Lauenburg. Chinesischer Hersteller „vergisst“ wichtiges Bauteil in Wechselrichter. Seine Geräte sind weit verbreitet. Was Nutzer tun sollten.

Sogenannte Balkonkraftwerke boomen. Offiziell angemeldet sind in Deutschland rund 230.000 „Steckerfertige Erzeugungsanlagen“, vermutlich geht ihre Zahl aber in die Million. Viele Betreiber der kleinen Photovoltaikanlagen haben nun ein Problem, denn in etlichen Anlagen fehlt offenbar ein sicherheitsrelevantes Bauteil. Ohne dieses ist der Betrieb des kleinen Solarkraftwerks verboten. Auch im Lauenburgischen dürfte es viele Betroffene geben.

Vergangenen Monat hatten Youtuber in dem Videoportal vermehrt über Fehler bei Balkonkraftwerken berichtet. Zuerst waren Funkstörungen aufgefallen: Garagentore ließen sich nicht mehr öffnen, es gab Störungen im WLAN. Bei allen Haushalten war ein kleines Solarpanel installiert. Bei näherer Untersuchung stellte sich heraus, dass bei einigen Wechselrichtern der chinesischen Firma Deye ein sicherheitsrelevantes Relais fehlt. In wieweit auch Wechselrichter anderer Hersteller betroffen sind, ist unklar.

Sicherheitslücke bei Balkonkraftwerke: Relais in Wechselrichtern fehlt

„Ein Wechselrichter ist das wichtigste Bauteil so einer Balkonsolaranlage“, erklärt Dennis Recknagel von den Versorgungsbetrieben Elbe. In ihm wird der Gleichstrom, der durch das Sonnenlicht erzeugt wird, in den haushaltsüblichen Wechselstrom umgewandelt. In Deutschland sind dafür zwei Sicherungen notwendig – eine mechanische und eine Software-Abschaltung schreibt die VDE Norm AR N 4105 vor.

Zum Schutz der Stromnetze und des jeweiligen Haushalts soll ein mechanischer Schalter bei einem Stromausfall oder ganz einfach, wenn der Stecker gezogen wird, binnen 0,2 Sekunden die Verbindung kappen. Bei einigen Wechselrichtern der Firma Deye fehlt jedoch auf der Platine das entsprechende Relais. Anders als große Photovoltaikanlagen auf Dächern oder im Freigelände können die Balkonkraftwerke auch von Laien installiert werden – die sich jedoch bei lokalen Initiativen Hilfe holen sollten.

Denis Recknagel vor der PV-Anlage der Versorgungsbetriebe Elbe: Die 2670 Photovoltaikmodule erzeugen etwa 672.000 kWh Strom pro Jahr.
Denis Recknagel vor der PV-Anlage der Versorgungsbetriebe Elbe: Die 2670 Photovoltaikmodule erzeugen etwa 672.000 kWh Strom pro Jahr. © BGZ / Elke Richel | Elke Richel

Hersteller Dye bietet Kunden kostenlos externe Lösung an

Eine unmittelbare Gefahr geht von den Anlagen nicht aus, denn eine Abschalteinrichtung ist ja vorhanden. Mittlerweile hat der Hersteller jedoch empfohlen, den Stecker zu ziehen und die damit verbundenen Balkonkraftwerke vorerst nicht weiter zu betreiben. Eine Lösung soll demnächst ausgeliefert werden: Jeder Besitzer einer ohne Relais ausgelieferten Anlage könne sich beim technischen Support des Herstellers melden und erhalte dann eine externe Abschaltvorrichtung, die direkt an die Netzsteckdose des Wechselrichters angeschlossen werden kann.

Das Problem: Kaum ein Käufer kann sicher sein, ob innerhalb seines Wechselrichters das vorgeschriebene Relais tatsächlich verbaut ist und ob es auch tatsächlich funktionsfähig ist. Sabine Kaufmann von der Solar-Ini Lauenburg, die ehrenamtlich zum Thema Solarenergie berät und auch den Kauf von Balkonkraftwerken vermittelt hat, will jetzt die ihr bekannten Käufer anschreiben und auf die externe Lösung hinweisen.

Wollte Hersteller Kosten sparen und Garantie-Ansprüche vermeiden?

Im Internet kursieren derweil verschiedene Theorien, warum der chinesische Hersteller auf das Relais verzichtet hat. Die wahrscheinlichste Begründung ist die begrenzte Lebensdauer des billigen Bauteils, denn im Wechselrichter kann es schon mal mehr als 85 Grad heiß werden. Geht das verbaute Relais kaputt, wäre der Hersteller in der Gewährleistungs- oder Garantiepflicht. Also besser weglassen?

Immerhin: Parallel zur Ankündigung einer externen Lösung hat Deye die freiwillige Garantie für die betroffenen Geräte nun von zehn auf 15 Jahre erhöht.

Behörde warnt: Keine Produkte ohne CE-Kennzeichen kaufen

Die Bundesnetzagentur hatte schon Anfang Juni vor mangelhaften Solarwechselrichtern gewarnt, jedoch das chinesische Unternehmen nicht explizit erwähnt. Stattdessen wies die Bundesbehörde darauf hin, dass bei Testkäufen Anlagen ohne CE-Kennzeichen, deutsche Bedienungsanleitung sowie europäische Ansprechpartner erworben wurden.

„Es ist nicht erlaubt, Produkte in Deutschland zu vertreiben und zu nutzen, die über kein CE-Kennzeichen verfügen“, heißt es in der Pressemitteilung der Behörde. Bei Tests seien zudem Wechselrichter aufgefallen, die im Labortest die gesetzlichen Grenzwerte für elektromagnetische Verträglichkeit überschritten hätten. Daher rühren möglicherweise auch die von den Youtubern beschriebenen Ausfälle beim WLAN und den Garagentoren her.

Der im Balkonkraftwerk erzeugte Solarstrom wird im Wechselrichter von Gleich- in Wechselstrom verwandelt und kann direkt in die heimische Steckdose eingespeist werden.
Der im Balkonkraftwerk erzeugte Solarstrom wird im Wechselrichter von Gleich- in Wechselstrom verwandelt und kann direkt in die heimische Steckdose eingespeist werden. © picture alliance/dpa | Frank Rumpenhorst

Nach dem Anschließen folgt die Anmeldung der PV-Anlage

„Manchmal spielt der Preis eben doch eine Rolle“, sagt Recknagel, denn betroffen waren die günstigen Produktlinien des Herstellers. Er rät Kunden, die sich ein solches Balkonkraftwerk kaufen wollen, zuvor Testberichte zu lesen, auf Schnäppchen zu verzichten und sich über Fördermöglichkeiten zu informieren.

Und Recknagel weist darauf hin, dass ein solches Kraftwerk zwar nicht durch einen Fachbetrieb installiert und in Betrieb genommen werden muss, sofern seine Leistung 600 Watt nicht übersteigt, aber angemeldet werden muss: im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur (www.marktstammdatenregister.de/MaStR) und auch beim Netzbetreiber.

„Die Formulare sind anders als bei einer großen PV-Anlage bewusst einfach gehalten“, so Recknagel. Neben der Adresse wird nach Zählernummer, Zählerstand sowie der Leistung des Balkonkraftwerks gefragt. Das Formular der Versorgungsbetriebe kann unter www.versorgungsbetriebe-elbe.net/netz-bzw-hausanschluss-strom.html heruntergeladen werden.

Angaben zu Anzahl und Leistungsdaten für Versorgungsbetriebe wichtig

Vor allem die Leistungsdaten sowie die Anzahl der kleinen Solaranlagen seien für die Versorgungsbetriebe wichtig, so Recknagel. Während er bei der Zahl der großen Anlagen, die von Fachbetrieben installiert und angemeldet werden, sicher ist, dass es 367 Anlagen in der Stadt Lauenburg und dem Amt Lütau gibt, ist dies bei den kleinen Balkonkraftwerken nicht so sicher: Angemeldet sind aktuell 15 Balkonkraftwerke in der Schifferstadt sowie eines in Schnakenbek.

Von den deutschlandweit 230.000 angemeldeten Balkonkraftwerken wurde die Hälfe im laufenden Jahr installiert. Zudem gibt es laut Bundesnetzagentur weitere 30.000 Anlagen mit einer Leistung unter einem Kilowatt im Register, von denen nicht klar ist, ob es ebenfalls Balkonkraftwerke sind. Youtuber Holger Laudeley, der „Erfinder“ des Begriffs Balkonkraftwerk, geht von der zehnfachen Menge derartiger Anlagen aus.

Balkonkraftwerke sind vor allem im Norden sehr beliebt

Besonders beliebt sind die Balkonkraftwerke übrigens im Norden: Mit fünf registrierten Anlagen auf 1000 Einwohner ist Mecklenburg-Vorpommern Spitzenreiter gefolgt von Schleswig-Holstein (4,2) und Niedersachsen (3,8). Schlusslicht unter den Flächenländern ist das Saarland (2,1). Ebenfalls unter dem Bundesdurchschnitt von 2,7 liegen die Stadtstaaten Bremen (1,5), Hamburg (1,1) und Berlin (1).

Die Bundesregierung will auch dort die Installation weiter erleichtern: Mieter und Wohnungseigentümer, die bisher bei Vermieter oder Eigentümerversammlung die Installation beantragen müssen, sollen künftig einen Rechtsanspruch darauf erhalten. Zudem soll die Leistung von 600 auf 800 Watt steigen. Die Pflicht zur Anmeldung wird zwar nicht fallen, wohl aber die Doppelmeldung bei Bundesnetzagentur und Netzbetreiber.