Geesthachter Liedertafel ist der älteste Verein der Stadt - Mitglieder erzählen über ein Hobby, das gut ist für die Seele

Wir schreiben das Jahr 1858, als ein Schuhmachermeister, ein Polizist, ein Uhrmacher, ein Sattler sowie drei weitere Bürger der 1500-Einwohner-Gemeinde Geesthacht beschließen: "Es gibt mehr als Arbeit, wir brauchen ein Hobby." Und das ist schnell gefunden. Denn alle sieben haben eines gemeinsam: Sie singen gern. Kurzerhand treffen sie sich regelmäßig im ehemaligen Geschäftshaus Johannsen an der Lauenburger Straße, um gemeinsam Lieder anzustimmen und legen vier Jahre später den Grundstein für den ältesten Verein der Stadt: die Geesthachter Liedertafel. Aus dem Gründungsjahr 1862 existiert sogar noch ein original Banner.

"Die Männer sangen damals unter anderem Volkslieder von Friedrich Silcher", weiß Rupert Hundsdoerfer, der selbst seit 46 Jahren Vereinsmitglied ist. "Am Anfang mussten Leute sogar Grundbesitz haben, um Mitglied zu werden." Das ist natürlich schon lange nicht mehr so. "Bei uns kann jeder einfach mal reinschnuppern. Jede Stimme zählt", sagt Thomas Gebensleben, Schriftführer des Vereins. Das Gleiche gilt auch für den Damenchor 2000 der Liedertafel, der - wie der Name schon sagt - vor 13 Jahren gegründet wurde. Das gab allerdings einen ziemlichen Aufruhr, war doch über 130 Jahre nur Männern der Zugang zum Verein gewährt.

"Über 40 Sänger sind ausgetreten", erinnert sich Hundsdoerfer. Und das obwohl noch nicht einmal ein gemischter Chor entstand, sondern zusätzlich ein Frauenchor. Doch der Verein erholte sich schnell - auch dank des weiblichen Zulaufs. Heute singen 31 Männer und 56 Frauen bei der Liedertafel. Sogar die zweite Vorsitzende des Vereins ist mit Brigitte Fokken heute eine Frau. Hinzu kommen über 60 fördernde Mitglieder.

Es ist aber nicht nur der Gesang, der die Gruppe zusammenhält, sondern auch viele gemeinsame Ausfahrten. "Wir haben Kontakte zu Chören in ganz Deutschland und über die Grenzen hinaus", erzählt Hundsdoerfer. "Man findet schnell Gemeinsamkeiten."

Gut erinnert sich der 76-Jährige noch an ein Konzert kurz nach der Wende in Boizenburg. 1000 Gäste kamen, um die Liedertafel zu hören. "Singen verbindet eben", weiß Hundsdörfer. Weil er davon überzeugt ist, stimmen ihn die Nachwuchssorgen des Vereins traurig. "Ich habe mit 15 Jahren angefangen zu singen, genau wie mein Sohn Reiner später", sagt Hundsdoerfer. Er ist das prominenteste Mitglied der Liedertafel, er spielt heute im Duo "Geier Sturzflug". Mittlerweile sei es aber schwer geworden, junge Menschen für die Liedertafel zu begeistern.

Dabei ist das Repertoire längst sehr gemischt, bei den Damen reicht es von Musical bis hin zu Schlager. Aktuell werden Lieder der Gruppe "Santiano" eingeübt. Die Proben für die Adventskonzerte haben bereits begonnen.

"Singen ist gut für das Gedächtnis und die Gesundheit", findet Thomas Gebensleben und macht Mut: "Jeder kann singen." Außerdem trage die Gemeinschaft in schweren Lebenslagen, hat Brigitte Fokken festgestellt.

So waren ihre Sangeskollegen für sie da, als ihr Mann plötzlich starb oder sie erkrankte. "Der Chor hat mich aufgefangen", sagt sie und tiefe Freundschaften seien entstanden. Außerdem sei das Singen gut fürs Gemüt: "Ich kann dabei alles vergessen, es tut mir seelisch und körperlich gut."