Geesthacht. Institute müssen jetzt prüfen, welche Gefahren aus Umweltereignissen für eine Immobilie bestehen. Das sollten Hauseigentümer checken.

Als Gerics-Wissenschaftler Markus Groth im Juli im Geesthachter Ausschuss für Stadt- und Verkehrsplanung zu Gast war und die von der Stadt beauftragte Starkregen- und Stadtklimamodellierung vorstellte, hatte auch Christian Henkel als Zuhörer im Ratssaal Platz genommen. Das Thema interessiert ihn beruflich, er wolle „mal zu sehen, wie die öffentliche Hand damit umgeht“, sagt er.

Der Anwohner aus der Geesthachter Hafencity ist bankinterner Gutachter für die Bewertung von Privatimmobilien. „Wir haben seit neuestem Datenquellen, da kann man sich für jedes Objekt in Deutschland über Eingabe der Adresse zum Beispiel das Hochwasserrisiko anzeigen lassen“, sagt er. In der vergangenen Woche erst habe man ganz frisch den Zugang bekommen.

Jedes Haus in Deutschland ist hinsichtlich der Umwelteinflüsse bewertet

Der Umfang der Datenbank ist enorm. „Wir haben in Deutschland 19,4 Millionen Wohneinheiten, 41,7 Millionen Wohnungen und 1,98 Millionen Nicht-Wohngebäude“, sagt Christian Henke. Der Gebäudesektor verursache 36 Prozent des deutschen CO2-Ausstoßes, rund 86 Prozent seien nicht saniert oder nur teilsaniert.

Solche Daten für die Finanzbranche liefern Programme, die von Wissenschaftlern entwickelt wurden. Sie dienen der Risiko-Analyse von Naturgefahren. Unterteilt in Sparten lässt sich so auch aus der Ferne für Experten wie Christian Henkel beurteilen, wie gefährdet ein Haus in seiner Lage ist – und wie sich das auf den Wert der Immobilie auswirken könnte bei einem Verkauf oder auch hinsichtlich der Vergabe von Krediten. Zur Ergänzung gibt es vor Ort trotzdem immer noch Außendienstmitarbeiter, die durch Inaugenscheinnahme des Hauses letzte Details klären können.

Seit Jahresbeginn muss geprüft werden, welche externen Gefahren bestehen

Angst vor Hochwasser: 2002 war der Pegel der Elbe stark gestiegen, bei Famila am Schleusenkanal wurden zur Sicherheit Sandsäcke aufgestapelt.
Angst vor Hochwasser: 2002 war der Pegel der Elbe stark gestiegen, bei Famila am Schleusenkanal wurden zur Sicherheit Sandsäcke aufgestapelt. © Privat / Privat

Vom Gesetzgeber gebe es strenge Regeln zum Bewerten von Immobilien. „Es sind klare Vorgaben. Wir müssen, unabhängig vom Marktgeschehen, einen nachhaltigen Wert ermitteln. Spekulative Elemente finden bei uns keine Berücksichtigung.“ Denn Faktoren wie die Entfernung zum ÖPNV, zum Einkaufen, die Himmelsausrichtung der Terrasse oder auch die Parkplatzsituation bewerte schließlich jeder individuell anders. Und sind dementsprechend jedem mal mehr, mal weniger Euro wert beim Verhandeln des Kaufpreises einer Immobilie.

„Anfang 2023 schließlich wurde die Beleihungswert-Ermittlungsverordnung novelliert, da sind die Passagen der Nachhaltigkeit mit aufgenommen worden, sodass sich die Banken jetzt intensiv damit beschäftigen“, erklärt Christian Henkel. „Wir müssen seit Jahresbeginn prüfen, welche externen Gefahren aus Umweltbedingungen und Klimaeinflüssen vor Ort für eine Immobilie bestehen.“

Auch die Einschätzung von Erdbeben gehört dazu

Im Vergleich zu der Zeit vor zwei Jahren müsse die Bank Immobilien wesentlich intensiver bezüglich solcher Risiken bewerten, was unter Umständen zu erheblichen Abweichungen zwischen Markt- und Beleihungswert führen könne, heißt es in einem internen Informationspapier.

Die Datenbank ist unterteilt in Rubriken zu Gefahrenlagen wie Hochwasser, Hagel, Windspitzen, Schneelast, Hitze, Dürre, Lärm, Luftqualität, Erdbeben und Bodenbewegungen. Die können auch dort entstehen, wo Kohle wie im Ruhrgebiet oder Salz wie in Lüneburg im großen Stil abgebaut wurden und Hohlräume im Boden entstanden sind. Eine Ampelgrafik mit den Farben in Grün, Orange und Rot kennzeichnet auf den ersten Blick, wie es steht zum Beispiel in Sachen Überflutung durch Sturzregen.

In Geesthacht sind zwölf mögliche Hochwasser-Hotspots identifiziert

Da fehlte nicht viel, und die Promenade an der Hafencity wäre überflutet worden. Die Elbe führte im Februar 2022 Hochwasser.
Da fehlte nicht viel, und die Promenade an der Hafencity wäre überflutet worden. Die Elbe führte im Februar 2022 Hochwasser. © Privat | Privat

In Geesthacht wurden dafür vom Gerics-Team acht Hotspots identifiziert: Düneberger Straße/Neuer Krug, Wäldchen und Senke nördlich der Grenzstraße, Geesthachter Straße/Querstraße, Sandstraße/Schillerstraße, Berliner Straße/Hansastraße, Holertsche Kiesgrube, eine bewaldete Senke, der Bereich nördlich des Dialogwegs und die Ostlandsiedlung. Je nach der Tiefe der Lage sind dort Wasserhöhen von anderthalb bis zu zwei Metern möglich.

Wird die Regenmenge angesetzt, die die Ahrtal-Flut auslöste, kommen zusätzlich zu den acht Hotspots – die jetzt deutlich mehr Wasser führen – vier weitere hinzu: nämlich der Parkplatz Norderstraße, südlich des Lerchenweges, im Bereich zwischen Hanseatenweg/Farmsener Weg und im Bereich Horner Kamp. „Man müsse dort aber keine Angst haben, nun nichts mehr finanziert zu bekommen“, beschwichtigt Christian Henkel. Er schaut, was seine Datenbank zum Beispiel über ein Haus an der Ecke Düneberger Straße/Neuer Krug aussagt. Die Ampel zeigt für Hochwasser Grün.

Einfache Maßnahmen können den Unterschied ausmachen, ob der Keller trocken bleibt

Solche Kasematten mit Abflüssen bewahrten den Keller von Christian Henkel vor dem Vollaufen. Die Nachbarschaft in der Hafencity hatte nicht so ein Glück. Kasemattenlos liefen bei einem Starkregen 2018 die Keller voll.
Solche Kasematten mit Abflüssen bewahrten den Keller von Christian Henkel vor dem Vollaufen. Die Nachbarschaft in der Hafencity hatte nicht so ein Glück. Kasemattenlos liefen bei einem Starkregen 2018 die Keller voll. © Dirk Palapies | Dirk Palapies

Christian Henkel wundert das nicht. „Die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein Überflutungsereignis eintritt, ist sehr gering. Und bei der Bewertung geht es auch darum, wie häufig ein solches Szenario eintreffen könnte.“ Christian Henkel selbst erlebte in der Hafencity im Oktober 2018 auch schon ein Sturzregenereignis. Während in den Wohnblocks in der Nachbarschaft die Keller vollliefen, blieb bei ihm alles trocken. Glück war es nicht: Den Unterschied machten Extra-Kasematten mit Abflüssen rund ums Gebäude, die der Bauherr anlegen ließ.

Aber es müssen nicht immer bauliche Veränderungen sein, die den Unterschied machen, sagt Christian Henkel. „Es gibt Maßnahmen, die kann jeder selbst machen.“ So zum Beispiel, dass die Abflussrohre frei seien. „Mit Grassoden verstopfte Rohre in Verbindung mit Starkregen – das säuft ab“, sagt er. Auch die Fallrohre müsse man vom Laub befreien sowie die Regenrinnen, das sind alles so Kleinigkeiten, die man den Leuten an die Hand geben kann: ,Macht das einmal im Jahr’“.

In Bleckede gibt ein Flyer der Stadt Tipps – Experte empfiehlt das auch für Geesthacht

In der Tat hat Markus Groth der Stadtverwaltung empfohlen, einen Informationsflyer zu erstellen. So, wie es für Bleckede bereits gemacht wurde. Dort ist eine Checkliste aufgeführt, die dazu dienen soll, jeden Hauseigentümer für die mögliche Gefährdung seiner Immobilie zu sensibilisieren. Motto: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt. Gefragt werden Dinge wie „sind Bodenabläufe, Toiletten oder auch Waschbecken gegen Rückstau gesichert? Sind eingebaute Rückstauventile funktionsfähig? Sind Kellerschächte wasserdicht und hoch genug? Besteht ein ausreichend hoher Abstand zwischen Boden und Kellerfenstern?“.

Zudem gibt es reichlich Tipps. So sollten sich alle Familienmitglieder über Lage und Funktionsweise der Hauptschalter für Wasser, Strom,Heizung, Gas, Öl und Absperrventile im Klaren sein, wertvolle und unersetzliche Gegenstände als auch Chemikalien natürlich nicht in durch Hochwasser gefährdeten Bereichen gelagert werden. Und: Regelmäßig Rückschlagklappen, Hebeanlagen, Pumpen, Schieber sowie Kanalzuläufe und -abläufe kontrollieren.

Dringend den Energie-Ausweis des Gebäudes zeigen lassen – auch als Mieter

Aber die Gefährdung durch Umwelteinflüsse ist nicht das einzige Kriterium, eine Immobilie anders zu bewerten als noch vor ein paar Jahren. „Langfristig ist damit zu rechnen, dass Gebäude mit schlechten energetischen Eigenschaften die Auflage erhalten, energetische Sanierungsmaßnahmen durchführen zu müssen“, heißt es in einem Banken-Papier. Es kommen also Kosten auf den Eigentümer des Gebäudes zu.

Aber auch der Energieverbrauch einer Immobilie und die CO2-Emission spielen eine Rolle. „Ich kann nur jedem Interessenten raten, sich den Energieausweis vorzeigen zu lassen, auch wenn man privat zur Miete wohnt. Anhand des Verbrauches fällt eine CO2-Abgabe an. Jetzt liegt sie pro Tonne CO2 bei 30 Euro, das steigt bis 2026 auf 60 Euro. Der Vermieter zahlt nach einem Stufenmodell nachher 95 Prozent der CO2-Abgabe. Auch das müssen wir in der Wertermittlung berücksichtigen“, sagt Christian Henkel.