Kiel. Schleswig-Holsteins Umweltminister bezeichnet die Netzentgelte als “energiepolitischen Irrsinn“. Was er über Strompreise sagt.

Strom aus schleswig-holsteinischen Windkraftanlagen ist in Bayern billiger als dort, wo er erzeugt wird – an der Küste. Und das, obwohl er in dem einen Fall vor Ort verbraucht wird und in dem anderen erst einmal Hunderte Kilometer transportiert werden muss. Das liegt an den sogenannten Netzentgelten.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt spricht von einem „energiepolitischen Irrsinn“, der noch in diesem Jahr noch beendet werde, hofft der grüne Politiker: „Der Bund hat zugesichert, dass es in diesem Jahr eine Netzentgeltreform geben wird, die zu fairen Netzentgelten führen wird.“

Auf die Frage, ob die Menschen im Norden dieses Jahr bei den Strompreisen spürbar entlastet würden, sagte Goldschmidt: „Zumindest will der Bund die notwendigen Rechtsänderungen in diesem Jahr auf den Weg zu bringen. Dann ist nur noch die Frage offen, wann das Gesetz in Kraft tritt. Wir werden drängeln.“

Energiewende: Goldschmidt will Reform der Netzentgelte

Hamburger Abendblatt: Im Koalitionsvertrag hatten Sie vereinbart, bis zum Jahr 2030 in Schleswig-Holstein zu einer Leistung von 15 Gigawatt Windstrom zu kommen. Das wäre eine Verdopplung der Leistung gegenüber heute. Wie wollen Sie das hinbekommen?

Tobias Goldschmidt: Weit mehr als sieben Gigawatt sind bereits in Schleswig-Holstein installiert. Weitere knapp zwei Gigawatt sind genehmigt und warten darauf, dass sie von der Wirtschaft gebaut werden. Viele weitere Genehmigungen werden in den nächsten Wochen und Monaten folgen. Klar ist aber auch: Um die 15 Gigawatt zu erreichen, brauchen wir zusätzliche Vorrangflächen.

Um das Ziel hinzubekommen, müssen Sie Windräder auf rund drei Prozent der Fläche des Landes aufstellen. Aktuell sind es rund zwei Prozent. Machen Sie dabei auch vor touristischen Hotspots dann nicht mehr Halt?

Tobias Goldschmidt: Schleswig Holstein verändert sich infolge der Klimakrise und des Klimaschutzes. Die Kulturlandschaft entwickelt sich zunehmend auch zu einer Energielandschaft mit immer mehr Infrastrukturen für die Energieerzeugung und -umwandlung. Das wird unser Land prägen. Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, dass es bei der Ausweisung neuer Flächen für die Windenergie keine Denkverbote gibt. Das Einzige, was klar ist, ist, dass wir mit den Windkraftanlagen nicht näher an die Wohnbebauung heranrücken werden. Der Schutz touristischer Infrastrukturen spielt in den Planungen immer eine Rolle. Wichtig ist aber, dass wir am Ende die notwendigen Flächen zusammenbekommen. Das ist dann eine Abwägungsfrage. Ich bin sicher, dass ein schwarz-grünes Bündnis mit der gesellschaftlichen Breite gut dazu geeignet ist, solche schwierigen Abwägungsentscheidungen zu treffen.

Aber Sie wissen auch, dass die Menschen vor Ort den Ausbau der Erneuerbaren Energien in der Theorie ganz toll finden. Aber wenn die Räder dann an ihren Ort heranrücken sollen, wird die Begeisterung klein sein.

Tobias Goldschmidt: Erst mal nehme ich wahr, dass es an vielen Orten viel Begeisterung für erneuerbare Energien und die damit verbundene Wertschöpfung gibt. Und ich nehme wahr, dass infolge der Energiekrise erkannt wird, wie wichtig heimische Energieproduktion ist. Natürlich wird es nicht immer jedem gefallen, wenn neue Erneuerbaren Energieanlagen näher an einen heranrücken. Aber es gefällt auch niemandem ein Blackout, ein kaltes Wohnzimmer im Winter oder ein Atomkraftwerk in der Nachbarschaft. Insofern glaube ich, dass das Verständnis für die Notwendigkeit wächst.

Es ist eine große Ungerechtigkeit, dass der in Schleswig Holstein erzeugte regenerative Strom vor Ort teurer ist als beispielsweise in Bayern, wohin man ihn über Hunderte Kilometer transportieren muss. Wie will Schleswig-Holstein diese Ungerechtigkeit endlich abschaffen?

Tobias Goldschmidt: Es ist ein energiepolitischer Irrsinn, dass wir noch immer höhere Netzentgelte im Norden haben als im Süden der Republik, obwohl wir hier so viel zur Energieversorgung des ganzen Landes beitragen. Der Bund hat zugesichert, dass es im nächsten Jahr eine Netzentgeltreform geben wird, die zu fairen Netzentgelte führen wird. Ich freue mich noch immer darüber, dass es mir damals gelungen ist, dieses Vorhaben im Ampel-Koalitionsvertrag zu verankern und habe erst vor kurzem auch noch mal mit dem Bundeswirtschaftsminister dazu gesprochen.

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  • Aber auch beim Strommarktdesign müssen wir zu Veränderungen kommen. Dass es im Norden viel Stromangebot und vergleichsweise wenig Nachfrage gibt spiegelt sich in der Preisbildung nicht wider, und das obwohl es im Süden genau umgekehrt ist und es dazwischen Netzengpässe gibt. Der Strom im Norden muss billiger sein als im Süden. Wir brauchen mehrere Strompreiszonen in Deutschland. Das ist dringend überfällig, weil natürlich es auch sinnvoll wäre, dass sich energieintensive Unternehmen dort ansiedeln, wo Strom günstig ist und eben auch vorhanden ist. Wir brauchen mehr Markt im Energiebereich.

    Aber sie werden auf massiven Widerstand vor allen Dingen der südlichen Bundesländer stoßen. Wie wollen Sie den brechen?

    Tobias Goldschmidt: Durch gute ordnungspolitische Argumente, den strengen Blick der EU-Kommission, die die Situation ebenfalls kritisch sieht, und eine Bundesregierung die die Energiewende mit marktwirtschaftlichen Instrumenten erreichen will. Und vor allem im engen Schulterschluss mit den norddeutschen Kollegen in der Energieministerkonferenz.

    Das heißt, die erste Entlastung wird im nächsten Jahr spürbar sein für die Schleswig-Holsteiner?

    Tobias Goldschmidt: Zumindest will der Bund die notwendigen Rechtsänderungen für eine Netzentgeltreform in diesem Jahr auf den Weg zu bringen. Dann ist nur noch die Frage offen, wann das Gesetz in Kraft tritt. Wir werden drängeln.