Geesthacht. „Coriolis“ heißt das neue 30 Meter lange Schiff des Geesthachter Helmholtz-Zentrums. Was es zu etwas ganz Besonderem macht.
„Kieloben“ bedeutet eigentlich nichts Gutes in der Schifffahrt, in diesem Fall aber schon. Gut fünf Meter über dem Erdboden hing das acht Tonnen schwere erste Teilstück des Rumpfes der „Coriolis“ am Kran über dem Werftboden in Lauenburg. Das Geesthachter Helmholtz-Zentrum Hereon und die Hitzler-Werft feierten am Donnerstag, 23. März, die Kiellegung des Forschungsschiffes. Baustart war Ende Januar. Die Stahlplatten, etwa einen Zentimeter dick, werden von der Ostseestaal GmbH & Co. KG, einem Spezialunternehmen aus Stralsund, zugeschnitten und dann nach Lauenburg geliefert.
Die Werftbesitzer Marek und sein Sohn Kai Klimenko sowie Vertreter des Hereon um Projektleiter Volker Dzaak begrüßten zahlreiche Gäste. Aus Verwaltung und Politik waren unter anderen Landrat Christoph Mager, Geesthachts Bürgermeister Olaf Schulze und Lauenburgs scheidender Bürgermeister Andreas Thiede dabei. Er bekam vom Marek Klimenko einen Sextanten zum Abschied überreicht.
Norbert Brackmann bekam die erste Medaille seiner „neuen Ära“
Natürlich durfte Norbert Brackmann (CDU) nicht fehlen. Der Lauenburger hatte, als er noch im Bundestag vertreten war, das Projekt als Koordinator für die Maritime Wirtschaft und den Tourismus der Bundesregierung maßgeblich mit in die Wege geleitet. Rund 13,5 Millionen Euro wurden 2020 vom Haushaltsauschuss des Bundestages bewilligt. Als Dankeschön bekam er eine von 20 Erinnerungsmedaillen an diesen Tag überreicht. „Ich habe als erster Politiker mal den Preis des Kieler Seehafens bekommen, das ist nun der erste Preis meiner neuen Ära“, sagte der Bundespolitiker a. D. Sie bekommt auf der Fensterbank im Arbeitszimmer einen Ehrenplatz.
Norbert Brackmanns Nachfolger im Amt des Koordinators ist seit Januar 2023 Dieter Janecek. An ihm war es, eine Rede zu halten. Auch für ihn gebe es eine Premiere, es sei seine erste Kiellegung, verriet er. Er kam gleich auf mögliche Einsatzbereiche der „Coriolis“ zu sprechen. „Wir brauchen 22 Atomkraftwerke auf See“, meinte er im übertragenen Sinne bezüglich der Strommenge, die im Offshore-Bereich mittels Windanlagen zukünftig erzielt werden müssten. Da gelte es, mit Forschungsschiffen die Auswirkungen im Meer zu beobachten. Er fand, es sei ein gutes Beispiel, wie die maritime Branche gestärkt werden könne.
Hinter einer Plane steht schon das Bauteil mit dem Bug bereit
Schließlich wird der Rumpf zur Kiellegung abgesenkt. Es hat in der Schifffahrt die gleiche Bedeutung wie die Grundsteinlegung beim Hausbau. Als traditioneller Glücksbringer wird eine Münze auf die Pallung – eine Trageeinrichtung für das Schiff – gelegt. Das Schiff wird aus mehreren größeren Einzelteilen zusammengesetzt, insgesamt sind es zwölf. Während alle Augen beim Festakt auf die Stahlplatten von „Sektion 103“ gerichtet sind, lagern die nächsten fast fertigen Sektionen schon in der Nachbarschaft hinter einer Plane. An der nördlichen Wand der Werfthalle stehen ein Segment mit den Schornsteinen und das mit dem Bug parat. Bereits in der kommenden Woche wird es mit Segment 103 zusammengesetzt.
Weitere kleinere, in Form gebrachte Einzelplatten liegen wie stählerne Puzzleteilchen daneben, bereit für das Zusammenschweißen zu einem der dann folgenden Segmente. Ende Juli, Anfang August wird der gesamte Rumpf Elbwasser unter den Kiel bekommen. 2024 soll das Schiff fertiggestellt an das Hereon übergeben werden.
In Feierstimmung war natürlich auch Volker Dzaak. „Es ist einfach großartig“, freute er sich über den Rumpf. „Es ist exakt so wie das Modell, ganz, wie es sein soll.“ Er und jeweils einer der beiden Kapitäne – Marco Schacht war bei der Kiellegung ebenfalls dabei – nehmen die Arbeiten auf der Werft regelmäßig in Augenschein. „Etwa zweimal in der Woche“, sagt Volker Dzaak. Zwar sei der Bauplan ausgearbeitet, „aber es bleibt für Praktiker genug zu tun“. Dabei gehe es um zentimetergenaue Anweisungen für den Einbau von Dingen wie zum Beispiel Einfüllstutzen für Kühlflüssigkeit, selbst der Platz für Kleiderbügel wird nun detailliert festgelegt. „Es ist wichtig, wie viele Jacken man nachher hineinhängen kann“, sagt Volker Dzaak. „Sonst fehlen am Ende die berühmten zehn Zentimeter.“ Die Besatzung soll später aus drei Personen sowie zwölf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bestehen.
Die „Coriolis“ soll Maßstäbe in Sachen grüner Schifffahrt setzen
Mit dem Bau der „Coriolis“ will das Hereon Maßstäbe in der klimafreundlichen Schifffahrt setzen. Sie wird knapp 30 Meter lang, acht Meter breit und weist einen Tiefgang von 1,6 Meter auf bei einer Höchstgeschwindigkeit von zwölf Knoten. Auf einer Fläche von 47 Quadratmetern vereint sie ein Nass-, Trocken- beziehungsweise E-Labor sowie ein Labor für die Wasserstoffforschung. Die „Coriolis“ ist vielseitig in Flüssen sowie der Nord- und Ostsee einsetzbar. Besonders der Antrieb weckt hohe Erwartungen. Als weltweit erstes Schiff verfügt die „Coriolis“ über ein innovatives Antriebssystem aus einem Elektromotor, der mit Diesel, über eine Batterie oder direkt durch Wasserstoff betrieben werden kann. Der Wasserstoffantrieb wird während der Fahrt an Bord erprobt. In diesen Phasen fährt das Schiff vollkommen emissionsfrei. Auch der Dieselmotor ist durch eine am Hereon gefertigte spezielle Membran weniger klimaschädlich als übliche Schiffsmotoren. Durch die Gewinnung von Daten und Erfahrungswerten könne langfristig der Weg zu einer grüneren Schifffahrt bereitet werden, so die Hoffnungen.
„Der Neubau des Forschungsschiffes stellt einmal mehr den Innovationscharakter unserer Branche dar. Wir sind stolz, unseren Beitrag zur Erforschung neuartiger Antriebskonzepte und damit zur Zukunft des Schiffbaus leisten zu dürfen“, sagt Marek Klimenko. „Die besondere Kombination an Bord aus einer digitalisierten Umweltforschung und der Technologieentwicklung für mehr Klimaschutz entspricht vollends dem Leitgedanken und den Stärken unseres Zentrums. Für uns stellt die ,Coriolis’ auch deshalb eine Botschafterin des Hereons dar“, meinte Prof. Dr. Matthias Rehahn, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Hereon.