Geesthacht. Seit 25 Jahren gibt es den Förderkreis Industriemuseum Geesthacht. Die Mitglieder sind älter geworden. Was kommt nach ihnen?

Wo der Förderkreis Industriemuseum Geesthacht e.V. sein Depot hat, das soll nicht an die große Glocke gehängt werden. Nur so viel: Es befindet sich an einem Ort, der direkt mit der Industriegeschichte des Ortes zu tun hat. Vordringlich kümmert sich der Verein um das Erbe der beiden großen Munitionsfabriken, der Dynamitfabrik Krümmel und der Düneberger Pulverfabrik, durch die Geesthacht ab Ende des 19. Jahrhunderts als Pulverkammer Deutschlands galt. Die Frage ist aber: Wie lange tut der Verein das noch? Und was kommt danach?

Götz Fischer, der Schatzmeister des eingetragenen Vereins, hat sich zunächst zur Aufgabe gemacht, die historischen Objekte im Depot für die Nachwelt zu registrieren. Damit eine geordnete Übergabe möglich ist. Vieles ist nämlich noch nicht schriftlich erfasst. Dafür hat sich Fischer extra einen Arbeitsplatz eingerichtet. Fotoapparat und Lineal, um ein Gefühl für die Größe des Objekts zu bekommen, gehören zu seinen wichtigsten Arbeitsutensilien. Das passende Datenbankprogramm hat der frühere Lehrer für Mathe, Informatik und Physik am Otto-Hahn-Gymnasium Geesthacht (1979-2006) selbst geschrieben.

Was wird aus dem Industriemuseum Geesthacht?

Götz Fischer kümmert sich um die Registrierung der historischen Objekte.
Götz Fischer kümmert sich um die Registrierung der historischen Objekte. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Unter den rund 260 Objekten sind alte Pulversäcke und Arbeitsschuhe, Gasmasken und Stahlhelme aus dem Zweiten Weltkrieg, aber auch ein Rettungsring vom atombetriebenen Forschungsschiff Otto Hahn der ehemaligen GKSS (heute Helmholtz-Zentrum), ein Modell einer Pulverpresse, alte Schilder und Hausnummern, ein Telefon, eine Granatenhülse, ein altes Asthmamittel namens Nitrolingual und vieles mehr. Der größte Schatz im Fundus sind aber Original-Entwurfzeichungen vom Krümmeler Wasserturm des Bergedorfer Architekten Hermann Distel.

Fischer erfasst folgende Punkte: Um was für eine Art Gegenstand handelt es sich? Aus welchem Betrieb kommt er? Wofür wurde er verwendet? Wie groß ist das Objekt? Von welchem Sammler stammt es? Was ist noch bekannt? „Zu vielen Dingen habe ich selbst keinen Bezug, weil ich erst später zum Verein gestoßen bin. Aber wenn wir nicht mehr aktiv sind, dann gibt es nur noch große Fragezeichen“, betont Fischer.

Vor 25 Jahren gründete sich der Förderkreis Industriemuseum

Objekt im Depot des Förderkreis Industriemuseum Geesthacht.
Objekt im Depot des Förderkreis Industriemuseum Geesthacht. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Vor 25 Jahren hatten sich zwölf Anwohner aus der Lichterfelder Straße in Geesthacht zusammengetan und den Förderkreis Industriemuseum ins Leben gerufen. „Damals wurde ein romantisches Fabrikgebäude mit Schornstein, das frühere Maschinenhaus mit der Gebäudenummer 10 der Düneberger Pulverfabrik, über Nacht einfach abgerissen“, erinnert sich die Vorsitzende Ulrike Neidhöfer. „Aus industrie-historischen Geschichtspunkten war das ein normaler Wandel, aber wir fanden, dass die Stadt ihre Industriegeschichte stiefmütterlich behandelt“, so die damalige Museumspädagogin.

Wegen der damals noch nicht umfassend aufgearbeiteten Geschichte der Tausenden Zwangsarbeiter in den beiden Fabriken und der nicht unumstrittenen Rolle von Alfred Nobel, der in Krümmel das Dynamit erfand und später die Nobelpreise stiftete, war die Reaktion 1998 von Politik und Verwaltung zur Gründung zunächst verhalten. „Die Zeitzeugen waren dafür. Wir saßen jahrelang zwischen den Fronten“, blickt Neidhöfer zurück. Inzwischen ist der Verein aber voll akzeptiert. Es gibt überaus interessante Führungen vom Förderkreis Industriemuseum durch die ehemaligen Fabrikstätten in Düneberg und Krümmel.

Gespräche mit Zeitzeugen standen am Anfang

Gasmasken und Helme aus dem Zweiten Weltkrieg gehören ebenfalls zum Fundus im Depot. 
Gasmasken und Helme aus dem Zweiten Weltkrieg gehören ebenfalls zum Fundus im Depot.  © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Bis es soweit war, musste der Verein viel Vorarbeit leisten. Die bestand vor allem in Gesprächen mit Zeitzeugen. Der Geesthachter Karl Gruber etwa hatte drei Bücher über die Munitionsfabriken geschrieben. Später überließ er seinen Nachlass dem Förderkreis. Auch das Archiv der früheren Dynamit-Aktien-Gesellschaft ist in seinem Besitz. „Auch Blandine Christine Pont, geborene Grieshammer, die Tochter des zweiten Direktors von Krümmel, wusste viel zu erzählen“, erinnert sich Neidhöfer. Sie heiratete übrigens den Kommandeur der englischen Besatzungstruppen in Geesthacht.

Vor Jahren gab es auch mal die Idee, den Krümmeler Wasserturm, der am Elbhang östlich des stillgelegten Kernkraftwerks steht und vor allem von Niedersachsen zu sehen ist, in ein Nobel-Museum mit Geesthacht-Bezug umzuwandeln. „Das war noch im Sicherheitsbereich des Kernkraftwerks. Heute ist das Thema durch“, glaubt Ulrike Neidhöfer. Götz Fischer meint derweil: „Der ließe sich erhalten.“

Mit dem Tod von Jochen Meder ist Wissen verloren gegangen

Die NS Otto Hahn war ein atombetriebenes Forschungsschiff der GKSS (heute Helmholtz-Zentrum). 
Die NS Otto Hahn war ein atombetriebenes Forschungsschiff der GKSS (heute Helmholtz-Zentrum).  © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Wie lange der Verein noch aktiv weiterarbeitet, steht in den Sternen. Von den 39 Mitgliedern sind drei aktiv dabei. Außer Neidhöfer und Fischer ist dies Reinhard Parchmann. Mit dem überraschend in diesem Jahr verstorbenen Jochen Meder ist dem Verein jedoch schon viel Wissen verloren gegangen.

„In unserer Vereinssatzung steht, dass die Stadt unsere Sammlung bekommt, wenn wir nicht mehr aktiv sind“, sagt Ulrike Neidhöfer. Allerdings wollen sie ihr Erbe dort auch in guten Händen wissen. Und Verwaltung und Kommunalpolitik müssen sich dann auch ein Konzept überlegen. Die generelle Bereitschaft, das Industriemuseum fortzuführen, besteht. Das betont Bürgermeister Olaf Schulze: „Es ist ein wichtiger Verein, der die Geschichte Alfred Nobels in der Stadt gut aufgearbeitet hat. Es ist sicher vernünftig, das Wissen in irgendeiner Weise zu überführen. Wir müssen aber gucken, wie.“

Erfassung der Objekte im Depot dauert ein Jahr

Zunächst schätzt Götz Fischer, dass er alleine mit dem Zusammentragen und Erfassen aller vorhandenen Objekte noch rund ein Jahr lang beschäftigt sein wird. „Aber dann gibt es immer noch genug Rätsel“, so der Hobby-Archivar.

Eine Sache, die der frühere OHG-Lehrer aktuell zu klären versucht, ist, wie es 1968 im Zuge der Einweihung des naturwissenschaftlichen Trakts zur Umbenennung der 1940 gegründeten städtischen Oberschule kam. „In der Diskussion war damals schon der Name Alfred-Nobel-Schule. Die Stadt war dafür, die Schule auch, aber es wurde dann doch Otto Hahn“, weiß Götz Fischer. Interessant daran: Inzwischen gibt es in Geesthacht eine Alfred-Nobel-Schule. 2010 wurde die Integrierte Gesamtschule so getauft – trotz reichlich Kontra aus Lehrer- und Elternschaft. Inzwischen hat sich der Umgang mit dem Namen Alfred Nobel und seinem Wirken in der Stadt gewandelt.

Am Tag des offenen Denkmals (Sonntag, 10. September) lädt der Förderkreis Industriemuseum von 11 bis 13 Uhr zu einem historischen Spaziergang ein. Treffpunkt für „Auf den Spuren Alfred Nobels...“ ist der Parkplatz vom Restaurant Achilleon in Krümmel, Ecke Nobelplatz. Festes Schuhwerk ist erforderlich. Anmeldung online: industriemuseumgeesthacht@gmx.de.