Lauenburg/Schwarzenbek. Nachfrage nach Technik für erneuerbare Energie ist groß und für viele alternativlos. Experten gucken auch mit Sorge in die Zukunft.
Firmen, die sich auf die Installation von Photovoltaikanlagen spezialisiert haben, können sich derzeit vor Kundenanfragen kaum retten. Den benötigten Strom auf dem eigenen Dach zu produzieren liegt angesichts steigender Energiepreise im Trend. Aber das ist nicht der einzige Grund, wie Experten melden.
Die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren und der Förderung leisten ihren Teil. Diese Änderungen bieten jedoch keine Erklärung, warum bundesweit wie auch in der Region die Entwicklung weit auseinanderklafft.
Solar-Boom ist von vielen Faktoren abhängig
Einen Spitzenplatz im Kreis Herzogtum Lauenburg nimmt weiterhin Lauenburg ein. Mit 151 Anlagen Ende 2022 liegt die Schifferstadt zwar um rund ein Drittel gegenüber Geesthacht mit 231 PV-Anlagen zurück. Allerdings hat Geesthacht fast dreimal mehr Einwohner als Lauenburg.
2022 hat Geesthacht die kleine Nachbarstadt erstmal überholt, was den jährlichen Anlagen-Zuwachs anbelangt. Mit 36,7 gegenüber 32,5 Prozent wurde die Schifferstadt überflügelt. Bis dahin hatte Lauenburg die Nase im Vergleich immer vorn. Beide liegen 2022 jedoch klar vor der Millionenmetropole Hamburg mit nur 22,1 Prozent Zuwachs gegenüber dem Vorjahr.
Schwarzenbek und Hamburg verlieren den Anschluss
Im Vergleich der Städte im Südkreis Herzogtum Lauenburg hinkt Schwarzenbek 2022 den beiden Nachbarn deutlich hinterher. Mit nur 16 Prozent Zuwachs gegenüber 2021 liegt es unter dem bundesweiten Durchschnitt. Mit der Gesamtzahl von 251 installierter Anlagen rangiert es jedoch vor Geesthacht mit seinen fast doppelt so vielen Einwohnern. Kein Widerspruch: Viele Schwarzenbeker Anlagen sind bereits älteren Datums.
„Aktuell sind vor allem die hohen Energiepreise und das Streben nach mehr Autarkie die wichtigsten Treiber hinter dem starken Wachstum der Solarenergie in Deutschland“, sagt Tim Rosengart. Der Solarexperte ist Geschäftsführer des Vergleichsportals Selfmade Energy, das die offiziellen Zahlen der Bundesnetzagentur regelmäßig auswertet. „Bei den Anfragen über unser Vergleichsportal sehen wir, dass die Entscheidung für eine Solaranlage mittlerweile für viele Hausbesitzer alternativlos ist – und immer häufiger direkt in Kombination mit Wärmepumpe und E-Auto getroffen wird.“
Strom vom Dach für Wärmepumpe und E-Auto
Wie Bundeswirtschaftsministerium und Bundesnetzagentur geht auch Rosengart von einem weiteren deutlichen Zuwachs von Photovoltaikanlagen in Deutschland aus. „Mit der seit Januar greifenden Mehrwertsteuerbefreiung von Kauf- und Mietanlagen gewinnt die Anschaffung für viele Hausbesitzer zusätzlich an Attraktivität.“
Als einen Motor sehen den Mehrwertsteuerverzicht auch Björn Reuter, Elektromeister in Geesthacht, und Daniel Schilloks. Die Firma Schilloks Solartechnik hat ihren Sitz in Lauenburg, installiert im Jahr etwa 120 Anlagen.
Wegfall der Mehrwertsteuer befeuert die Nachfrage
„Es ist nicht der Mehrwertsteuerverzicht allein, der Wirkung entfaltet“, sagt Schilloks. „2022 wurden viele Erleichterungen beschlossen, die wir uns alle gewünscht haben.“ Es sei vieles vereinfacht worden. „Die Bürokratie wurde für Anlagen bis zu einer Leistung von 30 Kilowatt weitgehend zurückgedrängt.“ Anlagen auf Wohnhausdächern werden anders behandelt als Großanlagen, wie sie etwa auf Werkshallen oder großen Scheunen installiert werden.
Anders als Schwarzenbek und Lauenburg unterstützt Geesthacht die Installation von Solarpaneelen aus dem städtischen Haushalt. Wer den Onlineauftritt der Stadt Schwarzenbek anwählt, kann dort wiederum eine Übersicht über die verschiedenen Fördermöglichen des Bundes, der KfW und des Landes finden.
Geesthacht fördert Solarstrom weiter aus der Stadtkasse
„Geesthacht hat eine neue Förderrichtlinie aufgelegt“, bestätigt Björn Reuter; der Elektromeister engagiert sich für die CDU in der Ratsversammlung. Doch es seien nicht die hohen Energiepreise allein und die verschiedenen Fördermöglichkeiten, die die Situation befördern.
Ebenso wichtig sei Rechtssicherheit, ist der Elektromeister mit eigenem Betrieb überzeugt. „Nach dem Kahlschlag 2011 ist der Solar-Markt in Deutschland eingebrochen mit der Folge, dass in Deutschland viele Hersteller und Firmen pleite gegangen sind.“
Sonnenenergie vom Dach rechnet sich nach 13 Jahren
Seinerzeit sei die Zahl der Jahre, bis sich eine Investition in Photovoltaik amortisierte, auf mehr als 20 Jahre emporgeschnellt, das habe sich nicht gerechnet. Aktuell könne die Amortisierung nach zwölf bis 13 Jahren erreicht werden, so Reuter, „also deutlich bevor die Solarpaneele das Ende ihrer Lebensdauer erreichen“.
Diese positive Tendenz werde auch durch den technischen Fortschritt vorangetrieben. Reuter: „Die Leistung moderner Anlagen hat sich fast verdoppelt.“
Steigende Zinsen und Kosten bremsen Baukonjunktur
Außer von den Rahmenbedingungen und dem Engagement vieler hängt der Erfolg jedoch auch von einer Entwicklung ab, die aktuell Anlass zur Sorge gibt: Steigende Zinsen und Baukosten bremsen die Baukonjunktur, insbesondere den Neubau.
Für die örtliche Entwicklung mitentscheidend sei, wo neue Baugebiete geplant werden, bestätigen Schilloks und Reuter. „Der Trend ist, große PV-Anlagen gleich mitzuplanen“, weiß Schilloks. „Mit dem eigenen Strom können dann Wärmepumpen für die Heizung und Warmwasserversorgung der Häuser kostengünstig betrieben werden.“
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Stadt Lauenburg investiert in Ausbau von Solarstrom
Den Zusammenhang zwischen neuen Wohngebieten und Photovoltaik bestätigt auch Christian Asboe, Leiter der Stadtentwicklung im Lauenburger Rathaus. „In Neubaugebieten sind PV-Anlagen weitaus häufiger Thema als für Bestandsgebäude.“ Lauenburg und das Amt Lütau wollen allerdings dieses Jahr auch selbst tätig werden: „Wir nutzen Fördermittel, um mit ihnen 2023 auf drei Schulen Anlagen zu installieren.“
Eine wichtige Änderung zeichne sich für Neubaugebiete ab, so Asboe: „Bislang gab es in Lauenburg keine Vorgabe zu regenerativer Stromerzeugung.“ Für weitere neue Wohngebiete seien derartige Regelungen jetzt aber in Vorbereitung.
Wie sich Balkonkraftwerke rechnen
Die Firma Schilloks Solartechnik ist vor allem mit leistungsfähigen PV-Anlagen auf Hausdächern, Lagerhallen und Scheunen erfolgreich. Dennoch unterstützt Daniel Schilloks zugleich auch die Solarinitiative Lauenburg, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen zu unterstützen, die auf Balkonkraftwerke setzen. Mit ein bis zwei kleineren PV-Modulen, dem notwendigen Wechselrichter und überschaubarer Technik sind diese im Set bereits für deutlich unter 1000 Euro zu haben.
Im Gegensatz zu leistungsfähigen Anlagen auf Haus- oder Hallendächern, die überschüssigen Strom auch in öffentliche Netze einspeisen oder Batterien für den eigenen Verbrauch laden, sind die Kleinstanlagen für den eigenen, sofortigen Gebrauch konzipiert. Künftig sollen sie bis zu 800 Watt leisten dürfen. Das kann schon bei diffusem Licht reichen, um im Haushalt Standardverbraucher wie Kühlschrank, TV und Computer kostenfrei mit Strom zu versorgen.
Genug Strom für Kühlschrank, Computer und Co.
Bislang ist die Installation kleiner Balkon-Kraftwerke in Deutschland allerdings mit Vorschriften verbunden, die die Preise nach oben treiben. Anders als in manchen Nachbarländern gilt die Forderung, den Anschluss an das Hausstromnetz nicht über einen üblichen Schutzkontakt-Stecker sondern über einen speziellen Wieland-Stecker auszuführen.
Weiterhin sollen ältere, analoge Stromzähler gegen modernere ausgetauscht werden. Damit soll verhindert werden, dass Zähler rückwärts laufen, wenn auf dem Weg Balkon-Strom ins öffentliche Netz fließt. Bei einer maximalen Ausbeute von 600 bis 800 Watt ist die Einspeisung über das Hausnetz bei dort angeschlossenen Verbrauchern allerdings so gering, dass Kritiker von Beginn an gewarnt haben, Kosten und Nutzen nicht aus dem Auge zu verlieren.
Bundesnetzagentur möchte Anschluss vereinfachen
Diesen Argumenten folgt inzwischen auch die Bundesnetzagentur. Sie macht sich dafür stark, unter Umständen für Balkonkraftwerke auf Wieland-Stecker zu verzichten. Der VDE (Verband der Elektrotechniker) hat zunächst dagegengehalten.
„Ein Schukostecker ist nicht verpolungssicher“, erklärt Elektromeister Björn Reuter den Sicherheitsaspekt der Forderung. Solle auf den Wieland-Anschluss verzichtet werden, müsse sichergestellt sein, dass das Hausnetz über Fehlerstrom-/Personenschutzschalter, kurz FI-Schalter, abgesichert ist. „In die Diskussion kommt Bewegung, seitdem es auch aus dem VDE heißt, bis 800 Watt reiche unter Umständen ein Schukostecker.“