Geesthacht. Am Boden des Pumpspeicherwerks lagert giftiges Sediment aus der Elbe. “Eine tickende Zeitbombe“, mahnt CDU-Politiker Pachur.
Der Stöpsel ist noch nicht gezogen. Soll heißen: In Sachen des von Vattenfall betriebenen Pumpspeicherbeckens in Geesthacht bleibt zunächst alles beim Alten. Ein gemeinsamer Antrag von Umweltbeirat und allen Fraktionen hatte im Umweltausschuss unter anderem gefordert, dass die Stadtverwaltung mit dem Betreiber und den zuständigen Behörden einen verbindlichen Terminplan zum vollständigen Abbau der Sedimentschicht im Pumpspeicherbecken vereinbart.
Hintergrund sind große Sorgen um die Dichtigkeit der 64 Jahre alten Betonwanne, in der hochgiftige Altsedimente lagern – und einer möglichen Kontaminierung des Geesthachter Trinkwassers. „Es ist eine tickende Zeitbombe“, befand Oliver Pachur (CDU), der sich federführend um den Antrag bemühte.
Oliver Pachur im Umweltausschuss: Der Betrieb war wie ein kleines Erdbeben
Besonders der Zustand des unteren Beckenbereiches ist in den Fokus geraten. „Ich habe den Betrieb vor Ort erlebt“, berichtete Oliver Pachur dem Ausschuss. „Das war wie ein kleines Erdbeben. Ob da nicht weitere Risse auftreten?“, fragte er sich in Bezug auf die Grundsohle. Bei der Frage wird es bleiben. Der Zustand des Beckenbodens ist noch nie untersucht worden und bleibt weiter ein Geheimnis.
Denn so einfach zu erledigen ist das Anliegen der Fraktionen nicht von der Stadtverwaltung. Es gibt formale Gründe: Die Stadtverwaltung sei nicht zuständig, schwante es Werner Flindt (SPD) gleich nach Verlesen des Antrags durch Oliver Pachur. „Die Verantwortung liegt beim Kreis und auch beim Land. Wir können es anschieben, die Zuständigkeit liegt woanders.“
Das bestätigte Bürgermeister Olaf Schulze: „Wir sind nicht die Aufsichtsbehörde. Wir sind eigentlich nur diejenigen, die es weiterleiten können.“ In diese Kerbe schlug auch Anette Platz vom Fachdienst Umwelt der Stadtverwaltung. Es fehle der gesetzliche Auftrag, man hätte keine Grundlagen, um Forderungen an Vattenfall zu stellen. „Es würde von uns etwas verlangt, was wir nicht machen können“, erklärte sie.
Bleibt die Entsorgung bei einer Stilllegung an der Stadt hängen?
„Nichtsdestotrotz müssen wir uns hier positionieren. Es muss eine klare Aussage her“, forderte Oliver Pachur. Nicht nur hinsichtlich der befürchteten Gefahrenlage, sondern auch im Hinblick darauf, dass nach einer Stilllegung des Pumpspeicherwerkes oder einem Betreiberwechsel die Altlast im Becken verbleibe und deren millionenteure Entsorgung irgendwann an Geesthacht hängen bleiben könnte.
Doch da muss sich Oliver Pachur gedulden. So eine Aufforderung wurde zunächst vertagt. Der Antrag soll in den Fraktionen weiterbesprochen werden. Dieser Beschluss fiel einstimmig aus.
Immerhin wurde durch eine Anfrage beim Fachdienst Wasserwirtschaft des Kreises Herzogtum-Lauenburg deutlich, in welchem Rahmen das Pumpspeicherwerk noch im Betrieb ist. „Das Pumpspeicherwerk (PSW) wird seit 2016 kaum noch betrieben. Die entnommene und eingeleitete Wassermenge betrug 2021 nur noch sechs Millionen Kubikmeter gegenüber 2015 mit 176 Millionen Kubikmetern. Selbst in den Jahren vor 2016 wurde das PSW nur noch mit stark vermindertem Umfang gegenüber den vorherigen Jahrzehnten betrieben“, heißt es in der Antwort.
Das Becken werde bei Betrieb nur selten soweit abgesenkt, dass der erzielte Wasserstand in die Nähe des unteren zulässigen Stauwasserspiegels gerate. Dies sei in den vergangenen Jahren kaum passiert. 2016, als das PSW zuletzt noch etwas häufiger betrieben wurde, seien es vier Annäherungen an den unteren Stauwasserspiegel gewesen, wobei ein Teil der Ereignisse auch auf Kontrollen der Asphaltdichtung zurückzuführen sei, teilte der Fachdienst mit.
Und noch etwas wurde im Ausschuss deutlich. Das Gift, diese Altlast aus Zeiten, als der Fluss im Bereich von DDR und Tschecheslowakei mit problematischer Industrie und ihren Abwässern bestückt war, liegt nicht nur weit oben am Geesthang im Speicherbecken.
„Dioxine werden auch in den nächsten Jahren noch kommen“
Die Gefahr durch belastete Sedimente in der Elbe ist noch längst nicht vorbei. „Dioxine werden auch in den nächsten Jahren noch kommen“, teilte Tobias Frohnert, Sprecher des Kreises, nach Rücksprache mit dem Fachdienst Abfall und Bodenschutz mit. „Es ist davon auszugehen, dass immer wieder belastete Sedimente angespült werden.“ „Das Problem ist weniger das Wasser selbst, sondern die Sedimentanteile, die nach wie vor mitgeführt werden“, erläutert Anette Platz. „Wir haben immer noch ein Sedimentproblem wegen Schadstoffen, die sich nicht abbauen, sondern über die Jahrzehnte anreichern. Auch kleine Anlagerungen können sich aufsummieren.“
Und so steckt Dioxin weiterhin in den Ufern, Stränden und Überschwemmungsgebieten an der Elbe, die in Sachen Dioxinbelastung „den größten Ausschlag gibt in Schleswig-Holstein“, sagt Tobias Frohnert. Auch die Rinderherde, die auf der Geesthachter Elbinsel grast, um eine Verbuschung zu verhindern, läuft Gefahr einer Vergiftung. Ein Verkauf des Fleisches muss angemeldet, Nieren und Leber vorher untersucht werden. Dort würde sich Dioxin anreichern.
Untersuchungsergebnisse sind erfasst in einer Dioxin-Datenbank (umweltbundesamt.de). Ein Zugriff ist aus technischen Gründen zurzeit allerdings nicht möglich.