Geesthacht. Einst errechnete Kosten sind längst überholt, wurde auf einem Infoabend klar. Und die Gegner des Vorhabens machen mobil.
Nur zwölf Stunden nach dem Informationsabend zum Thema Geesthachter Bahnanschluss gibt es etwas Neues auf der Facebook-Seite der Projektgegner: Zu ordern für 20 Euro ist nun ein Banner. Hinter dem Querbalken eines Durchfahrt-Verboten-Schildes ist ein Zug zu erkennen. Die Protestgrafik haben die Kritiker erstellt, um mit ihr an Zäunen, Fenstern oder im Garten Flagge zu zeigen.
Ein deutliches Zeichen dafür, dass die von den Geesthachter Grünen im Oberstadttreff organisierte Veranstaltung die Sorgen der Anwohner zwischen Geesthacht und Bergedorf nicht zerstreut hat. Frank Schmidt hatte die Gruppe „Nein zur Reaktivierung der Bahnstrecke Bergedorf-Geesthacht“ auf der Internet-Plattform 2015 ins Leben gerufen.
Reaktivierung der Bahnstrecke Geesthacht-Bergedorf umstritten
Der Börnsener war einer der Besucher des Abends, wie auch viele andere Kritiker. Das wurde immer wieder am Applaus deutlich, der aufbrandete, wenn Ergebnisse aus der Machbarkeitsstudie von Gästen aus dem Saal kritisch hinterfragt wurden. Auf dem Podium standen ÖPNV-Experte Gerhard Boll von den Geesthachter Grünen und der mit der Planung befasste Lukas Knipping von der Nah.SH Rede und Antwort.
Der Saal hätte 150 Leute gefasst, die Grünen wollten aus organisatorischen Gründen diesmal nur etwa 60 Teilnehmer nach Anmeldung dabei haben. Bei der vorigen Veranstaltung im Geesthachtmuseum mit Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks als Gastredner am 2. Mai war der Saal proppevoll gewesen, viele weitere Menschen begehrten draußen Einlass.
Anschlussgegner besprachen bei Treffen ihre weiteren Pläne
„Wir sind mit 20 bis 30 Leute da“, hatte Frank Schmidt im Vorfeld angekündigt. Die Anschlussgegner hielten am Dienstagabend selbst eine Sitzung ab. Die Banner sind nur ein Vorgeschmack auf das, was noch geplant ist im Jahresverlauf. So wollen die Gegner nach der Sommerpause in die Offensive gehen, in Bergedorf, Börnsen, Escheburg und Geesthacht mit Infoständen für ihre Sache werben. Und auch im schleswig-holsteinischen Verkehrsministerium werden sie vorstellig. „Am 6. September ist ein Termin bei Staatssekretär Tobias von der Heide in Kiel“, sagt Frank Schmidt.
„Wir haben ausrechnen lassen, wie viele Menschen in einem Abstand von bis zu 100 Metern auf den 14 Kilometern entlang der Strecke wohnen“, berichtet Frank Schmidt: „Für rechnerisch 7500 Menschen wird das Wohnen schlechter, damit 7500 besser pendeln können?“ So viele Fahrgäste täglich erwartet die Machbarkeitsstudie. Frank Schmidt stellt den volkswirtschaftlichen Nutzen infrage.
Steht der volkswirtschaftliche Nutzen auf der Kippe?
Und ganz konkret um diesen gehe es, soll das Projekt eine Chance auf Förderung durch den Bund haben, stellte Lukas Knipping noch einmal klar. Nur wenn der volkswirtschaftliche Nutzen die Kosten übersteigt, ist eine Förderung von 90 Prozent durch den Bund möglich. Was passiert, wenn die Förderung nicht kommt, ist offen.
In der im Jahr 2020 vorgelegten Studie wird bei der Variante zum Bergedorfer Bahnhof mit Herstellungskosten von 73,3 Millionen Euro und jährlichen Betriebskosten in Höhe von 17,1 Millionen Euro ausgegangen. Eine teurere Variante inklusive Durchbindung zum Hamburger Hauptbahnhof – die wegen der Überlastung des Bahnhofs zumindest im ersten Aufschlag nicht kommen wird – und einer Brücke über den Weidenbaumsweg schlug damals mit Preisen von 102,9 Millionen Euro und Betriebskosten in Höhe von 20,3 Euro Millionen zu Buche.
Was machen Rettungskräfte bei geschlossener Schranke?
Summen, die nicht mehr zu halten sein dürften. „Zahlreiche Annahmen sind nicht mehr aktuell, müssen neu überprüft werden“, meinte denn auch Lukas Knipping bei seinem Vortrag. Er wies darauf hin, dass es fast derselbe sei, den er bereits im Oktober 2022 im KTS gehalten habe. „Es hat sich nicht so viel verändert“, meint er. Nur wünsche Hamburg nun einen weiteren Haltepunkt im östlichen Bereich der Strecke. Bereits in den 1950er-Jahren hatte es im Bereich des Curslacker Heerweges einen Zustieg gegeben.
Auch die Ängste der Anwohner der Strecke sind die gleichen geblieben. Sie fragten nach Lärmschutz und der Geschwindigkeit, ein Gast aus den Vierlanden fürchtete, dass das Landgebiet bei Rettungseinsätzen verzögert erreicht würde, wenn die Schranken unten seien. Andere sind auf Busse angewiesen und glauben, dass Linien ausgedünnt oder eingestellt würden, wenn eine Bahn fährt. Und: Die betroffenen Kreuzungen in Bergedorf seien viel zu stark befahren, um mit einer Schranke versehen zu werden.
Gleisstrecke ist zugelassen für Güter- und Personenverkehr
Die Sorgen vermochten weder Gerhard Boll noch Lukas Knipping auszuräumen. Auch deshalb nicht, weil diese Dinge aktuell alle in der Untersuchung seien, sagte er. „Wir sind planerisch in der Leistungsphase eins“, betonte Lukas Knipping mehrfach. Es laufe eine Vorplanung, „das Projekt ist noch kein Projekt, sondern eine Projektidee“. Wenn diese Phase 2024 abgeschlossen ist, werden die Ergebnisse betrachtet, und es geht in die nächste Stufe.
Gerhard Boll zog trotzdem ein positives Fazit. Und er stellte klar, dass die Gleisstrecke weiterhin vollwertig und nicht nur für den Güterverkehr noch zugelassen ist. In Sachen Kosten-Nutzen-Verhältnis ist er nicht bange: „Mittlerweile werden auch Kosten berücksichtigt, die entstünden, wenn eine Maßnahme nicht gemacht wird“, erklärt er. „Solche, die durch den dann nicht reduzierten Autoverkehr oder auch die Unfallfolgekosten entstünden.“
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Gerhard Rösler und Knut Wiese von der Arbeitsgemeinschaft Geesthachter Eisenbahn nutzten die Gunst der Stunde und vereinbarten mit Lukas Knipping einen Gesprächstermin. Für sie geht es darum, die Zukunft der historischen Dampflok Karoline zu erörtern, die auf der Strecke regelmäßig ihre touristischen Sonderfahrten durchführt. Die übrigens sind auch bei den Gegnern des Bahnanschlusses beliebt.