Geesthacht. Nach einer schweren Krebserkrankung verwirklichte sich der Geesthachter den Traum vom Singen. Er trat schon in der Laeiszhalle auf.

Gesungen hat Siggi Heinke schon immer für sein Leben gern. Am liebsten wäre der älteste aktive Sänger der Geesthachter Liedertafel Opernsänger geworden. Doch erst nach einer überstandenen schweren Krebserkrankung 1990 verwirklichte sich der heute 84-Jährige aus Grünhof seinen Traum vom Singen, trat anschließend unter anderem in der Hamburger Laeiszhalle auf. „Er ist der Hans Albers aus Geesthacht“, sagt Thomas Gebensleben von der Geesthachter Liedertafel.

Denn am liebsten singt Siegfried Heinke, wie er richtig heißt, Seemannslieder. So zum Beispiel am Sonntag, 26. März, wenn er neben anderen lokalen Musikern wie Jan-Michael Rogalla oder Jens Gutzmann beim Musiknachmittag des Bürgervereins Grünhof-Tesperhude und der St.-Thomas-Gemeinde in der Kirche auftritt (Beginn 13 Uhr, Westerheese 17). Bei den jeweils 15-minütigen Darbietungen ist Heinke gleich zweimal an der Reihe, einmal mit den Shanty-Boys und einmal mit Hans-Martin Bauschke am Klavier.

Wie Vorbild Hans Albers singt Heinke gern Seemannslieder

Siggi Heinke ist der Hans Albers aus Geesthacht. Der Grünhofer singt in mehreren Chören und Gruppen, aber am liebsten Seemannslieder.
Siggi Heinke ist der Hans Albers aus Geesthacht. Der Grünhofer singt in mehreren Chören und Gruppen, aber am liebsten Seemannslieder. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Über den Musiklehrer Urban von der Buntenskampschule kam Siggi Heinke (Jahrgang 1938) nach dem Zweiten Weltkrieg zum Singen. Er war auch im St.-Barbara-Kirchenchor unter Hannes Kaminski, wo er zunächst den Kastraten-Tenor und nach dem Stimmbruch den Bassbariton gab. „Ich habe schon in der Schule Opern gesungen. Auch mein erstes Geld habe ich mit zehn Jahren mit Singen verdient. Für ,Die Capri-Fischer’ habe ich in Krukow 50 Pfennige bekommen“, erinnert er sich.

Doch eine teure Gesangsausbildung konnte sich seine alleinerziehende Mutter nach dem Zweiten Weltkrieg nicht leisten. Der Vater war von den Nazis im KZ ermordet worden. Er war für den Spruch „Mach das Scheiß-Rundfunkgerät aus, wenn der Goebbels redet“ angeschwärzt worden und starb drei Tage nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944.

Schiffsbauer bei Menzer anstatt Karriere als Opernsänger

Später floh seine schwangere Mutter zusammen mit dem Bruder aus Ostpreußen übers zugefrorene Haff über die Ostsee. Sie wohnten zunächst in Krukow (Kreis Herzogtum Lauenburg), zur Schule ging er in Juliusburg. „In einer Klasse mit 60 Schülern von der 1. bis zur 4. Klasse. Da hat man nicht viel gelernt“, blickt Heinke zurück. Später gewann die Familie bei einer Hausbau-Lotterie 6000 D-Mark und finanzierte damit ein Haus am Forstweg in Geesthacht. Später zog er nach Grünhof um.

Anstatt Opensänger wurde Siggi Heinke Schiffsbauer bei der Menzer Werft in Geesthacht. Später, als Schlosser, ging es oft auf Montage. „Ich habe den Rendsburger Autotunnel und drei Atomkraftwerke, darunter das Kernkraftwerk Krümmel, mit aufgebaut“, blickt er zurück. Zeit fürs Singen blieb da wenig. „Ich habe immer auf dem Kran gesungen. Für einen Chor oder Verein hatte ich keine Zeit“, sagt er.

Der Arzt gibt ihm eine Überlebenschance von fünf Prozent

Das änderte sich schlagartig, als bei ihm 1990 Krebs diagnostiziert wurde. „Die Ärzte gaben mir nur noch eine fünfprozentige Überlebenschance“, sagt Heinke. Doch er überstand die Krankheit, brauchte gleichwohl allein drei Jahre, um wieder richtig gehen zu können. Hernach war er zu 100 Prozent erwerbsgemindert und widmete sich fortan ganz seiner Leidenschaft. Heinke: „Ich konnte mir endlich meinen Traum erfüllen.“

Mit vier anderen Mitgliedern der Geesthachter Liedertafel, in die er bereits 1988 eingetreten war, sang er um die Jahrtausendwende zusammen mit dem Hamburger Operettenchor vor 2000 Leuten in der Hamburger Laeiszhalle. Später kamen aufwendige Aufnahmen für Weihnachtskonzerte beim Norddeutschen Rundfunk hinzu.

Neben der Liedertafel singt und sang Siggi Heinke noch in mehreren anderen Chören und Gruppen. Gemeinsam mit Olaf Fries (Gründer Zigarren Fries) oder dem früheren Tierarzt Rupert Hunsdörfer waren sie „Die Blauen Jungs“. Heute probt Heinke mit den „Kielschweinen Lauenburg“ immer freitags im örtlichen Hotel Bellevue. Zudem singt er Seemannslieder mit den Shanty-Boys sowie regelmäßig bei der Geesthachter Liedertafel.

Geesthachter Liedertafel kürt den „Sänger des Jahres“

Die Geesthachter kürte Thomas Gebensleben (links) zum Sänger des Jahres 2023. Den Pokal erhält er von seinem Vorgänger Hans-Jürgen Lechel (Preisträger 2020).
Die Geesthachter kürte Thomas Gebensleben (links) zum Sänger des Jahres 2023. Den Pokal erhält er von seinem Vorgänger Hans-Jürgen Lechel (Preisträger 2020). © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Beim Männerchor von 1862, dem ältesten Verein Geesthachts, war er 2015 der Sänger des Jahres. Diese Ehre wird den Mitgliedern nur einmal im Leben zu teil. Den neuesten Träger dieser Auszeichnung küren die Mitglieder zumeist bei ihrem traditionellen Arved-Kessler-Abend im Restaurant „Waidmannsruh“ in Grünhof. Dieses Mal übergab der letzte Preisträger vor der Corona-Pause, Hans-Jürgen Lechel (2020), den Pokal an Thomas Gebensleben weiter.

Wie so vielen anderen Chören auch ist die Zahl der aktiven Sänger in der Liedertafel während der Pandemie zurückgegangen. Von den etwa 100 Mitgliedern sind nur noch 23 aktiv. Die Geesthachter Liedertafel ist aus diesem Grund eine Chorgemeinschaft mit Cantus/Eintracht aus den Vier- und Marschlanden eingegangen. Die Geesthachter proben immer mittwochs um 18 Uhr im Gemeindesaal der Christuskirche Düneberg.

Siggi Heinke kann es mit Singen derweil gar nicht genug werden. Aus diesem Grund tauscht er auch am Sonntag beim Musiknachmittag des Bürgervereins sein rotes Sakko der Liedertafel gegen die blau-gestreifte Seemannskluft aus. Schließlich ist er der Hans Albers aus Geesthacht.