Geesthacht. Er suchte die Konfrontation und sagte mutig seine Meinung: Nach 21 Jahren verlässt Sven Minge die Geesthachter Kommunalpolitik.
Als es in der konstituierenden Sitzung der Geesthachter Ratsversammlung nach der Kommunalwahl am 23. Juni um die Verabschiedung von ausgeschiedenen Mitgliedern ging, fehlte der Name Sven Minge (CDU). Der frühere Ortsvorsitzende (2011-14) und langjährige Kommunalpolitiker weilte im Urlaub. Das zeigt, wie sehr sich sein Fokus inzwischen verschoben hat. Nach fast 21 Jahren hat sich der 48-Jährige von der aktiven politischen Arbeit zurückgezogen.
Die Ehrung hat Bürgervorsteher Arne Ertelt (CDU) inzwischen heimlich, still und leise nachgeholt. Auf eine große Bühne in der kommenden Ratsversammlung am 8. September legte Minge explizit keinen Wert. „Ich habe in 21 Jahren genug geredet“, sagte er. Fortan will sich Minge voll auf seine Aufgabe als Geschäftsführer des Kreisfeuerwehrverbandes (KFV) Herzogtum Lauenburg konzentrieren.
Ratsherr Sven Minge verlässt die Geesthachter Politik
Diesen Posten hatte er im Mai 2019 übernommen. „Aus beruflichen Gründen sehe ich mich nicht mehr in der Lage, dem hohen Anspruch zur Kommunalpolitik mit zahlreichen Sitzungen und Versammlungen gerecht zu werden“, erklärte Minge, der sich bereits in der abgelaufenen Wahlperiode zurückgenommen hatte.
Der ehrenamtlichen Geesthachter Politik geht damit ein Charakterkopf verloren, der nie den verbalen Schlagabtausch scheute. „Ich habe es mit Herzblut gemacht. Dabei bin ich teilweise auch übers Ziel hinausgeschossen“, räumt er rückblickend ein und nennt beispielsweise die Debatten um einen möglichen Neubau des Jugendzentrums „Düne“.
Eine verbale Watsch’n von Robert Habeck „das war der Ritterschlag“
Minge: „Für mich stand immer die Sache im Vordergrund und meine Position nachhaltig zu vertreten.“ Mit wem er sich anlegte, darauf nahm er keine Rücksicht. Etwa als er sich vergeblich für den Bau eines Laufwasserkraftwerkes am Geesthachter Wehr einsetzte und sich 2013 als damaliger Vorsitzender des Geesthachter Umwelt- und Energieausschusses einen öffentlichen Schlagabtausch mit dem damaligen schleswig-holsteinischen Umweltminister und heutigen Vizekanzler Robert Habeck lieferte. „Eine Watsch’n aus Kiel, das war der Ritterschlag“, so Minge.
Hintergrund: Die spätere Schaffung eines Laufkraftwerkes zu ermöglichen, war beim Bau der Staustufe in den 1950er-Jahren bereits berücksichtigt worden. Die CDU hat das Thema heute weiter in ihrem Wahlprogramm.
Zwischenzeitlich auch mit eigener Partei angelegt
Zuletzt schaltete er sich in der Diskussion um fehlende Hausärzte in Geesthacht ein und stellte dabei die zeitgemäße Aufstellung der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein infrage.
Wenn es aus seiner Sicht sein musste, suchte Minge nicht nur die Konfrontation mit Bürgermeister Olaf Schulze (SPD) sondern sogar mit der eigenen Partei. So geschehen 2018, als er nach einer Diskussion um die Besetzung von Ausschussposten der CDU-Fraktion den Rücken kehrte und bis 2020 mit seiner damaligen Frau Christina Minge eine eigene Fraktion (Pro Geesthacht) gründete.
Respekt vom politischen Gegner: „Konnte auch einstecken“
Das bringt ihm trotz aller Auseinandersetzungen den Respekt auch von den politischen Gegnern ein. „Sven Minge hat seine Meinung nicht hinter dem Berg gehalten. Das schätze ich an ihm. Er besitzt politischen Instinkt und gehört zu den wenigen, die nicht nur austeilen, sondern auch einstecken können“, betont die SPD-Fraktionsvorsitzende Petra Burmeister.
Und Ali Demirhan von den Grünen ergänzt: „Sven Minge war mit Leib und Seele dabei. Wenn er etwas zugesagt hatte, konnte man sich darauf verlassen. Solche Typen wie er werden in der Ratsversammlung leider immer weniger.“ Für die Christdemokraten hob Arne Ertelt, der zeitgleich mit Minge vor 21 Jahren begonnen hat, dessen starkes Engagement für die Geesthachter Bürger hervor. „Sven hat Spuren hinterlassen“, so Ertelt.
Der ausgebildete Sozialversicherungs-Fachangestellte und frühere Geschäftsführer beim Arbeiter-Samariter-Bund Geesthacht (bis 2017) war 2003 erstmals in die Ratsversammlung Geesthacht eingezogen. Von 2003 bis 2008 saß er für die CDU auch im Kreistag. 2015 wollte er sich für den schleswig-holsteinischen Landtag aufstellen lassen, zog aber gegen Andrea Tschacher den Kürzeren.
Minges Steckenpferd: Der Sozialausschuss
Dem Ortsverband der Jungen Union stand Minge von 2003 bis 2004 vor. Neben dem Umweltausschuss war er auch lange Mitglied im Geesthachter Sozial- und Bildungsausschuss. „Mein Steckenpferd“, so Minge. Von 2016 bis 2021 stand er dem Stadtjugendring vor. Seit Ende 2012 ist Minge auf Vorschlag des Kreistages als ehrenamtlicher Richter beim Oberverwaltungsgericht Schleswig tätig und ab 2019 auch in Freiwilligen Feuerwehr. Als Geschäftsführer des KFV ist er derweil für die Verwaltung zuständig.
„In den 21 Jahren habe ich viele Dinge gelernt, mit denen man sonst nie in Kontakt kommt. Wer beschäftigt sich privat schon freiwillig damit, wie Klärwerke funktionieren und welche Rechtslagen eingehalten werden müssen“, sagt Minge. Sein Appell lautet daher: „Trotz der gestiegenen Aggressivität gegenüber Politikern und der allgemein schwierigen Rahmenbedingungen, ermutige ich dennoch alle zum Mitmachen und Mitgestalten in unserer unverzichtbaren Demokratie.“
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Er selbst wolle die Entwicklung und politische Debatten „interessiert und aufmerksam“ verfolgen. „Vielleicht werde ich irgendwann noch mal das Wort ergreifen. Man soll ja nie nie sagen“, schließt Minge. Dass er dies in der laufenden Wahlperiode tut, ist aber zumindest unwahrscheinlich. Auf der Nachrückerliste der CDU steht er bewusst nur an 22. und damit drittletzter Stelle.