Geesthacht/Lauenburg. Stapelhub auf der Hitzler Werft. Das schwimmende Labor, das fürs Helmholtz-Zentrum Hereon fahren wird, setzt weltweit Maßstäbe.
Um 15.10 Uhr ertönte ein Schiffshorn in der Halle der Lauenburger Hitzler Werft. Damit signalisierte Kai Klimenko, einer der beiden Geschäftsführer: Alles im Lot! Die „Coriolis“ hatte nicht nur das erste Mal Wasser unterm Kiel, sondern auch die erste Dichtigkeitsprüfung überstanden. Heißt: Der Rumpf war dicht. Mit dem sogenannten Stapelhub meisterte das neue Forschungsschiff des Helmholtz-Zentrum Hereon aus Geesthacht damit den nächsten Meilenstein der Bauphase.
Zwei Autokräne und die beiden Werftkräne waren nötig, um das rund 125 Tonnen schwere Schiff in das Hafenbecken der Werft zu hieven, das vor einer Woche noch „nackt“, also ohne Farbanstrich, bei Hitzler gestanden hatte. Gute 20 Minuten dauerte der Vorgang, der mit etwa 150 geladenen Gästen und Mitarbeitern groß gefeiert wurde. Schon den Beginn des Stapelhubs hatte Kai Klimenko mit dem Ertönen eines Schiffhorns eingeläutet. „Normalerweise machen das bei einem Stapelhub sonst alle anderen Schiffe in der Nähe. Wegen des Wetter mussten wir unser Werfttor aber geschlossen lassen und haben das mit dem Horn selbst übernommen“, erklärte mit Vater Marek Klimenko der andere Geschäftsführer der Hitzler Werft.
Stapelhub für das Forschungsschiff „Coriolis“ auf der Hitzler Werft
Bei den vorangegangenen Reden stellte Prof. Dr. Matthias Rehahn, der wissenschaftliche Geschäftsführer am Helmholtz-Zentrum Hereon, fest: „Das ist ein Meilenstein für die Schifffahrt in Deutschland.“ Hintergrund: Die „Coriolis“ wird über hochmoderne Elektromotoren verfügen, deren Energie wahlweise aus Wasserstoff-Brennstoffzelle, Batterie oder Diesel-Generator kommen soll. „Wir hoffen, dass wir die hochinnovative Technik in weiteren Schiffen für ganz andere Nutzungszwecke verbauen können“, sagte Rehahn.
Zunächst wird ab jetzt das Forschungsschiff schwimmend weiter ausgebaut. Der Nachfolger der „Ludwig Prandtl“ ist knapp 30 Meter lang, acht Meter breit und hat einen Tiefgang von lediglich 1,6 Meter. Mit einer Besatzung von drei Mann sowie bis zu zwölf Wissenschaftlern an Bord erreicht die „Coriolis“ eine Höchstgeschwindigkeit von zwölf Knoten (22,2 Stundenkilometer). Das Forschungsschiff wird vielseitig in Flüssen sowie auf der Nord- und Ostsee einsetzbar sein – mit verschiedensten Laboren an Bord.
Es kombiniert an Bord Küsten-, Werkstoff-, Membran- und Wasserstoffforschung. Ein Großteil der Forschungsdaten wird auf einem öffentlich einsehbaren Dashboard in Echtzeit abrufbar sein. „Die ,Coriolis’ kombiniert an Bord interdisziplinäre Spitzenforschung und ist mit ihrem innovativen Antriebskonzept ein Wegbereiter zur klimaneutralen Schifffahrt. Damit stellt sich das Hereon einzigartig und fortschrittlich dar“, so Rehahn weiter.
In den kommenden Monaten wird die „Coriolis“ ausgebaut
Kai Klimenko sagt: „Wir blicken motiviert auf die kommenden Monate, in denen der Schiffskörper mit Leben gefüllt werden wird. Die ersten Gewerke werden Elektriker, Rohrleger und Maschinenbauer sein.“ Nur fünf Monate nach der Kiellegung beginnt damit die finale Phase im Bau. „Wir bauen ein Schiff in schwierigen Zeiten mit steigenden Preisen und einem begrenzten Budget. Wir haben ein hohes Maß an Kreativität entwickelt“, ergänzte Volker Dzaak, der Projektleiter für den Bau des Forschungsschiffs. Erst 2020 hatte der Haushaltsauschuss des Bundestages für den Neubau des weltweit einmaligen Forschungsschiffes rund 13,5 Millionen Euro bewilligt.
Der Stahlkörper des Schiffs ist fertiggestellt – auch Propeller, Ruder und Wellenanlage sowie die Scheuerleisten sind schon montiert. Nach dem Stapelhub werden Schanz (Bordwand oberhalb des Decks, die Red.) und das Steuerhaus aufgesetzt. „Die ,Coriolis’ im Wasser zu sehen, erhöht bei uns die Vorfreude auf die Messprogramme der kommenden Jahre. Wir haben parallel zum Bau der ,Coriolis’ ein Dashboard für die Messdaten entwickelt, das derzeit auf der ,Ludwig Prandtl’ erprobt wird. Bis zur Inbetriebnahme der ,Coriolis’ werden wir das Dashboard weiterentwickeln und zusätzliche Messdaten – wie beispielsweise die Strömung im Wasser – darstellen“, erklärt Volker Dzaak.
„Coriolis“: Daten des Forschungsschiffs sind live im Internet aufrufbar
Auf dem öffentlich einsehbaren Dashboard, das in enger Zusammenarbeit mit dem Helmholtz Coastal Data Center (HCDC) weitentwickelt wurde, können – neben meteorologischen Daten, der Schiffsposition und der Geschwindigkeit – in Zukunft auch Daten über den Antrieb live mitverfolgt werden. Darunter sind beispielsweise der Ladezustand der Batterien, die Drehzahl der Propeller und sogar der Wasserstofffluss in die Brennstoffzelle. Um einen fehlerfreien Einsatz zu garantieren, wird das Dashboard noch auf dem „Coriolis“-Vorgänger „Ludwig Prandtl“ erprobt und ist schon jetzt live abrufbar.
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„Die an Bord der ,Coriolis’ geplanten Forschungsprojekte werden einen wichtigen Beitrag für die Energiewende leisten, etwa bei der Erforschung von Klimawandel-Folgen in der Ostsee und der Erprobung von erneuerbar erzeugtem Wasserstoff als Antriebstechnologie. Forschungsvorhaben wie dieses sind ein Aushängeschild für den Wissenschaftsstandort Deutschland“, betonte Dr. Nina Scheer, die SPD-Bundestagsabgeordnete für Südstormarn und Herzogtum Lauenburg. Die Sprecherin für Klimaschutz- und Energiepolitik der Sozialdemokraten freute sich zudem, dass das Schiff in ihrem Wahlkreis gebaut wird.
Der letzte Meilenstein soll übrigens gar nicht mehr so lange auf sich warten lassen. Die Schiffstaufe in der Hitzler Werft in Lauenburg ist nach derzeitigem Stand im Mai 2024 geplant.