Geesthacht. Betreiber Vattenfall hat 2015 den Abbau beantragt. Ministerium erklärt, warum die Genehmigung bis heute nicht erfolgt ist.
Es ist gar nicht lange her, dass Karsten Wulff von Vertretern der Kommunalpolitik zum Stand der Rückbaugenehmigung des Kernkraftwerks in Krümmel angesprochen wurde. Beim Neujahrsempfang der Stadt Geesthacht am Sonntag, 8. Januar, musste der Referent für regionale Kommunikation von Vattenfall noch mit den Schultern zucken. Dabei hatte der Betreiber bereits 2015 den Abbau beantragt. Nun ist Wulff schlauer.
Licht ins Dunkel gebracht hat eine kleine Anfrage des FDP-Fraktionsvorsitzenden im Kieler Landtag, Christopher Vogt. Der ehemalige Vorsitzende des Kreisverbandes Herzogtum Lauenburg wollte unter anderem wissen, wann mit einer entsprechenden Genehmigung zu rechnen sei und warum die Entscheidung so lange auf sich warten lasse. Darauf antwortete Tobias Goldschmidt, der Minister für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur (Bündnis 90/Die Grünen), schriftlich: „Die Landesregierung rechnet derzeit mit einer Genehmigung in der zweiten Jahreshälfte 2023.“
Krümmel: Was die Rückbau-Genehmigung verzögert
Dass es sich so lange hinziehe, liege an der „Komplexität eines Stilllegung- und Abbauprojektes eines Atomkraftwerks“ bedingt durch das Gefährdungspotenzial und den zu erfüllenden Anforderungen des atomrechtlichen Regelwerkes, den notwendigen umfangreichen Prüfungen von Sachverständigen und der Genehmigungsbehörde.
„Atomkraft ist auch in der Nachbetriebsphase eine Hochrisikotechnologie“, heißt es in der Antwort auf Vogts Anfrage: „Deshalb gilt es, durch einen geordneten Prozess die hohen Sicherheitsanforderungen zu jedem Zeitpunkt zu gewährleisten.“ Vattenfall habe seinen Antrag 2017 mit weiteren Unterlagen präzisiert.
Nach einer Prüfung durch unabhängige Sachverständige wurde ein Sicherheitsgutachten erstellt, das seit dem 29. Juli 2022 der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde vorliegt und das der Entscheidung zugrunde liegt. Weitere erforderliche Prüfergebnisse der Sachverständigen stünden noch aus.
Vattenfall kommentiert Ankündigung nicht
Die Reaktion von Vattenfall, von unserer Redaktion mit den neuen Erkenntnissen konfrontiert, fiel derweil spärlich aus. „Wir möchten die Ankündigung nicht kommentieren“, sagte Pressesprecherin Barbara Meyer-Bukow. Hintergrund: Der Betreiber ist ob des Zeitverzugs skeptisch. So lange wie in Krümmel zieht sich an keinem Standort eines Kernkraftwerks das Verfahren hin. Vattenfall kostet das Geld. Die jährlichen Betriebskosten liegen im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Auch Geesthachts FDP-Fraktionschef Rüdiger Tonn und Vorsitzender des Aussschusses für Bau, Umwelt, Feuerwehr und Katastrophenschutz sagt: „Die Entscheidung ist überfällig.“
So ist dann wenig verwunderlich, dass Meyer-Bukow betonte, dass, sobald eine Genehmigung vorliegt, so schnell wie möglich mit dem Rückbau und im Speziellen mit dem Abbau des Reaktordruckbehälters begonnen werden solle. „Das hängt aber von der Verfügbarkeit einer Fachfirma ab“, sagte Meyer-Bukow. Bis alle Arbeiten abgeschlossen sind, ist ein Zeitraum von 15 Jahren veranschlagt.
Kernkraftwerk frei von Brennelementen
Die Vorarbeiten laufen indes längst. Alle reversiblen Arbeiten – also was wieder hergestellt werden kann – sind weitestgehend erfolgt. So wurde bereits sogenannte „frei gemessene“ Isolierwolle, also ohne radioaktive Belastung, ins Abfallwirtschaftszentrum Wiershop verbracht.
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Überdies ist das Kernkraftwerk Krümmel frei von Brennelementen. Diese lagern in 42 Castor-Behältern am Standortzwischenlager, das neben dem Kernkraftwerk gebaut wurde. Die Genehmigung dafür ist bis 2046 erteilt. Die zuständige Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) rechnet aber damit, dass es bedeutend länger dauert, weil sich die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktive Abfälle hinzieht. Die Rede war vom Jahr 2080.
Krümmel war von 1983 bis 2007 in Betrieb
Neben dem Standortzwischenlager wird zudem eine Halle für schwach- und mittelradioaktive Stoffe errichtet, die beim Rückbau des Kernkraftwerks Krümmel anfallen. Hier steht die Betriebsgenehmigung auch noch aus. Beide sind sicherungstechnisch autark vom Kernkraftwerk.
Der einstmals größte Siedewasserreaktor der Welt war seit 1983 in Betrieb. Nach einem Brand im Trafohaus am 28. Juni 2007 stand die Anlage überwiegend still, ehe Deutschland nach der Atom-Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 den Ausstieg von der Kernenergie beschloss.