Lauenburg. Bewohner des Askanierhauses chatten bald mit ihrem Hausarzt. Das Pflegeheit nimmt an eine Pilotprojekt teil.

Heute ist es nur ein Test, aber wenn sich Dora Bahlo künftig einem Arzt vorstellen möchte, könnte es sein, dass sie sich dafür vor eine Kamera setzt. Die 90-Jährige wohnt im Lauenburger Askanierhaus, das sich an einem Pilotprojekt des Praxisnetzwerkes Herzogtum Lauenburg beteiligt. Ziel ist es, dass im nächsten Jahr die Videosprechstunde ELVI (Elektronische Visite) flächendeckend in den Pflegeheimen des Landes zum Einsatz kommt.

Persönlicher Kontakt hat Priorität

„Dies soll in keinem Fall grundsätzlich den persönlichen Kontakt unserer Bewohner zum Arzt ersetzen“, stellt Philipp Staneck klar. Der Geschäftsführer des Askanierhauses weiß, dass es für viele Bewohner wichtig ist, dem Arzt die Hand zu geben und persönlichen Kontakt zu haben. Außerdem seien längst nicht alle Krankheitsbilder dazu geeignet, eine Diagnose per Bildschirm zu stellen. „Letztlich entscheidet der Arzt, ob es genügt, mit dem Patienten per Videochat über seine Beschwerden zu sprechen oder ob ein Hausbesuch angesagt ist“, sagt Staneck. In vielen Fällen würden die Vorteile der Videosprechstunde aber überwiegen: „Die Anfahrt des Arztes entfällt, sodass letztlich mehr Zeit für die Patienten bleibt.“ Grundsätzlich gilt: Während der Sprechstunde ist immer eine Pflegefachkraft anwesend, die dem Arzt zum Beispiel Blutdruckwerte übermittelt – oder manchen Bewohnern die Scheu vor Laptop und Kamera nimmt.

Doch so groß sei die Aversion der Senioren vor der Technik gar nicht, räumt Staneck mit einem Vorurteil auf. „Viele Bewohner entscheiden sich mittlerweile auch deshalb für ein Pflegeheim, weil es über WLAN verfügt.

Ziel ist Personalentlastung

Dies sei nicht selbstverständlich, weiß Dr. Ulrich Berghof, der das Projekt mit angeschoben hat. „Die mancherorts schlechte Internetqualität verzögerte das Pilotprojekt. Einige Pflegeheime mussten erst einmal WLAN anschaffen“, berichtet der Möllner Allgemeinmediziner.

Erklärtes Ziel der Entwickler von ELVI ist es, die Software einzusetzen, um bei wachsendem Fachkräftemangel Personal zu entlasten und Wege zu sparen. Neben der Videokommunikation könnten auch Dokumente datenschutzkonform und sicher übermittelt werden. Im vergangenen Jahr erreichte das Programm als erste Videosprechstunde die Zulassung für die kassenärztliche Regelversorgung.

Kritik von der Deutschen Stiftung Patientenschutz

Mit Kritik reagiert die Deutsche Stiftung Patientenschutz: Verlierer der Videosprechstunden seien pflegebedürftige und schwerstkranke Menschen, die auf Hausbesuche ihrer Mediziner hofften. Schon heute bekämen Mediziner Honorare gekürzt, weil sie zu viele Hausbesuche machten. – Dora Bahlo sieht es gelassen, dass ihr Arzt sie künftig nicht mehr so oft besuchen wird. Laptop und Kamera wecken das Interesse der alten Dame. „Das ist doch mal eine echte Abwechslung“, meint sie begeistert.