Lauenburg. Drei Lauenburgerinnen unterhalten eine Begegnungsstätte für Migranten. Dass sie damit Geld verdienen, hatten sie nicht geplant.

„SML individuell“ – die Anfangsbuchstaben der Vornamen von Sylwia Sobotko, Marzena „Jenna“ Podolski und Leyla Novruzova geben dem Projekt ihren Namen. „Man kann auch sagen, unsere Vornamen stehen für unsere Hilfsangebote: für S wie small für Kinder, M für hilfesuchende Erwachsene und L wie large für Senioren“, sagt Sylwia Sobotko. Mit Beginn des Ukraine-Krieges haben die drei Lauenburgerinnen ein Hilfsprojekt gestartet, das jetzt vom Diakonischen Werk des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg fortgesetzt wird – mit den drei Gründerinnen.

Auf Vermittlung von Lauenburgs Bürgermeister Andreas Thiede konnten die drei Frauen zunächst die Räume des ehemaligen Aldi-Marktes an der Alten Wache nutzen, sind jetzt in neue Räume umgezogen: Am Freitag, 25. März, feiert das Team um 11 Uhr in einer zur Begegnungsstätte umgebauten Wohnung in der Berliner Straße 5 die Einweihung. Doch schon jetzt wird die neue Adresse von vielen Flüchtlingen aufgesucht: In der Küche gibt es einen kurzen Plausch, dann geht es in die hinteren Räume. Hier gibt es Sitzgelegenheiten, jede Menge Spielzeug für Kinder – und natürlich auch einen heißen Kaffee.

Plötzlich Flüchtlingshelferinnen – im Hauptberuf

Das „SML individuell“ ist für viele Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund mittlerweile eine feste Anlaufstelle in ihrem Alltag. Kinderbetreuung, Unterstützung bei Hausaufgaben, gemeinsame Aktionen und niedrigschwellige Sprachkurse sind für viele eine wichtige Stütze im Alltag und helfen beim Ankommen in Deutschland. Direkt nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine Anfang 2022 hatten zunächst Sobotko und Podolski begonnen, Spenden zu sammeln. Die beiden in Polen geborenen Frauen konnten dank ihrer Sprachkenntnisse sehr schnell 29 Hilfstransporte über Polen in die Ukraine organisieren. Da die Spendenbereitschaft riesig war, machten die Frauen weiter und unterstützen schließlich Geflüchtete vor Ort. Als Dritte im Bunde kam dann die gebürtige Aserbaidschanerin Leyla Novruzova dazu.

Flüchtlingshelferinnen: Ihre Freizeit stand ganz im Zeichen des Ehrenamts

Ihre Freizeit opferten die drei Frauen nahezu komplett für ihr Ehrenamt – trotz Beruf, Familie und eigenen Kindern. „Wir haben uns dann gedacht, dass wir das nicht einfach aufgeben können, und haben weitergemacht“, so Jenna Podolski. Bereits im Sommer 2022 wurde deshalb das Diakonisches Werk Träger des Projekts. Geschäftsführer Ulf Kassebaum lobt: „Die drei Initiatorinnen haben von Anfang eine enorme Fähigkeit gezeigt, schnell und flexibel auf sich ändernde Bedarfe zu reagieren.“

Mit Fördergeld aus dem „Aktionsprogramm Familienunterstützende Maßnahmen für Geflüchtete“ konnten die dreien Frauen eine Festanstellung erhalten. Mit insgesamt 65 Wochenstunden bieten sie an fünf Tagen feste Angebote vor allem für Familien an. Die reichen von der Kindergruppe für Kinder ohne Kitaplatz über tägliche Hausaufgabenbetreuung, niedrigschwellige Deutschkurse bis zu gemeinsamen Aktionen wie Backen und Kochen. Jeden Donnerstag gibt es um 10 Uhr einen internationalen Brunch. In den Bürozeiten leistet das Team auch Hilfe bei Arztbesuchen und Behördengängen, aber auch beim Ausfüllen von Papieren.

Die Gründerinnen Sylwia Sobotko, Jenna Podolski und Leyla Novruzova (v. l.) mit dem Wochenplan des Begegnungszentrums.
Die Gründerinnen Sylwia Sobotko, Jenna Podolski und Leyla Novruzova (v. l.) mit dem Wochenplan des Begegnungszentrums. © Kirchenkreis Lübeck Lauenburg | Kirchenkreis Lübeck Lauenburg

„Diese Arbeit ist sehr gut für uns, weil wir unsere Zeit selbst einteilen können und uns perfekt ergänzen“, sagt Sylwia Sobotko, die in ihrer Heimat Sozialpädagogik studiert hat. In Deutschland hat die mehrfache Mutter zuletzt im Einzelhandel gearbeitet. Marzena Podolski ist ausgebildete Erzieherin und neben ihrem Hauptberuf in einer Geesthachter Kita auch in der Begegnungsstätte aktiv, Novruzova hat als Altenpflegerin gearbeitet. Doch nicht nur mit ihren Berufen decken sie das Angebotsspektrum des SML ab, sondern auch mit ihren Erfahrungen als Einwanderinnen. Sobotko umschreibt es so: „Wir sind arbeitende Muttis, die alle ihre Erfahrungen im Laufe der Jahre gemacht haben, und dazu bilden wir uns laufend fort.“ Und wenn sie nicht weiter wissen, können sie auf ein Netzwerk von Experten zurückgreifen.

Sylwia Sobotko und  Jena Podolski (2. und 3. von rechts) mit Helfern und ukrainischen Flüchtlingen in der Lauenburger Begegnungsstätte an der Alten Wache: Im ehemaligen Discounter gab es viel Platz für Spiele und Feste.
Sylwia Sobotko und  Jena Podolski (2. und 3. von rechts) mit Helfern und ukrainischen Flüchtlingen in der Lauenburger Begegnungsstätte an der Alten Wache: Im ehemaligen Discounter gab es viel Platz für Spiele und Feste. © BGZ | Dürkop

Bis zu 50 Menschen besuchen Anlaufstelle täglich

Zurzeit kommen etwa 40 bis 50 Menschen am Tag ins SML in der Berliner Straße 5. Die ehemaligen Räume einer Ballettschule konnten ebenfalls auf Vermittlung der Stadt, die auch die Nebenkosten trägt, bezogen werden. Mit 88 Quadratmeter sind sie im Vergleich zum ehemaligen Aldi-Markt jedoch eher klein: „An der Alten Wache haben wir Feste mit bis zu 200 Kindern gefeiert oder Frauenabende mit 100 Teilnehmerinnen organisiert – das geht jetzt so nicht mehr“, so Sobottka. Das Team sucht auch noch Unterstützung durch Ehrenamtliche, um noch mehr Angebote machen zu können.

Bis Ende 2023 steht die Finanzierung. Wenn es nach Ulf Kassebaum geht, soll das Projekt auch weiter Bestand haben: „Unsere offenen Stadtteiltreffs in Lauenburg, das ToM und dieses Projekt, sind für die Menschen vor Ort Anlaufstelle in allen Lebenslagen. Die Mitarbeitenden stehen mit Rat und Tat zur Seite, helfen und unterstützen. Solche Angebote vorzuhalten ist eine nachhaltige Investition, die sich in vielfacher Hinsicht auszahlt und dafür sorgt, dass das soziale Miteinander langfristig gelingt.“

„Zu uns kommen zwar viele ukrainische Flüchtlinge, wir sind aber eine Begegnungsstätte, die offen für alle Menschen ist“, betont Sobotko. Der Schwerpunkt liege dabei auf Familien. Geöffnet ist die Begegnungsstätte montags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr, freitags von 9 bis 13 Uhr. Sobotko und Podolski sprechen zwar kein Ukrainisch, verstehen aber die Sprache, die dem Polnischen sehr ähnlich ist. Novruzova spricht Türkisch, hinzu kommen einige Syrer, die mit ihren arabischen Sprachkenntnissen aushelfen. „Und wenn das nicht ausreicht, können wir auf ein großes Netzwerk in Lauenburg zurückgreifen“, sagt Sobotko und betont: „Uns ist es wichtig, dass jeder sich wohlfühlt und gern hier ist – nicht nur, wenn es Probleme gibt.“