zu finden, der die Belange von Mensch, Natur und Umwelt bestmöglich berücksichtigt“.

Bürgerinitiative will Mega-Umspannwerk verhindern

Dass die Meinungen darüber sowie über den Bau eines der größten Umspannwerke Deutschlands – je nach persönlicher Betroffenheit – weit auseinander gehen, liegt in der Natur der Sache. So hatte sich in der Gemeinde Sahms zwischen Schwarzenbek, Büchen und dem Elbe-Lübeck-Kanal kurz nach Bekanntwerden der Pläne im März eine Bürgerinitiative gegründet. Diese verlangt, für das Umspannwerk Flächen zu prüfen, die weniger dicht an Wohnbebauung anschließen als in Sahms. Etwa im Gewerbegebiet Elmenhorst, wo BI-Vertreter hinreichend Platz für den Komplex sehen, der etwa 40 Hektar Fläche benötigt.

Die Bürgerinitiative gegen das Umspannwerk in Sahms lässt nicht locker. Ministerpräsident Daniel Günther hat sich in Müssen gestellt, um mit den Sahmsern über das Projekt zu sprechen.
Die Bürgerinitiative gegen das Umspannwerk in Sahms lässt nicht locker. Ministerpräsident Daniel Günther hat sich in Müssen gestellt, um mit den Sahmsern über das Projekt zu sprechen. © Bürgerinitiative | Bürgerinitiative

Naturschützer wiederum blicken mit Argusaugen darauf, dass Schutzgebiete nicht von Hochspannungstrassen betroffen werden. Überlegungen aus der Region, den Sachsenwald mit Erdleitungen zu durchqueren, statt die West-Ost-Trasse mit Freiluftleitungen um das Waldgebiet zu führen, hatten für Diskussionsstoff gesorgt.

Neubau-Trasse führt an Mölln und Schwarzenbek vorbei

Die Tennet-Trasse soll von der Ostseeküste kommend westlich des Elbe-Lübeck-Kanals verlaufen, damit werden einige Schutzgebiete nahe der früheren innerdeutschen Grenze umgangen. Hauptgrund ist jedoch die Elbquerung Richtung Süden: Die Leitung soll an vorhandene Infrastruktur beim stillgelegten Atomkraftwerk Krümmel angeschlossen werden. Ein Trassenverlauf östlich des Elbe-Lübeck-Kanals würde einen deutlichen Umweg bedeuten.

Die notwendigen Genehmigungsverfahren werden in zwei Teilabschnitten betrieben. Der Abschnitt-Nord reicht von Lübeck bis Sahms. „Die Antragsunterlagen für das notwendige Planfeststellungsverfahren sollen Mitte 2024 eingereicht werden“, sagt Tennet-Sprecher Jan Niklas Wölfel. Der südliche Abschnitt soll ein Jahr später folgen. Vollendet wird die Strom-Autobahn 2030, wenn alles glatt geht.

Berlin macht Tempo, verkürzt die Planverfahren

In welcher Entfernung die Hochspannungstrasse an bebautem Gebiet, an Städten und Gemeinden vorbeiführen wird, steht etwa für Mölln voraussichtlich kommenden Sommer fest. Die Menschen, die im südlichen Suchraum leben, im dichter besiedelten Südkreis, werden sich möglicherweise länger gedulden müssen.

Der Bund hat mit dem Bundesbedarfsplangesetz Verfahren gestrafft, um den Ausbau in den Energienetzen voranzutreiben. Die notwendigen Planverfahren werden verkürzt. Klagen gegen Planungen für die definierten Ausbauprojekte werden gleich vor dem Bundesverwaltungsgericht geführt. Damit scheidet es als zweite Instanz aus.

Netzbetreiber Tennet beginnt mit den Planungen für die Stromtrasse zwischen dem Umspannwerk Lübeck - West in der Gemeinde Stockelsdorf und Sahms. In einem zweiten Planverfahren (Abschnitt Süd) soll die Lücke bis Krümmel geschlossen werden. 
Netzbetreiber Tennet beginnt mit den Planungen für die Stromtrasse zwischen dem Umspannwerk Lübeck - West in der Gemeinde Stockelsdorf und Sahms. In einem zweiten Planverfahren (Abschnitt Süd) soll die Lücke bis Krümmel geschlossen werden.  © BGZ | Tennet

Bund räumt rund 3000 Kilometern Energietrassen Vorrang ein

Fast 3000 Kilometer neue Trassen sollen mit dem Bundesbedarfsplan als vorrangiges Projekt beschleunigt werden. Naturschützer wie auch Betroffene von Ausbauvorhaben kritisieren die Beschneidung ihrer Möglichkeiten, auf den Netzausbau Einfluss zu nehmen.

Zu unrecht kritisiert sehen sich inzwischen viele Netzbetreiber: Um Einspruchmöglichkeiten zu reduzieren erhalten sie klare Vorgaben, mit welcher Technik Vorhaben realisiert werden sollen. Wie schon 50Hertz für die West-Ost-Trasse, hat auch Tennet den Auftrag erhalten, seine Ausbautrasse als Freileitung zu bauen. Teure Erdkabel sind demnach keine Option für die Planungen.

Bürgermeister bedauert eingeschränkte Chancen der Mitsprache

„Mit der Bürgerinitiative in Sahms haben wir Anfang Juli ein Gespräch geführt“, erläutert Tennet-Sprecher Jan Niklas Wölfel. „Dabei ist es vor allem um den Netzverknüpfungspunkt gegangen.“ Dr. Helmut Brüggmann, Bürgermeister der 400-Einwohner-Gemeinde Sahms, hat die Bürger nach ersten Gesprächen in einem Rundschreiben informiert.

So über Details wie die geplante Baustraße, um Bauverkehr aus dem Dorf herauszuhalten. Oder vier geplante Transformatoren, die möglichst entfernt von den Wohnhäusern in Sahms aufgestellt werden sollen. Aber auch darüber: „Bei unseren Bemühungen mussten wir feststellen, dass angesichts der hohen Priorisierung dieser Projekte seitens des Bundes und der EU unsere Möglichkeiten der Einflussnahme stark eingeschränkt sind.“

Netzstabilität soll mit Umspannwerk Sahms steigen

Das Vorhaben ist auch technisch alles andere als trivial. In Sahms sollen nicht nur die Neubau-Fernleitungen von Tennet und 50Hertz zusammengeführt werden. Dazu kommt die Anbindung an das bestehende Stromverteilnetz der Schleswig-Holstein Netz AG.

Mit dieser Kopplung soll die Stabilität der Stromversorgung gesichert werden. Die Aufgabe: Die beiden Übertragungstrassen sind für 380.000 Volt Spannung ausgelegt, das Verteilnetz arbeitet mit 110.000 Volt. Wölfel: „Die Umspannung kann je nach Bedarf in beide Richtungen geschehen.“

Tennet lädt Bürger zu drei Infomärkten vor Ort

Zu den drei Infoterminen in Hamberge, Elmenhorst und Sandesneben stößt jeweils die Schleswig-Holstein Netz AG dazu, in Elmenhorst zusätzlich auch ein Vertreter von 50Hertz. In Hamberge startet die Reihe „Infomarkt“ am Donnerstag, 21. September, in der Sporthalle (Schulstraße 8a). Als Zeitraum sind für alle drei Termine je vier Stunden vorgesehen, jeweils von 16 bis 20 Uhr.

Am Dienstag, 26. September, folgt Elmenhorst. Dort stellen sich die Vertreter der Netzunternehmen in der Mehrzweckhalle (Auf der Horst 9) den Fragen der Bürger. Den Abschluss macht der Infomarkt in Sandesneben. Start ist um 16 Uhr im Lauenburger Hof (Hauptstraße 25).