Geesthacht. Lange geplant, das Konzept immer wieder verändert: Jetzt kam das endgültige Aus für das Geesthachter Hochwasserhaus an der Elbe.
Optimistische Stimmen gingen vor sechs Jahren von einer Eröffnung im Jahr 2022 aus – sollte alles nach Plan laufen. Lief es aber nicht. Stattdessen wird das Projekt nun im Februar 2023 versenkt: Das sogenannte „Hochwasserhaus“, das sich Geesthacht als Tourismus-Magnet an die Elbe setzten wollte, ist Geschichte. Offiziell „auf Eis gelegt“, hieß es. Das Wort „abgesoffen“ träfe es besser. Dass es jemals wieder auf die Agenda kommt, erscheint unwahrscheinlich angesichts der Baukostensteigerungen. Für den Bau waren anfangs mal 2,5 Millionen Euro nach grober Schätzung angesetzt worden. Der Preis wäre durch das starke Anziehen der Baukosten nicht mehr zu halten gewesen.
Vielleicht gut, dass das Projekt rechtzeitig versenkt wurde, möglicherweise bleibt der Stadt so ein finanzielles Debakel erspart. In der Machbarkeitsstudie wird mit einem jährlichen Defizit des Hauses in Höhe von etwa 600.000 Euro gerechnet – auf der Grundlage, dass wenigstens 100.000 Besucher pro Jahr erscheinen. Je weniger es gewesen wären, desto höher wäre das Defizit geworden. Zum Schluss bröckelte das Interesse bereits. Nur 60 Prozent der Teilnehmer sprachen sich im August 2022 in einer Online-Befragung zugunsten des Projektes aus, 40 Prozent dagegen. Bei einer Beteiligung von unter 100 Personen.
Geesthachter Hochwasserhaus: „Ein Thema mit internationaler Ausstrahlung“
Was war nicht alles an hohen Erwartungen in das Erlebniszentrum gesetzt worden. Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) erhoffte sich als Schirmherr nicht nur eine Signalwirkung an der Elbe, sondern gleich für den ganzen Kreis und „insgesamt für unser Land“, Jürgen Wirobski, ehemaliger Vorsitzender der Wirtschaftlichen Vereinigung, legte noch eine Schippe drauf, sprach als damaliger Wirtschaftsbeirat von einem „Thema mit internationaler Ausstrahlung“.
Angesichts so vieler Vorschusslorbeeren erfolgte die Beerdigung nun sang- und klanglos. Als Tagesordnungspunkt 11 trug Bürgermeister Olaf Schulze nüchtern auf dem Hauptausschuss vor, warum die Sache nicht weiter verfolgt werden würde. Es gäbe schlichtweg keine Fördergelder, sagte er.
Erlebniszentrum sollte auf dem östlichen Gelände des Freizeitbades stehen
Das Hochwasserhaus, zunächst als Informations- und Erlebniszentrum zu den Themen Klimafolgen und Klimaanpassung geplant, war eine Idee des früheren Geesthachter Museumsleiters Wolf-Rüdiger Busch, die 2016 vorgestellt wurde. Mittlerweile hatte das Konzept eine neue Ausrichtung bekommen, berichtete Olaf Schulze. Demnach hätte die erste Studie gezeigt, dass das Gebäude machbar sei. Die zweite Studie dann aber auch, dass das Thema Hochwasser allein nicht trage. So habe man 2019 das Thema Wasser mit seinen vielen Aspekten (Starkregen, als Energieträger) in den Vordergrund gestellt mit dem Ziel, es erlebbar zu machen. Es sollte gebaut werden auf dem östlichen Gelände des Freizeitbades zusammen mit neuer Jugendherberge und DLRG-Station.
Geplant war auch eine einzigartige Inklusionsausstellung
Und das entgeht Geesthachtern und Touristen nun: Vorgesehen waren eine Dauerausstellung auf 1250 qm, eine Inklusionsausstellung (250 qm) – einzigartig und ohne Vorbild – und Platz für eine Sonderausstellung (150 qm). Draußen hätte es Outdoor-Aktionsinseln, einen Wasserspielplatz, Elbelehrpfad und Elb-Ponton auf 4000 qm Fläche gegeben.
Die „Verschmelzung von Mensch und Medium, analoger und virtueller Realität“ wäre verbunden worden mit einer Nutzung von wissenschaftlichen Live-Daten, verschiedenen Szenarien unter dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Als mögliches Publikum galten Familien, Fachpublikum, Tages- wie Urlaubsgäste, Schulen und Kitas, Menschen mit Behinderungen sowie Seniorengruppen.
Es fanden sich keine Fördertöpfe für das Projekt
Nur leider: Fördertöpfe, aus denen die nötigen Gelder fließen sollten, fanden sich keine. Trotz so namhafter wissenschaftlicher Partner wie dem Helmholtz-Zentrum, dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der Fachhochschule Kiel sowie DLRG, Deutsches Jugendherbergswerk Nordmark, Hachede Schule und Lebenshilfewerk Mölln-Hagenow und der Wirtschaftlichen Vereinigung. „In Geesthacht beginnt die Nordsee. Kooperationspartner Helmholtz hätte zeigen wollen, an was dort geforscht wird“, sagte Olaf Schulze. Unter anderem die Küstenforschung ist dort beheimatet.
Das Problem: Seit 2021 gibt es vom Kreis keine GRW-Mittel mehr. Das ist ein Förderprogramm zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur in strukturschwachen Regionen. Rund um die Metropolregion Hamburg ist hier in den Kreisen nichts mehr zu holen. Nächster Förderkreis ist Ostholstein. Beim Versuch, bei der Landesregierung wegen Fördermitteln vorzusprechen, habe es eine Tour von Tür zu Tür gegeben, berichtet Olaf Schulze.
Nach Tour durch fünf Ministerien immer noch mit leeren Taschen
Er zählt auf: Die Staatskanzlei fand es touristisch sehr gut, sah es aber im Wirtschaftsministerium besser aufgehoben. Dort erkannte man einen starken Bildungsansatz, also ging es weiter zum Bildungsministerium. Das erblickte sehr viel Umweltbildung im Konzept, verwies ans Umweltministerium. Die fanden dann, es ist doch eigentlich sehr umfassend und wäre wohl besser in der Staatskanzlei aufgehoben. „So drehten wir uns im Kreis“, sagt Olaf Schulze. Dann kamen 2022 die Landtagswahlen. Und die Taschen blieben weiter leer.
„Und bei Bundesmitteln heißt es immer, ,ist das Land dabei?’ Ist es das nicht, gibt es nichts“, ergänzte Arne Ertelt (CDU), der Vorsitzende des Hauptausschusses. „Null Fördergelder – das können wir nicht als Stadt wuppen“, zeigte er Verständnis, dass das Projekt nun erstmal nicht weiter verfolgt wird. Sven Minge (CDU) indes wollte die Hoffnung nicht aufgeben: „Das Konzept hat ein gutes Fundament. Vielleicht ist in ein bis zwei Jahren eine Förderung möglich.“
65.000 Euro für die Planung fließen in den Haushalt zurück
Nur die – gegenüber dem Projekt immer skeptische – SPD war über die Entwicklung nicht traurig: „Wir haben viele Aufgaben in der Stadt. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, sich nun auf diese Bereiche zu konzentrieren“, sagte die Fraktionsvorsitzende Petra Burmeister.
Aber eine gute Nachricht verkündete der Bürgermeister doch: Die im Dezember 2019 bewilligten 200.000 Euro, um die Planung voranzutreiben, sind nicht komplett ausgegeben worden. 65.000 Euro fließen als warmer Regen zurück in den Haushalt.