Sahms. Netzbetreiber erklären Bürgern, warum ihr Dorf der günstigste Standort für Anlage ist. Was Daniel Günther zu den Plänen sagt.

Was kommt da auf Sahms zu? Sehr gut besucht war die Informationsveranstaltung der Netzbetreiber Tennet und 50Hertz zum geplanten Mega-Umspannwerk am Donnerstagabend in der Feuerwache von Sahms. Viele Fragen blieben offen, aber die Betreiber machten deutlich, dass es aus ihrer Sicht keine Alternative gibt.

Gespräche mit den Grundeigentümern laufen demnach bereits. Die Hälfte der benötigten Fläche von etwa 40 Hektar soll auch schon an die Betreiber-Firmen verkauft sein. Der Netzknotenpunkt soll ab 2028 Stromtrassen im Norden bündeln und grünen Strom aus der Windkraft und aus Solarparks nach Süddeutschland weiterleiten. 2024 soll das Genehmigungsverfahren beginnen, der Baustart ist für 2025 geplant.

Umspannwerk in Sahms: Bürgerinitiative überrascht Ministerpräsident Günther

Eigentlich waren 90 Minuten eingeplant, am Ende war der Informationsbedarf der besorgten Dorfbewohner so groß, dass sich die Experten drei Stunden den Fragen stellten und am Ende sogar noch eine Stunde bis 23 Uhr für Einzelgespräche mit den Bürgern vor Ort blieben. Angesichts der emotionsgeladenen Thematik war die ruhige und sachliche Atmosphäre im Feuerwehrgerätehaus erstaunlich. Das sagten auch die Referenten am Rande der Veranstaltung gegenüber unserer Zeitung.

Mitglieder der Bürgerinitiative gegen das Umspannwerk in Sahms haben Ministerpräsident Daniel Günther in Müssen überrascht und mit ihm über das Projekt diskutiert.
Mitglieder der Bürgerinitiative gegen das Umspannwerk in Sahms haben Ministerpräsident Daniel Günther in Müssen überrascht und mit ihm über das Projekt diskutiert. © Bürgerinitiative | Bürgerinitiative

Doch das Thema treibt die Sahmser weiter um und lässt sie auch zu ungewöhnlichen Aktionen greifen. Bereits am Donnerstagvormittag war eine Delegation mit einem Protestbanner nach Müssen zur Grundschule gefahren, weil dort Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zu Gast war. Auf eine Anfrage für einen Zwischenstopp in Sahms hatte die Staatskanzlei nicht reagiert, wie ein Sprecher der Bürgerinitiative sagte.

Deshalb hatten die Initiatoren den Ministerpräsidenten bei der Abfahrt in Müssen gestoppt. „Er hat zehn Minuten mit unseren Vertretern geredet und gesagt, dass die Entscheidung noch nicht gefallen sei. Wir sollen einen Gesprächstermin mit Energieminister Tobias Goldschmidt von den Grünen bekommen“, sagte Matthias Bös, Sprecher der Bürgerinitiative.

Tennet: Netzknotenpunkt ist ein wichtiger Baustein der Energiewende

Wie erfolgreich der Widerstand sein kann, muss sich zeigen. „Wir brauchen einen Netzknotenpunkt im Kreis Herzogtum Lauenburg, um die Leitungen von den Windparks und Solarfeldern zu bündeln und den grünen Strom über die Elbe nach Baden-Württemberg zu transportieren. Dabei sind wir von der Bundesnetzagentur gehalten, uns möglichst an bestehende Trassen zu halten. Aus vielen unterschiedlichen Gründen ist Sahms der günstigste Standort“, betonte Philipp Schröder, Projektleiter bei Netzbetreiber Tennet. Das Projekt sei ein wichtiger Baustein in der Energiewende.

Gespannt hören die Bewohner von Sahms zu, wie Experten die Pläne für das Umspannwerk vorstellen.
Gespannt hören die Bewohner von Sahms zu, wie Experten die Pläne für das Umspannwerk vorstellen. © Stefan Huhndorf | Stefan Huhndorf

Gerade vor dem Hintergrund der Energiewende und dem Krieg in der Ukraine, verbunden mit dem Ausfall der Gaslieferungen aus Russland, seien jetzt beschleunigte Verfahren nötig, um die Ziele einer sicheren Energieversorgung zu erreichen, betonte Schröder. Im Bereich Sahms verlaufen bereits Überlandleitungen, in Lanken gibt es den großen Solarpark, der angeschlossen werden soll, und bei Krümmel gibt es eine Elbquerung für Strom. Das alles soll genutzt werden, um die vorhandenen und zusätzlich entstehende Stromtrassen in Nord-Süd- und in Ost-West-Richtung in Sahms zu bündeln.

Umspannwerk ist kein schöner Anblick, aber es bietet Chancen

„Für die Menschen in Sahms ist das schlimm. Wenn man die Bilder von solchen Anlagen sieht, ist es kein schöner Anblick. Aber das Umspannwerk wird kommen. Und wir müssen auch die Chancen sehen und das Beste daraus machen“, sagte Michaela Bierschwall, Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Herzogtum Lauenburg (WFL), gegenüber unserer Zeitung. Ob das die Bürger beruhigt? Eine Befürchtung, die viele Sahmser am Donnerstagabend geäußert haben, war die Ansiedlung von energieintensiven Betrieben an ihrem Ortsrand.

„In Sahms gibt es keine Gewerbeflächen. Wir müssen das jetzt erst einmal sacken lassen und dann nachdenken, wie man die große Menge an Energie nutzen kann. Wir müssen aber auch erst einmal mit den Betreibern reden, inwieweit sich an diesem Punkt Strom für energieintensive Betriebe überhaupt abzapfen lässt oder ob alles sofort nach Süden weitergeleitet wird“, so die WFL-Geschäftsführerin.

Potenzielle Flächen für solche energieintensiven Betriebe könnte es in den bestehenden Gewerbegebieten in Grabau und Lanken geben. „Möglicherweise lassen sich in der Region aber auch noch Gewerbegebiete entwickeln. Das muss man in Absprache mit den Kommunen und dem Kreis sehen. Aber die Chance sollte man in jedem Fall nutzen“, betonte Michaela Bierschwall.

Thermische Nutzung der Abwärme von Transformatoren könnte möglich sein

Ein Thema könnte auch die thermische Nutzung der Abwärme der Transformatoren sein, so Michaela Bierschwall. In diese Richtung hatte auch der Sahmser Bürgermeister, Dr. Henning Brüggmann, bereits gedacht, weil die Gemeinde ein kommunales Wärmekonzept erarbeiten muss. „Das Thema ist für uns neu. Die Transformatoren erzeugen Wärme. Bislang wird die Wärme einfach durch Kühlung mit Öl abgeleitet. Aber denkbar könnte die Nutzung natürlich sein. Das könnten wir prüfen“, sagte Tennet-Sprecher Peter Hilfert gegenüber unserer Zeitung.

Sie stellten die Pläne für das Umspannwerk in Sahms vor (v.l.): 50Hertz-Projektleiter Klemens Lühr, Tennet-Projektleiter Philipp Schröder und Jan Niklas Wölfel, Referent für Bürgerbeteiligung, bei der Einwohnerversammlung in Sahms.
Sie stellten die Pläne für das Umspannwerk in Sahms vor (v.l.): 50Hertz-Projektleiter Klemens Lühr, Tennet-Projektleiter Philipp Schröder und Jan Niklas Wölfel, Referent für Bürgerbeteiligung, bei der Einwohnerversammlung in Sahms. © Stefan Huhndorf | Stefan Huhndorf

Auch CDU-Fraktionschef im Kreistag und Erster Kreisrat Norbert Brackmann (CDU) spekuliert auf den Strom aus Sahms. Er sieht die große Menge an verfügbarer Energie als Chance dafür, die nötige Infrastruktur zu schaffen, um den gesamten öffentlichen Personennahverkehr im Kreis auf E-Mobilität umzustellen.

Umspannwerk wird nicht das einzige Projekt in der Region bleiben

Die Befürchtung der Menschen in Sahms bezieht sich aber nicht nur auf die Ansiedlung von Industrie, die bis an ihre Dorfgrenze rücken könnte. Auch ein sogenannter Konverter ist perspektivisch in der Region vorgesehen. Und diese Anlage, die eine Größe von 16 bis 20 Hektar und das Volumen eines Ikea-Möbelhauses hat, muss relativ dicht am Umspannwerk liegen. Angepeilt ist ein Abstand von maximal drei Kilometern.

„Wir haben bei der Planung des Umspannwerks den maximal möglichen Abstand zum Dorf vorgesehen und die Anlagen dicht an die B207 gelegt. Es würde unsere eigenen Planungen zunichte machen, wenn wir jetzt zwischen Umspannwerk und Dorf einen Konverter setzen würden“, betonte Schröder. Nach der aktuellsten Planung würde das Umspannwerk „nur“ noch 35 statt der ursprünglich angedachten 40 Hektar groß werden. Der Zaun rund um das Gelände würde mindestens 425 Meter vom nächstgelegenen Haus entfernt sein, die lauten Transformatoren 770 Meter.

Als Standort für den Konverter kommen dann eher umliegende Dörfer ins Spiel. Aus diesem Grund waren auch einige besorgte Bürger aus Grabau im Publikum.

Stromverbrauch wird sich wegen Wärmepumpen und Elektromobilität verdoppeln

Warum ein Konverter perspektivisch benötigt werde, erklärte 50Hertz-Projektleiter Klemens Lühr: „Wir haben im Augenblick einen jährlichen Stromverbrauch von etwas mehr als 500 Terrawatt-Stunden im Jahr. Im Zuge der Energiewende wird der Bedarf durch Wärmepumpen und Elektromobilität auf mehr als das Doppelte ansteigen“, so Lühr. Um eine solch gigantische Menge an Strom zu transportieren, sei eine Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom erforderlich. Das minimiere die Verluste auf dem langen Weg von den Knotenpunkten im Norden bis zu denen in Süddeutschland gewaltig.

Fazit des Abends: Die Betreiber, zu denen neben Tennet und 50Hertz auch SH Netz gehört, wollen weiter mit den Anwohnern im Dialog bleiben, die Bürgerinitiative will ihren Widerstand fortsetzen. Allerdings gibt es im Dorf durchaus Befürworter des Projekts, wie Bürgermeister Brüggmann gegenüber unserer Zeitung gesagt hatte. Denn neben dem Vorteil der möglichen Wärmenutzung werde es auch Gewerbesteuereinnahmen geben, die der 425-Einwohner-Ort dringend benötige.