Lauenburg. Baubeginn für Schutzwände an der Elbe im Osten der Stadt steht kurz bevor. Bis zur großen Lösung kann es noch sehr viele Jahre dauern.

Etwa vier Kilometer sind es vom Gewerbegebiet Aue- und Söllerwiesen im Osten Lauenburgs bis zum Vereinshaus der Rudergesellschaft (RGL) am Kuhgrund im Westen. Bis zu einem Wasserstand von elf Metern müssen die Schutzwände reichen, um einem erneuten Hochwasser standzuhalten. Im Osten der Stadt war jetzt Spatenstich für eine weitere Schutzmaßnahme: Auf 750 Meter werden Spundwände gebaut.

Zwei Jahre haben die Vorbereitungen für die Baumaßnahme gedauert, denn die musste eng mit der Bahn abgestimmt werden: Rund 300 Meter wird die neue Spundwand entlang der Bahnlinie Lüneburg–Lübeck in den Boden gepresst. Weil aber nur auf der gegenüberliegenden Seite ein Weg vorhanden ist, müssen Material und Ramme per Kran über die Gleise gehievt werden. Tagsüber ist dies nicht möglich, deshalb wird nur nachts gearbeitet – von 21 bis 5 Uhr.

Zehn Jahre Elbehochwasser: Erster Spatenstich für elf Meter hohe Spundwände

Zum ersten Spatenstich war Johannes Oelerich, Abteilungsleiter für Wasserwirtschaft, Boden- und Küstenschutz im Kieler Umweltministerium, nach Lauenburg gekommen. „2013 war ein besonderes Hochwasser“, so Oelerich. Prognostiziert waren Wasserstände von bis zu 10,20 Meter, die nur deshalb nicht eintraten, weil Polder im Oberlauf geflutet wurden und zwei Deiche brachen.

„Die Flutung eines Polders vermindert das Hochwasser etwa um 40 Zentimeter“, so Oelerich. Das damalige Hochwasser habe die Bemessungsgrundlagen verändert – ein Jahrhunderthochwasser wird nun mit elf Meter Höhe berechnet statt wie bisher mit zehn.

Der Planbereich D umfasst 750 Meter von der Palmschleuse im Osten bis zur Schleuse im Westen: Bis August 2024 sollen hier in fünf Bauabschnitten Spundwände entstehen, die einem elf Meter hohen Hochwasser standhalten werden.
Der Planbereich D umfasst 750 Meter von der Palmschleuse im Osten bis zur Schleuse im Westen: Bis August 2024 sollen hier in fünf Bauabschnitten Spundwände entstehen, die einem elf Meter hohen Hochwasser standhalten werden. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Spundwände werden vibrationsfrei in den Boden gepresst

So hoch werden auch die neuen Spundwände in Lauenburg sein – wobei die Grundlage der Nullpunkt ist. Weil der Bahndamm schon knapp zehn Meter hoch liegt, werden die Spundwände nur etwa einen Meter aus dem Boden ragen. Die Module sind fünf Meter hoch und 70 Zentimeter bis 1,20 Meter breit. Mit einer Presse, die auf der jeweils letzten Spundwand aufsitzt, wird dann die nächste Spundbohle bis zu vier Meter tief in den Boden gepresst.

Das ist eine Spezialität der Firma Hermann Koth Ingenieurbau, die von der bauausführenden Firma SBI aus Dannenberg als Subunternehmer eingesetzt wird. Bis zu zehn Meter können so pro Nacht geschafft werden, vorausgesetzt, im Untergrund lauern keine Fallen – Findlinge oder alte Fundamente. Rammen oder Vibrieren als Methoden scheiden wegen der nahen Bahnstrecke aus, weil sonst Schotterbett, Schwellen und Schienen Schaden nehmen könnten.

Bis August 2024 soll der Abschnitt fertig sein

Weil Planer Harald Peter Hartmann vom Ingenieurbüro Böger und Jäckle genau dies im Bereich der Schleuse befürchtet, wird dort auf das Pressen verzichtet und ganz klassisch per Bagger ausgeschachtet, um dort Winkelstützwände aus Beton zu setzen. Aktuell laufen die Bauvorbereitungen, die eigentlichen Arbeiten werden am Montag, 26. Juni, um 21 Uhr mit dem Pressen der Spundwände am Bahndamm beginnen.

Danach geht es im Juli weiter Richtung Osten zum alten E-Werk. Auch hier werden die Spundwände gepresst. Ab August werden dann die Winkelstützwände entlang des Schleusenbereichs gesetzt, zudem die Hochwasserschutztore im Eingangsbereich der Schleuse um 60 Zentimeter erhöht. Bauabschnitt 1 folgt dann erst im Mai 2024: Zwischen dem Alten E-Werk und dem Restaurant Shun Lam werden die Schutzanlagen mit einem Hochwasserschutztor und mobilen Spundwänden komplettiert. Bis August 2024 soll der Planabschnitt D fertig sein.

Mit Toren soll der Einlauf in die Stecknitz zwischen dem alten E-Werk und der Palmschleuse gesichert werden.
Mit Toren soll der Einlauf in die Stecknitz zwischen dem alten E-Werk und der Palmschleuse gesichert werden. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Erste Hochwasserschutzmaßnahmen begannen 2007

Vor acht Jahren war das Restaurant neben der denkmalgeschützten Palmschleuse mit einer derartigen mobilen Spundwand gesichert worden: Auf eine Betonmauer können bei Bedarf Stützen geschraubt werden, in deren Führung metallene Dammbalken gesteckt werden. Eine halbe Million Euro hatte die Anlage damals gekostet, zudem wurden vier Schöpfwerke, die die Delvenau-Stecknitzniederung entwässern, erneuert.

Erste Hochwasserschutzarbeiten hatten bereits 2007 begonnen – auch damals hatte Diplomingenieur Hartmann für die Pläne gesorgt. „Es sollte damals alles ganz schnell gehen, deshalb haben wir erst die Ausschreibung gemacht und erst danach die Planung“, erinnert er sich. Dies sei heute natürlich nicht mehr möglich – deshalb auch die lange Planungszeit für den jetzt in Angriff genommenen Bauabschnitt. Neben der Bahn AG musste auch die Denkmalschutzbehörde des Kreises ihre Zustimmung zum Bauwerk geben, das in den Bestand des alten E-Werks eingreift. „Es war sogar mal eine Null-Variante im Spiel – also kein Hochwasserschutz“, so Hartmann.

Kompliziert waren auch die Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG. Sie seien einmal nach Hannover gefahren, hätten dort mit DB-Verantwortlichen zwei Stunden gesprochen. „Am Ende hat man uns gesagt, dass man gar nicht zuständig sei“, erinnert sich Hartmann. Immerhin sei man mit der Adresse des richtigen Ansprechpartners zurückgekehrt, und seither laufe es auch problemlos. Allerdings müssen Bauarbeiten im Bereich der Bahn immer mindestens zwei Jahre im Voraus angemeldet werden, damit sich die Bahn in ihrem Fahrplan darauf einstellen kann. Bis die gesamte Altstadt vor einem künftigen Hochwasser geschützt ist, werden hingegen noch einmal zehn Jahre vergehen.

Problem Altstadt: Neue Bewohner haben Hochwasser nicht erlebt

„Zu lange“, sagt Jörg Sönksen von der Betroffenengemeinschaft. Zwar helfe ihnen Christian Asboe, zuständiger Amtsleiter im Lauenburger Rathaus, die Abläufe zu verstehen, doch dauere es einfach zu lange, wie Sönksen auf einen weiteren Aspekt hinweist: „In die Häuser der Altstadt sind viele neue Bewohner eingezogen, die das Hochwasser nicht erlebt haben.“

Denen zu vermitteln, dass sie Teile ihres Grundstücks abgeben sollen, werde schwer. Dass es viel Zeit brauchen wird, um sich mit den Grundstückeigentümern zu einigen, weiß auch Asboe. Es handele sich dabei aber um eine technisch komplizierte Situation, wie es sie ansonsten an der Elbe nur noch in Dresden-Laubegast mit direkt am Fluss stehenden Häusern gebe.

Schleswig-Hostein beteiligt sich an Staatsvertrag – mit 16 Jahren Verspätung

Für Oelerich ist klar, dass Hochwasserschutz nicht nur in Lauenburg geschehen muss: „Alles, was oberhalb von Lauenburg geschieht, ist für Schleswig-Holstein von hohen Interesse“, kündigte der Abteilungsleiter für 2024 den Abschluss eines Staatsvertrages mit Brandenburg an. Schleswig-Holstein werde sich nicht nur finanziell an der Bereitstellung von Polderflächen entlang der Havel beteiligen, sondern auch im Schadensfall einspringen. Einen solchen Staatsvertrag hatten die Länder Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und die Bundesrepublik Deutschland bereits im Jahr 2008 unterzeichnet – fünf Jahre vor der Beinahe-Katastrophe in Lauenburg.