Hamburg. Leben in Metropolen wird teurer und beengter. Eine Lösung: Cluster-Wohnungen mit Gemeinschafträumen. Das steckt hinter der Idee.
Berlin hat es bereits vorgemacht – und auch in der Hamburger City sind erste Projekte gestartet. Nun wagt sich auch die Baugenossenschaft Bergedorf-Bille an einen noch jungen Wohntrend in Deutschlands Metropolen: Am jetzigen Standort der gemeinnützigen Baugenossenschaft an der Bergedorfer Straße 118-122 sollen – nach dem geplanten Umzug der Bürozentrale ins Bergedorfer Tor – sogenannte Cluster-Wohnungen entstehen. Mit einem Entwurf für solch kleinere Wohnungen, die sich mehrere Gemeinschaftsflächen teilen, hat Architektin Merle Zadeh (Studio Zadeh) jetzt einen Architektenwettbewerb der Bergedorf-Bille gewonnen.
Was zunächst wie das klassische Konzept vieler Studentenwohnheime klingt, soll vielmehr die Zukunft des Wohnens in den beengten Großstädten sein. Gemeint sind im Prinzip normale Wohnungen mit etwa einem oder zwei Zimmern mit eigenem Bad, einer eigenen Küchen-Pantry und vielleicht auch einem eigenen Balkon. Doch darüber hinaus gibt es Gemeinschaftsräume, die sich die Mieter mit ihren Etagennachbarn teilen: eine großzügige Wohnküche, ein geräumiges Homeoffice, je nach Ausgestaltung auch Gäste- und Kinderspielzimmer. Dafür zahlen alle eine anteilige Miete.
Cluster-Wohnungen: Diese Idee überzeugt die Bergedorf-Bille
Schon länger ist die Baugenossenschaft Bergedorf-Bille auf der Suche nach einem tragfähigen Konzept für ihr altes Bürogebäude an der Bergedorfer Straße. Zunächst war ein Neubau geplant, vielleicht mit Läden im Erdgeschoss. Doch weil „es hier an der B5 wenig Laufkundschaft gibt“ und auch weil ein Neubau wenig klimafreundlich wäre, wie Vorstand Marko Lohmann sagt, hat die Baugenossenschaft noch mal „alles auf Null gesetzt“. Fünf Architektenbüros wurden beauftragt, sich ganz neu Gedanken zu machen und frei über Neubau oder Altbausanierung zu entscheiden. Am meisten überzeugten dann die Ideen von Merle Zadeh.
„Uns war schnell klar, dass wir möglichst viel vom Altbau nutzen wollen, auch um CO2 zu sparen“, sagt die Architektin. Ihr Plan sieht vor, den Altbau zu sanieren und mit einer Holzkonstruktion aufzustocken. Das Haus soll zudem neu gedämmt werden, einen schönen Innenhof zur Rückseite bekommen, überwiegend barrierefrei sein und Erdwärme sowie Fotovoltaik nutzen. „Außerdem ging es darum, das Gebäude sensibel in die Umgebung einzufügen“, denn angrenzende Ensembles stehen unter Denkmalschutz. So ändert sich äußerlich nicht allzu viel – im Inneren halten jedoch neue Ideen Einzug.
Das Studio Zadeh plant eine noch nicht genau festgelegte Anzahl an kleinen, autarken Wohnungen, die sich großzügige Gemeinschaftsräume teilen. Etwa 2500 Quadratmeter Nutzfläche soll es geben – das sind die bereits vorhandenen drei Etagen plus zwei neue Staffelgeschosse aus Holz.
Neuer Wohntrend: Herzstück ist eine Gemeinschaftsküche
Allein für die Beschreibung des Architektenbüros kann sich Marko Lohmann, Vorstand der Bergedorf-Bille, begeistern. „Sie wurde aus der Sicht der künftigen Bewohner geschrieben“, sagt er. Fiktive Genossenschaftsmieter berichten darin von dem Leben in ihrem schönen Haus, das „früher mal ein Büro war“. Erzählt wird von Abenden auf dem Gemeinschaftsbalkon oder in der großen Küche – und dass sich trotzdem jeder in seine Wohnung zurückziehen kann, wenn ihm gar nicht nach Gemeinschaft ist. Gut gelegen seien diese Wohnungen auch, mit Schlafräumen zum Innenhof.
Das Konzept Cluster-Wohnungen hat das Studio Zadeh in dem Entwurf geradezu perfektioniert. Ein großer Wohnbereich mit Medienecke und Bibliothek, dazu Spielräume für Kinder und ein eigener Büroraum gruppieren sich etagenweise um das Herzstück, eine große Küche. Im Erdgeschoss gibt es zudem ein Foyer mit Kletterwand und Klönschnack-Ecke. Mit einem Saal sowie Seminarraum und einer Hauskantine könnte sich das Haus im bisherigen Kassenbereich auch zur Nachbarschaft öffnen, schlägt Architektin Merle Zadeh vor: „Aber der Entwurf muss ja jetzt erst im Detail besprochen werden.“
Tatsächlich stehen die Pläne noch ganz am Anfang. Die Baugenossenschaft Bergedorf-Bille, die dieses Jahr mit der Zentrale ins Bergedorfer Tor ziehen wird, möchte etwas Zeitgemäßes schaffen „das Jahrzehnte hält“, so Marko Lohmann. Cluster-Wohnungen passen in das Profil, denn die Corona-Pandemie und gestiegene Lebenshaltungskosten haben verschiedene Prozesse beschleunigt: Das Wohnen in der Metropole wird immer teurer und beengter.
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Cluster-Wohnungen könnten für Alleinerziehende interessant sein
Umso besser, wenn es bezahlbaren Wohnraum gibt, der trotzdem Platz fürs Homeoffice oder für die kleine Familie bietet – und der eine gute Nachbarschaft garantiert, in der einer mal schnell dem Anderen helfen kann. „Das Konzept könnte deshalb etwa für Alleinerziehende sehr interessant sein“, meint Marko Lohmann.
Wie das Zusammenleben in der Praxis aber genau funktionieren soll, „das ist eine der Fragen“, räumt er ein. Vieles muss bedacht werden: Wer möbliert die Gemeinschaftsräume – und zwar so, dass sie auch der älteren Dame gefallen und nicht nur dem jungen Paar? Wer kümmert sich um Pflege und Unterhalt? Und wie lassen sich mögliche Mieterwechsel verträglich gestalten?
Die Bergedorf-Bille will sich nicht drängeln lassen, aber zügig „ins Feintuning gehen“, so Lohmann. Wann das Projekt realisiert wird, mag er nicht prognostizieren: „Es ist eine ungünstige Zeit zum Bauen“, sagt er mit Blick auf steigende Zinsen und ausgebuchte Baufirmen.
Interessenten können sich trotzdem schon ein Bild machen. Alle Entwürfe des Wettbewerbs sind bis zum 27. Mai im Eingang der Bergedorf-Bille zu sehen.