Geesthacht. Schöner Wohnen contra Berufsschifffahrt? Was hinter dem Liegeplatzverbot für die Taucherflotte im Geesthachter Hafen steckt.
Geesthachts Hafenrand putzt sich heraus. An der Promenade kann vom Elbblick bis zur Hafenbrücke flaniert werden, die Wohnbebauung Richtung Westen schreitet voran. In den allermeisten Fällen sind es Eigentumswohnungen, die in bester Lage ans Wasser gesetzt werden. Nun braut sich Ärger zusammen. Wird es im Hafen zu schön für Berufsschiffe? Das jedenfalls vermutet Rainer Sieberns, Geschäftsführer von Sieberns und Stepanowicz. Seit Herbst 2016 liegen seine Tauchschiffe zwischen den Arbeitseinsätzen am Anleger vor der Hafencity. „Leider stellen wir nicht nur im Hafen Geesthacht die Tendenz fest, zugunsten von hochwertiger neuer Wohnbebauung oder gastronomischer Ansiedlungen das Gewerbe aus Hafengebieten zu verdrängen“, sagt er.
Die Schiffe liegen teils auf Höhe des Pier 3, teils im alten Werfthafen. Nun soll Schluss sein. „Bei Anmeldung unserer Schiffe für die Jahresliegegebühren Mitte Januar 2023 erhielten wir die Aufforderung, bis zum 1. Mai die Fahrzeuge zu entfernen. Aufgrund dieser sehr kurzfristigen Zeitspanne hatten wir der Stadtverwaltung vorgeschlagen, alle Geräte in den alten Werfthafen zu verlegen, dort würden sie weder Gäste des Pier 3 stören noch sonstige Anwohner, auch das wurde uns verwehrt“, berichtet Geschäftsführer Rainer Sieberns. Gründe seien nicht mitgeteilt worden. Der Kommunalhafen befindet sich im Eigentum der Stadt Geesthacht. Rainer Sieberns betont: „Unsere Schiffe verursachen zu keiner Zeit außerhalb normaler Arbeitszeiten Emissionen in Form von Lärm oder Staub, es laufen weder Maschinen oder Generatoren während der Nacht oder an den Wochenenden. Wir haben nie gehört, dass sich jemand belästigt gefühlt hat.“
„Die Schiffe waren zuerst da, es ist doch ein Hafen“
Sind es also Ausblicke wie der auf einen Schwimmponton mit einem Bagger darauf, den Bewohner in der Hafencity als störend empfinden? Ein Anwohner der ersten Stunde, der namentlich nicht genannt werden möchte, hält das nicht für abwegig: „Das kann ich mir schon vorstellen. Ich meine aber, die Schiffe waren zuerst da. Sie gehören doch dazu, es ist ein Hafen“, äußert er Unverständnis. In diese Kerbe schlägt auch Hans-Werner Madaus (SPD). Er hatte das Thema in Form eine Anfrage an die Stadtverwaltung in die Öffentlichkeit gebracht. „Wir sollten nicht vergessen, dass es immer noch ein Hafen ist. Die Leute, die da hingezogen sind, wussten das“, sagt Madaus und hält es für sinnvoll, mit Verwaltung und Politik eine Beratung über die Zukunft des Hafens zu führen. „Es gibt keine klare Linie, wie sollen Unternehmer da planen?“, meint er.
Wären alle der Bewohner so wie Ingrid Schrock, gäbe es keine Probleme. Sie wohnt mit Ehemann Gunther, dem ehemaligen Escheburger Bürgermeister, in der Hafencity im Obergeschoss zum Wasser hin und freut sich über die Arbeitsschiffe. „Die sorgen doch für Leben. Mich stören die nicht. Neulich haben sie Pfähle rausgenommen, das war richtig spannend“, sagt die Seniorin. Sie hat aus ihrer Nachbarschaft bisher keine Klagen vernommen.
Die Suche nach neuen Liegeplätzen ist schwierig
Bürgermeister Olaf Schulze auch nicht, beteuert er. Der Grund für die verweigerte Verlängerung sei: „Wir wollen diesen Bereich frei halten von Dauerliegern.“ Unter anderem deswegen, weil man den Anglern als Pächtern des Hafenrandes nicht noch mehr Gewässerraum wegnehmen wolle. Zudem gebe es weitere Mieter entlang der Wasserkante, deren Sicht durch bis zu sechs Schwimmpontons häufig eingeschränkt sei, antwortet die Stadtverwaltung auf die Anfrage von Hans-Werner Madaus. „Es war auch nicht so gedacht, dass die Schiffe über einen so langen Zeitraum dort liegen“, erklärt Heiner Roßmann vom Fachbereich Finanzen und Immobilien. Man habe dem Unternehmen immer wieder zu verstehen gegeben, „seht euch mal nach anderen Sachen um“. In diesem Jahr erfolgte dann der Schlussstrich.
Die Suche nach neuen Liegeplätzen ist schwierig. Das Unternehmen mit Sitz in Wilhelmshaven führt mit den Schiffen vielfältige Wasserbauarbeiten am Wehr und im Elbebereich zwischen Hamburg und Lauenburg sowie am Elbe-Seitenkanal durch. „Neue Liegeplätze sind weit und breit nicht zu bekommen, zumal wir weiterhin im Auftrag des WSA Lauenburg und anderer Behörden am Wehr arbeiten und sonst lange Anfahrtswege mit entsprechend hohen Kosten hätten“, sagt Rainer Sieberns. Der Hafen Oortkaten etwa sei für Berufsschifffahrt gesperrt, die Hitzler Werft in Lauenburg benötige ihre Liegeplätze für Reparaturschiffe, überdies würden immer mehr ehemalige Gewerbehäfen als Freizeithäfen genutzt. Immerhin: Das WSA Lauenburg biete an, eventuell im Sommer mit einem Teil der Schiffe an der Eisbrechermole am Wehr zu liegen.
Kleine Wassersportvereine müssen Stegsicherheit nachweisen
Auch auf der östlichen Seite der Hafenbrücke gibt es Verärgerung. Dort haben kleine Wassersportvereine ihre Liegeplätze mit eigenen Steganlagen. Aus ihren Kreisen wurde Werner Flindt (SPD) ein Schreiben der Stadt Geesthacht vom Februar ausgehändigt, wonach alle einen sicherheitstechnischen Nachweis von einem zertifizierten Ingenieurbüro über ihre Anlagen erstellen lassen müssen. Das vor dem Hintergrund, dass es behördlich akzeptierte Nachweise bereits gebe, so Werner Flindt in seiner Anfrage an die Verwaltung. Er möchte unter anderem wissen, warum nun deren Wiederholung nötig sei und ob die Stadt die Kosten übernehme. Denn die Nachweise seien kostspielig – möglicherweise zu kostspielig. Den Vereinen drohe die Auflösung.
Die offizielle Antwort steht noch aus, Heiner Roßmann teilt unserer Readktion vorab aber die Hintergründe der Vorgehens mit. Demnach trieb im Herbst ein Teil einer Steganlage losgerissen im Hafenbecken. „Das war der Anlass für die Frage: Sind die eigentlich betriebssicher?“, erklärt Heiner Roßmann. Wenn etwas passiere, würde man die Stadt verantwortlich machen. „Und wenn man sich die Stege genau anguckt: Sie sind ein bisschen in die Jahre gekommen.“