Geesthacht. Der Plan: Rund ums Thekla-Haus in Geesthacht könnten sich gut 100 Menschen weitgehend autark versorgen. Wie die Politik reagiert.

Ein autofreies Quartier für nur etwas mehr als 100 Bewohner. Auf einer Fläche in der Größe von gut 22 Fußballfeldern leben sie in innovativen Wohnformen wie Mehrgenerationen-WGs zusammen und versorgen sich weitgehend autark. Dazu für die Öffentlichkeit zugängliche Bereiche in historischen Gebäuden, in denen Kulturveranstaltungen steigen und das alles zu sozial-verträglichen Mieten in Genossenschaftswohnungen – auf dem Gelände der ehemaligen Lungenheilanstalt Edmundsthal-Siemerswalde in Geesthacht könnte ein Wohnprojekt der Zukunft entstehen.

Das Thekla-Haus steht zum Verkauf. Es ist das älteste Gebäude auf dem der Hansestadt Hamburg gehörenden insgesamt 80 Hektar großen Areal. Als die Oekogeno-Genossenschaft aus Freiburg/Breisgau im Stadtplanungsausschuss ihr Vorhaben vorstellte, stellte sich heraus, dass ihr Interesse nicht nur am 8000 Quadratmeter großen Kerngrundstück des Thekla-Hauses besteht, sondern die umliegenden Gebäude sowie ein kleines Waldstück umfasst. Insgesamt eine Fläche von 16 Hektar. Das Echo darauf aus den Fraktionen fiel weitgehend positiv aus.

Entsteht im Edmundsthal ein Wohnprojekt der Zukunft?

So könnte es rund ums Thekla-Haus einmal aussehen.
So könnte es rund ums Thekla-Haus einmal aussehen. © HA Grafik, HA Infografik, F. Hasse | Frank Hasse

„Wir wollen ein nachhaltiges, zukunftsweisenden Konzept erstellen, das Bewohner und Besucher gleichermaßen begeistert. Das Thekla-Haus soll dauerhaft öffentlich zugänglich sein“, betont Sascha Schäffer vom Planungsbüro HHBB Baubetreuung, das das Projekt mit Oekogeno erstellt hat. „Inhaltlich ist das Konzept auf starke soziale und solidarische Aspekte aufgestellt“, ergänzte Oekogeno-Geschäftsführer Joachim Bettinger. Drei Jahre habe man nach einem geeigneten Grundstück im Norden gesucht und in Geesthacht gefunden.

Das im Kolonialstil 1898 gebaute Thekla-Haus diente zunächst der Behandlung von Tuberkulose-Patienten aus Hamburg und steht heute unter Denkmalschutz. Seit Jahren steht es leer, die Türen sind zum Schutz vor Vandalismus mit Metallplatten verrammelt.

Durch Einnahmen soll Miete gering gehalten werden

In den vier Kopfbauten des H-förmigen Baus plant Oekogeno Wohnungen mit separaten Eingängen zu schaffen. Der Mittelteil mit dem großen Saal soll derweil für Kulturveranstaltungen oder Familienfeiern genutzt werden. Es soll Gewerbe wie Physiotherapie Platz finden sowie ein von der Genossenschaft betriebenes Café für Besucher. „Ohne Einnahmen rechnet es sich nicht“, betont Sascha Schäffer.

Weitere Einnahmen soll ein Laden bringen, in dem die Überschüsse der selbst angebauten Lebensmittel (Stichwort: Urban Gardening) verkauft werden. Auch ein kleine Kita soll Einnahmen generieren. Diese ist noch im ehemaligen Röntgen-Haus und soll in ein leer stehendes Haus in der Südwestecke des Grundstücks umziehen. Dort sei eine zweistöckige, rückbaufähige Parkpalette für Bewohner wie Besucher denkbar. Poller an den Eingangsstraßen sollen für die Autofreiheit sorgen.

Stellten das Projekt vor (v.l.): Regine Rega-Lindner (HHBB), Joachim Bettinger (Geschäftsführer Oekogeno) und Sascha Schäffer (HHBB).
Stellten das Projekt vor (v.l.): Regine Rega-Lindner (HHBB), Joachim Bettinger (Geschäftsführer Oekogeno) und Sascha Schäffer (HHBB). © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Weiteres Gewerbe, aber auch weitere Wohneinheiten sind in den übrigen Bestandsgebäuden geplant. Zudem ist ein Neubau mit knapp 20 Wohnungen vorgesehen. Alles in allem sind etwa 45 Wohneinheiten angedacht. An einem zu bauenden Wendehammer könnten privat organisierte Kleinbusse halten. Zudem ist das Gelände über eine Buslinie an den ÖPNV angebunden. In den Wald seien „sehr behutsame Eingriffe“ nötig, vor allem um das zugewachsene Thekla-Haus herum sowie um Platz für PV-Anlagen und die Gemüsegärten zu schaffen.

Investitionsvolumen in Höhe von 19 Millionen Euro

Das Investitionsvolumen beziffert Oekogeno auf rund 19 Millionen Euro. Die Ende 2021 kalkulierte Miete von bis zu 13 Euro pro Quadratmeter müsse ob der Inflation wohl nach oben korrigiert werden. Wer ins Quartier einziehen will, muss Mitglied der Genossenschaft sein, die aber noch eine Auswahl trifft, wer den Zuschlag erhält. „Wir richten uns nach den lokalen Bedürfnissen. Das gilt für die gewünschte Durchmischung der Bewohner, als auch für die Bauvorschriften.“, sagte Bettinger. Seine Genossenschaft hat zuletzt das lange leer stehende Kloster Niddatal Ilbenstadt bei Frankfurt aus dem Dornröschenschlaf geholt.

Anschließend drückten Hermann Rosell (CDU) und Bernd Reddig (BfG) ihre Begeisterung für das Projekt aus. Dagmara Strauer (FDP) freute sich über das innovative Konzept: „In der Hafencity haben wir so etwas nicht geschafft. Da ist eine Schlafstadt entstanden.“ Timo Kohnert (Grüne) hob hervor, dass es sich um eine schöne Erfrischung im Gegenzug zum Ausschlachten von Grundstücken handele. Nur die SPD äußerte sich zurückhaltender. „Es sind zwar viele interessante Facetten, erinnert mich aber an ein kleines Dorf in der Stadt. Ein Elitenprojekt“, sagte Petra Burmeister.

Hamburg ist Eigentümer, Geesthacht hat Planungshoheit

Das Grundstück gehört der Hansestadt Hamburg. Den Verkauf regelt der Hamburger Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG). Angedacht ist eine auf 60 Jahre angelegte Erbpacht. Drei Vertreterinnen waren bei der Ausschusssitzung dabei. Verkauft werden soll nicht ohne Geesthachts Zustimmung, das ohnehin die Planungshoheit hat. Vor einer Umsetzung der Oekogeno-Pläne müsste der Flächennutzungsplan angepasst und ein Bebauungsplan erstellt werden. „Das dauert. Ich rechne mit etwa zweieinhalb Jahren. Wir müssen uns dort auch Flora und Fauna angucken“, gab Stadtplanerin Hildegard Adamofski zu bedenken. Bettinger gab einen Planungszeitraum von bis zu sechs Jahren an.