Lauenburg/Hohnstorf. Auf allen sechs möglichen Korridoren kommen seltene Arten vor. Wo eine neue Brücke am ehesten möglich wäre.

Haselmaus, Biber, Braunkelchen und jede Menge Fledermäuse – das es so viele seltene Tierarten, die auf der Roten Liste stehen, rund um Lauenburg gibt, war selbst für die Bürgermeister neu. Im Rahmen des Neubaus der Elbbrücke wurde ihr Lebensraum erkundet. Die Frage ist nun, wo die neue Elbquerung gebaut werden könnte?

Fast 130 Bürger waren zur zweiten Informationsveranstaltung der Landesbetriebe für Straßenbau und Verkehr (LBV) aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen ins Hohnstorfer Sportzentrum gekommen, weitere 160 waren im Livestream dabei. Nicht viele, wenn man die Wichtigkeit der Lauenburger Elbbrücke für die Region bedenkt: Zwischen Hamburg und Dömitz gibt es auf rund 100 Kilometer Länge nur die beiden Elbquerungen in Geesthacht und Lauenburg. Doch die Erfahrungen der ersten Bürgerinformation im November 2021 in Lauenburg zeigen: Die Aufzeichnung der Veranstaltung wurde auf dem Youtube-Kanal des LBV mehrere Tausend Mal aufgerufen.

Die Bürgerinformation des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr zum Neubau der Elbbrücke wurde per Livestream aus dem Hohnstorfer Sportzentrum übertragen.
Die Bürgerinformation des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr zum Neubau der Elbbrücke wurde per Livestream aus dem Hohnstorfer Sportzentrum übertragen. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Sechs Korridore mit jeweils drei Querungsvarianten

Nach der Präsentation im Saal des Sportzentrums sind zwei von sechs Varianten am wahrscheinlichsten: Ein mittels Tunnelbohrmaschine erstellter Tunnel westlich der Schifferstadt, der in der Feldmark bei Schnakenbek auf die ebenfalls geplante Lauenburger Nordumgehung treffen würde oder eine zweite Brücke östlich der bisherigen. Sie würden Schutzgebiete und schützenswerte Tiere und Pflanzen am wenigsten beeinträchtigen.

Doch Britta Lüth, im LBV Schleswig-Holstein für Neubauten zuständig, und die Fachplaner vermieden es, sich schon jetzt auf eine Variante festzulegen. Früher, so Lüth, hätte man nur die „gebotenen“ Varianten untersucht. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) müssen aber im Vorfeld einer Planung alle möglichen Varianten mit allen Querungsmöglichkeiten von der Brücke über den Absenktunnel bis zum Bohrtunnel untersucht werden. Peter Hermanns von der Planungsgruppe Umwelt aus Hannover machte schon mal klar: „Einen konfliktfreien Korridor wird es nicht geben.“ Für den Neubau einer Elbquerung bedeutet dies jedoch, dass die Festlegung eines Trassenverlaufs höchst problematisch ist. Sechs sogenannten Korridore – mit 4000 Hektar so groß wie etwa 600 Fußballfelder – vom Westen bis in den Osten der Stadt wurden untersucht.

Moderator Thomas Weidner (r.) mit den Planern Peter Hermanns (TGP, Mitte) und Holger Runge (Umweltgruppe Hannover), die vor 130 Bürgern die Ergebnisse ihrer Untersuchungen vorstellten.
Moderator Thomas Weidner (r.) mit den Planern Peter Hermanns (TGP, Mitte) und Holger Runge (Umweltgruppe Hannover), die vor 130 Bürgern die Ergebnisse ihrer Untersuchungen vorstellten. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Seit November 2020 ist klar: Es wird in Lauenburg eine neue Elbbrücke geben. Bund, die beiden Länder und die Deutsche Bahn als Eigentümer des Bauwerks hatten sich zuvor darauf verständigt, dass die alte Brücke langfristig nur noch für den Schienenverkehr genutzt wird. Das 1951 eingeweihte Bauwerk hat mittlerweile die schlechteste Zustandsnote, die in Deutschland für Brücken vergeben wird. In diesem Sommer wird die Brücke deshalb drei Monate für den Autoverkehr gesperrt, um dringende Instandsetzungsarbeiten durchzuführen.

Bei der Bürgerinformation ging es jedoch nur am Rande um die alte Brücke: Im Mittelpunkt standen die Ergebnisse der biologischen Untersuchungen. Ein Jahr lang haben Planungsbüros Fauna und Flora beiderseits der Elbe untersucht – und der Natur ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt. Es gibt Biber und Haselmaus, dazu brüten im Wald und auf den Wiesen viele seltene Vögel und nachts sind 13 Fledermausarten unterwegs – allesamt schützenswerte Arten.

Schutzwürdige Tiere und Pflanzen entlang des Elbufers

„Artenschutz fängt vor Ort an und nicht irgendwo im Urwald“, forderte Brika Üffink (Grüne) aus Lauenburg die Schutzgebiete nicht dem Straßenbau zu opfern. Warum es überhaupt zwei Brückenbauwerke geben müsse, wollte Hohnstorfs ehemaliger Bürgermeister Jens Kaidas wissen. Das sei heute Stand der Technik, erläuterte Lüth: „Auch bei mehrspurigen Straßen werden nicht mehr eine, sondern mehrere Brückenbauwerke nebeneinander errichtet.“

Der Vorteil: Ist eine Brückenkonstruktion marode, muss nicht die gesamte Straße gesperrt werden. Die Forderung zahlreicher Bürger aus beiden Gemeinden, dann doch eine zweite Brücke neben die bestehende zu bauen, wies Lüth zurück: Neben Naturschutzflächen wären dann auch Menschen betroffen, Häuser und Gewerbebetriebe müssten möglicherweise umgesiedelt werden. „Das verpflichtet uns dazu, alle möglichen Varianten zu betrachten“, so die LBV-Bereichsleiterin.

Von Juli bis September 2023 wird die Straßenverbindung über die Lauenburger Elbbrücke voll gesperrt.
Von Juli bis September 2023 wird die Straßenverbindung über die Lauenburger Elbbrücke voll gesperrt. © Elke Richel | Elke Richel

Dreimonatige Sperrung von Juli bis September

Am Rande ging Lüth auch auf die bevorstehende dreimonatige Sperrung der alten Elbbrücke ein. Von Juli bis September sollen Querfugen und Regenwasserabläufe auf dem Fahrbahnteil des Bauwerks saniert werden. Den Ärger der Bewohner darüber könne sie nachvollziehen, so die Ingenieurin. Allerdings sei die Vollsperrung unvermeidlich, das sieht eine seit Ende 2018 geltende Arbeitsschutzregel vor: Bei Sanierungen von Straßen muss neben dem eigentlichen Arbeitsplatz auch ein ausreichender Sicherheitsabstand zum Verkehr gegeben sein.

Auf der Elbbrücke mit ihrer geringen Fahrbahnbreite sei deshalb ein einspuriger Führung während der Bauarbeiten nicht möglich. Zudem würden nicht nur die Abläufe saniert, sondern auch die Wasserrohre darunter sowie die Brückenkonstruktion. Immerhin bleibe die Brücke für Züge, Fußgänger und Radfahrer geöffnet, zudem sei die Elbbrücke in Geesthacht nun wieder freigegeben, so Lüth.

Endgültige Planung könnte Ende 2024 vorliegen

Wie schlecht der Zustand der Brücke wirklich ist, soll eine weitere Prüfung der Deutschen Bahn AG in Zusammenarbeit mit dem LBV ergeben: Geplant ist, Züge und Lastkraftwagen mit definierter Länge und Gewicht über die Brücke zu schicken und die Auswirkungen zu messen. Derzeit gilt auf der 70 Jahre alten Brücke Tempo 30. Zudem werden Autos per Ampel gestoppt, wenn ein Zug die Brücke befährt. Für den 28. Juni hat Lüth die nächste Bürgerinformation angekündigt in Lauenburg. Dann sollen erste mögliche Linien für die unterschiedlichen Bauwerkstypen in den jeweiligen Korridoren vorgestellt werden. Ende 2024, so Lüth, könnte dann eine Vorzugsvariante samt Bauwerksart fertig sein.