Geesthacht. In Geesthacht werden 364 Erstklässler eingeschult. Großer Andrang an weiterführenden Schulen. Lehrmangel führt zu Unterrichtsausfall.
Das Schuljahr 2023/24 begann an der Waldschule im Geesthachter Stadtteil Grünhof besonders aufregend. Den letztlich glimpflich verlaufenen Feuerwehreinsatz wegen eines defekten Wärmewagens des Schulcaterers haben die künftigen 35 Erstklässler der Waldschule noch verpasst. Der Ernst des Lebens beginnt für insgesamt 364 Mädchen und Jungen, die an den vier Grundschulen in Geesthachteingeschult werden, erst am Mittwoch, 30. August. Wer in die 5. Klasse an einer weiterführenden Schule gewechselt ist, für den startet der Lernalltag am Dienstag, 29. August. Für alle anderen waren die Sommerferien am Montag vorüber.
Was alle Schülerinnen und Schüler eint, sind die immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen, in die ihre Schulzeit fällt. Während die Zahl der Schüler in der wachsenden Stadt steigt, fehlt es an ausgebildeten Lehrern und auch an Räumen. Eine Bestandsaufnahme.
Schulen in Geesthacht leiden unter Lehrermangel
„Ich habe ein Zitat von Hamburgs Schulsenator Ties Rabe gelesen, der meinte, dass er keine Notlage in der Lehrerversorgung sehe. Dann weiß ich ehrlich gesagt nicht, was noch kommen soll“, wundert sich Jan Kunze. Der stellvertretende Leiter vom Otto-Hahn-Gymnasium (OHG) Geesthacht ist auch stellvertretender Sprecher des Philologenverbands Schleswig-Holstein (PHV). Kunze verweist auf Zustände in Sachsen und Sachsen-Anhalt, wo Schulen aus lauter Lehrermangel schon die Vier-Tage-Woche eingeführt haben: also vier Tage Präsenzunterricht und einen Tag Homeoffice.
So weit ist es an der Geesthachter Bertha-von-Suttner-Gemeinschaftsschule (BvS) noch nicht. Dennoch seien an ihrer Schule derzeit „ungewöhnlich viele“ Stellen unbesetzt, räumt Schulleiterin Karen Osnabrügge ein. „Wir versuchen den Unterricht so gut wie möglich zu besetzen und gehen mit Mut an die Herausforderung“, sagt Osnabrügge. Sie werde sich allerdings sich im Rahmen der Experimentierklausel etwas überlegen müssen.
Schulen können neue Unterrichtskonzepte entwickeln
Damit ermöglicht die schleswig-holsteinische Schulaufsicht seit Februar Schulen, innovative Konzepte zur Unterrichtsgestaltung, zu weiteren Möglichkeiten der Leistungsbewertung, zur freieren Handhabung von Kontingentstundentafeln und Arbeitszeitmodellen zu entwickeln.
Demgegenüber stehen die offiziellen Zahlen, die sich ganz gut lesen. Michael Harder ist Schulrat im Kreis Herzogtum Lauenburg. In seinen Verantwortungsbereich fallen zwar „nur“ Grundschulen und Gemeinschaftsschulen ohne Oberstufe, aber hier liege die Auslastung der Planstellen bei 99 Prozent an den Grund- beziehungsweise 96 Prozent an den Gemeinschaftsschulen. „Das ist überaus erfreulich zu bewerten“, sagt Harder. An den Förderzentren, dazu gehört auch Harders ehemalige Schule, die Hachede-Schule in Geesthacht, sei die Lage mit 90 Prozent besetzter Planstellen „herausfordernder“.
Planstellen sind oft mit Seiteneinsteigern besetzt
Allerdings, und das gehört zur Wahrheit dazu: Oftmals sitzen auf den Planstellen auch keine ausgebildeten Lehrer, sondern Quer- und Seiteneinsteiger oder Studenten, die erst noch in der Ausbildung stecken. Das Kernproblem bei der Besetzung von Planstellen: „Im gesamten südlichen Schleswig-Holstein werden keine Lehrer ausgebildet“, sagt Michael Harder. Und die fertigen Studenten ziehe es später an die Orte ihrer Ausbildung.
Trotzdem lobt der Schulrat: „Ich habe bei meinen Schulbesuchen sehr engagierte Schulleitungen und Kollegien gesehen, die dank der Experimentierklausel kreative Wege entwickeln, um gute Bildungsangebote im Kreis Herzogtum Lauenburg sicherzustellen.“
Oft fällt Unterricht in bestimmten Fächern einfach aus
Oftmals geht es aber nur so, dass in ganzen Jahrgängen Unterricht in bestimmten Fächern einfach wegfällt. Ein Beispiel vom OHG: Im achten Jahrgang fällt Musik komplett aus, im siebten werden die Klassen im halbjährlichen Wechsel in Musik unterrichtet, auch Geschichte und Erdkunde wird in Klassenstufe 7 im halbjährlichen Wechsel unterrichtet. Dennoch stellt Jan Kunze fest: „Wir stehen bei den Lehrern erstaunlicherweise ganz gut da.“
An der Bertha-von-Suttner-Gemeinschaftsschule gibt es dagegen teilweise durchgängig nur vier Stunden Unterricht täglich. Ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein ist für die BvS der Beschluss des Geesthachter Bildungsausschusses vom Februar, dass mit Beginn dieses Schuljahres auch die zweite Gemeinschaftsschule in der Stadt, die Alfred-Nobel-Schule (ANS), als sogenannte „zuständige Schule“ verpflichtet ist, Schüler aufzunehmen. Heißt konkret: Fortan müssen sich BvS und ANS abstimmen, wo in welchem Jahrgang noch Kapazitäten frei sind. Für dieses Schuljahr bedeutete dies, dass die ANS etwa ein Dutzend Achtklässler aufnehmen musste, womit die Gesamtschülerzahl an der Schule auf über 800 anstieg.
Am OHG beginnen erneut sieben fünfte Klassen
Obwohl personelle Lücken kurzfristig geschlossen werden konnten, soll auch an der Alfred-Nobel-Schule der Schulentwicklungstag am 30. Oktober dazu genutzt werden, in Zeiten knappen Personals kreative Lösungen für die Unterrichtsgestaltung zu entwickeln.
Während die ANS in den 5. Klassen vierzügig mit 93 Schülern beginnt, also vier 5. Klassen, und die BvS fünfzügig (105 Schüler), starten am Otto-Hahn-Gymnasium zum zweiten Mal in Folge sieben 5. Klassen mit 174 Schülern. „Das hatten wir mal im Jahr 2000 und dann nicht mehr“, weiß Jan Kunze. Die Gesamtschülerzahlen gehen stark nach oben. Von Sommer 2019 bis jetzt stieg die Zahl von 791 auf rund 1100. Zum Vergleich: Im Bildungsausschuss im Februar hatte Schulentwicklungsplaner Wolf Krämer-Mandeau allen Geesthachter Schulen weiter steigende Zahlen prognostiziert. Das OHG werde in ein paar Jahren bei 1400 Schülern angekommen sein.
Geesthacht investiert 50 Millionen in seine Schulen
Dann wird es auch mit den Räumlichkeiten an vielen Schulen in Geesthacht knapp. Den dringenden Bedarf haben die Kommunalpolitiker erkannt und gemeinschaftlich beschlossen, im großen Rahmen in die Schulen zu investieren. Bürgermeister Olaf Schulze geht von einer Summer von mindestens 50 Millionen Euro aus.
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An der Grundschule Silberberg ist die Not so akut, dass eine Übergangslösung her musste. In der vergangenen Woche hatte die Grundstücksverkehrs- und Erschließungs GmbH (GVE), ein städtisches Tochterunternehmen, 91 Container an Schulleiterin Kirsten Hansen übergeben. GVE-Porkurist Stephan Wollschläger tat dies symbolisch mittels eines überdimensionalen gebackenen Schlüssels. Für 3,5 Millionen Euro waren vier Klassenräume für 95 Schüler entstanden, Räume für den Ganztag und die Mensa.
An der Silberbergschule werden in sechs ersten Klassen 141 Schüler eingeschult (2022: 121), an der Grundschule in der Oberstadt sind es 113 Schüler in sechs Klassen (2022: 104), an der Buntenskampschule 75 Erstklässler in vier Klassen (2022: 59) und 35 an der Waldschule in zwei Klassen (2022: 38).