Geesthacht. Wie bei Neujahrsbaby Ophelia setzt das Johanniter-Krankenhaus auf natürliche Geburten – obwohl ein Kaiserschnitt mehr Geld brächte.

Den Jahreswechsel hatten Julia und Jonas Isakovic noch zu zweit bei sich zu Hause in Geesthacht gefeiert. Die Nachtruhe währte dann allerdings nur kurz. Bei der werdenden Mutter setzten neun Tage vor dem errechneten Stichtag die Wehen ein. Dann ging es verhältnismäßig schnell: Bereits um 7.35 Uhr erblickte Töchterchen Ophelia im Johanniter-Krankenhaus Geesthacht das Licht der Welt. Bei der Geburt war das Neujahrsbaby 52 Zentimeter groß und wog 2970 Gramm.

„Das war ein perfekter Start ins neue Jahr“, sagt die Leitende Hebamme, Miriam Jens. Perfekt, weil es sich um eine natürliche Geburt ohne Komplikationen handelte, die für Mutter und Kind am wenigsten Stress bedeutet. Auf dem ungestörten Bindungsaufbau liegt in der seit 2012 zertifizierten babyfreundlichen Geburtsklinik das Hauptaugenmerk. Deutlich mehr Geld ließe sich jedoch mit einem Kaiserschnitt verdienen – ein Problem der Geburtstationen.

Johanniter-Krankenhaus: Finanzierung der Geburtsstationen problematisch

„Bei einer Spontangeburt ist am meisten Personal im Einsatz, doch es gibt am wenigsten Geld. Das sind Fehlanreize“, betont Klaus von Oertzen, der Chefarzt der Geesthachter Frauenklinik. Wie berichtet, zahlen die Johanniter im Schnitt pro Geburt rund 1000 Euro drauf. Bei 714 Geburten lag das Defizit also bei über 700.000 Euro. „Der Knackpunkt sind die hohen Vorhaltekosten, die ähnlich wie bei einer Intensivstation liegen“, ergänzt Katharina Steffens, die Leitende Oberärztin Gynäkologie und Geburtshilfe.

Sie sind an der Spitze der Geburtsklinik: Klaus von Oertzen, Chefarzt der Frauenklinik (Gynäkologie und Geburtshilfe, v.l.), Katharina Steffens (Leitende Oberärztin) und Miriam Jens (Leitende Hebamme).
Sie sind an der Spitze der Geburtsklinik: Klaus von Oertzen, Chefarzt der Frauenklinik (Gynäkologie und Geburtshilfe, v.l.), Katharina Steffens (Leitende Oberärztin) und Miriam Jens (Leitende Hebamme). © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Die Finanzierung der Geburtsstationen ist ein deutschlandweites Problem. In Schleswig-Holstein hat es dazu geführt, dass von einst 40 Ende der 1980er-Jahre nur noch 16 übrig geblieben sind. Zuletzt wurde im Dezember die Geburtsstation der Paracelsus-Klinik in Henstedt-Ulzburg geschlossen. Weitere Folge: Die Kaiserschnittrate im nördlichsten Bundesland ist mit rund 34 Prozent die höchste in Deutschland (Durchschnitt 31 Prozent).

Was für die Geesthachter Geburtsstation spricht

Im Vergleich dazu liegt das Johanniter-Krankenhaus 2022 mit 22,1 Prozent Kaiserschnitten deutlich unter der Quote. „Die persönliche Geburtsanmeldung, die geburtshilfliche Sprechstunde, Angebote zur Förderung einer normalen Geburt – auch für Frauen mit Kindern in Steißlage, und die große Leidenschaft der Mitarbeiter sind Faktoren, die die niedrige Rate begründen“, sagt Miriam Jens.

In Geesthacht arbeiten 15 Hebammen, 15 Kinderkrankenschwestern und ein Team aus rund 16 Ärzten. Es stehen drei Kreißsäle, ein Kreißsaal mit OP und zwei Vorwehen-Zimmer zur Verfügung. Für die Eltern stehen unter anderem 14 Familienzimmer bereit. Die familiäre Atmosphäre ist ein Argument für Eltern, sich für Geesthacht zu entscheiden. „Anders als andere Häuser weisen wir auch keine corona-positiven Frauen ab“, sagt Oberärztin Steffens.

Andere Kliniken weisen Gebärende ab

Derweil bekommt die Geesthachter Klinik die Überlastung der Geburtsstationen dadurch zu spüren, dass andere Häuser in Hamburg oder Lüneburg gebärende Mütter nach Geesthacht schicken. „Das kannten wir so bisher nicht. Die Situation hat sich dramatisch zugespitzt. Es ist ein gefährliches Zeichen, dass die Versorgung der Frauen nicht sichergestellt ist“, mahnt Klaus von Oertzen. Zudem vermissen die Fachkräfte eine angemessene Wertschätzung. „Hebammen bekommen keinen Corona-Bonus“, sagt Miriam Jens.

Die 1:1-Betreuung, sprich eine Hebamme kümmert sich um eine Schwangere, wie sie im Ampel-Koalitionsvertrag steht, entspreche vielfach nicht der Realität. „Die Vorgaben der Politik kosten Geld“, sagt von Oertzen, der eine Rechnung aus 2018 zitierte, nachdem sich Geburtsstationen erst ab 1600 Geburten jährlich rechnen würden.

Geburtenrückgang in Geesthacht liegt im Trend

Mit 714 Geburten, darunter eine Zwillingsgeburt, liegt das Johanniter-Krankenhaus Geesthacht deutlich unter den 790 Geburten in 2022, das allerdings auch das geburtenstärkste Jahr in Geesthacht seit 1997 gewesen war. Der Rückgang liegt indes im Bundestrend, der laut Statistischem Bundesamt von Januar bis August bei 8 Prozent lag. Als Gründe dafür wurden späte Impfempfehlungen für Schwangere aufgeführt, die vor allem zu einer Entscheidung gegen zweite oder weitere Kinder führten.

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Deutlich mehr Jungen als Mädchen

„Wir vermuten, dass für uns die Sperrung der Elbbrücke erschwerend hinzukommt“, sagt Miriam Jens. In Juli und August lag die Geburtsquote in Geesthacht um 25 Prozent unter dem Durchschnitt. Ähnlich wie in Bergedorf wurden deutlich mehr Jungen (392) als Mädchen (323) geboren. Die beliebtesten Namen in Geesthacht waren Klara/Clara sowie Fynn und Noah (jeweils vier). Bundesweite Favoriten sind Emilia und Noah.

Läuft derweil bei Jonas, Julia und Ophelia Isakovic alles planmäßig, können der Turntrainer vom VfL Geesthacht und seine kleine Familie bereits am heutigen Dienstag, 3. Januar, das Familienzimmer des Krankenhauses gegen die eigenen vier Wände eintauschen.

Ab dem 17. Januar (9.30-11 Uhr, Tagesraum, 3. Obergeschoss) können Mütter wieder Erfahrungen im „Stillcafé“ über Stillen und Ernährung austauschen. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, aber ein negativer Corona-Schnelltest.