Geesthacht. Bezahlbarer Wohnraum ist rar: Grüne und SPD holen sich Rat aus Norderstedt. Welche Erfahrungen der Mieterverein dort macht.

Die Mieten in Geesthacht ziehen wie eigentlich überall an. Das Niveau bewegt sich laut Mieterverein Geesthacht und Umgebung in der Stadt je nach Lage und Zustand zwischen 4,80 und 13 Euro pro Quadratmeter. Für eine der vielen Neubauwohnungen werden aber mindestens elf Euro fällig. „Gerade unsere Klienten mit kleinen bis mittleren Einkommen haben es schwer, bezahlbaren Wohnraum zu finden“, sagt die 2. Vorsitzende des Mietervereins, Petra Boockhoff.

Braucht Geesthacht deshalb einen Mietenspiegel als unterstützendes Element, zusätzlich zur städtischen Wohnungsbaugesellschaft WoGee und den 25 Prozent vorgeschriebenen Sozialwohnungen bei großen Neubauprojekten, um die Miete im Ort gering halten zu können? Diese Frage hatten sich Jens Kalke von den Grünen und Petra Burmeister (SPD) bereits vor mehr als drei Jahren gestellt und einen Antrag zur Prüfung der Einführung in die Ratsversammlung eingebracht, der im Mai 2019 angenommen wurde.

Mietenspiegel Geesthacht: Mieterverein sieht keinen Vorteil

Wegen der Corona-Pandemie dauerte es allerdings bis zur jüngsten Sitzung des Sozialausschusses, ehe das Thema wieder aufgegriffen werden konnte. Zunächst ging es darum, sich andere Erfahrungen einzuholen. Die Wahl fiel auf Norderstedt, wo es bereits seit 1980 einen Mietenspiegel gibt.

Dem Ausschuss standen Verwaltungsmitarbeiter Richard Holstein und Kurt Plagemann vom Mieterverein Norderstedt Rede und Antwort. Ihr Fazit: Es gibt Argumente für und gegen einen Mietenspiegel. Der nicht eingeladene Mieterverein Geesthacht und Umgebung ist skeptisch. „Für unsere Mieter wäre ein Mietenspiegel nicht von Vorteil“, sagt Petra Boockhoff auf Anfrage unserer Redaktion.

Mietenspiegel ist nicht gleich Mietenspiegel

„Ein Mietenspiegel senkt nicht die Mieten“, hatte zuvor Holstein im Ausschuss betont. Und: Geförderter Wohnraum fließt nicht in die Berechnung ein. Allerdings helfe er in Rechtsfragen, ergänzte Plagemann: „Vor unserem Mietenspiegel wurde viel prozessiert. Heute können wir 98 Prozent der Fälle außergerichtlich klären.“ Dabei ist zu bedenken, dass ein sogenannter einfacher Mietenspiegel wie in Norderstedt vor Gericht nicht anerkannt werden muss. Dort hat nur ein qualifizierter Mietenspiegel Bestand.

Petra Boockhoff (links) und Christine Ritzer vom Mieterverein Geesthacht und Umgebung.
Petra Boockhoff (links) und Christine Ritzer vom Mieterverein Geesthacht und Umgebung. © Dirk Schulz | Dirk Schulz

Der Unterschied: Ein einfacher Mietenspiegel wird von der Gemeinde oder Interessenvertretern von Mietern und Vermietern erstellt und anerkannt. Ein qualifizierter Mietenspiegel muss dagegen nach wissenschaftlichen Grundsätzen und mit der Hilfe eines Instituts erstellt werden. Beide Varianten eint, dass die Zahlen alle zwei Jahre erneuert werden müssen.

Ein qualifizierter Mietenspiegel kostet jeweils einen sechsstelligen Betrag. Norderstedt hat für seinen einfachen eine Summe von 14.500 Euro plus Personalkosten in den Haushalt eingestellt. So günstig käme Geesthacht nicht davon. Hier hat die Verwaltung bereits signalisiert, dass sie diese Aufgabe nicht zusätzlich übernehmen könnte und sich (teure) externe Hilfe suchen müsste.

Wann darf die Miete erhöht werden?

Für eine Mieterhöhung kann ein Vermieter drei Gründe heranziehen: einen vorhandenen qualifizierten Mietenspiegel, eine durchgeführte Modernisierung der Wohnung oder die Benennung dreier Vergleichswohnungen, in denen die geforderte Miete bereits erzielt wird. Generell darf eine Miete nur erhöht werden, wenn sie zuvor 15 Monate lang unverändert war. Zudem darf eine Miete in drei Jahren maximal um 20 Prozent erhöht werden.

„Für die Vonovia hat ein Mietenspiegel keinen Nutzen“, ist Petra Boockhoff überzeugt. Der Immobilienkonzern mit rund 565.000 Wohnungen in Deutschland, Österreich und Schweden würde in Geesthacht entweder Modernisierungen als Grund für eine Erhöhung anführen oder drei Vergleichswohnungen anführen.

Vonovia hat 1920 Wohnungen im Bestand

In Geesthacht ist Vonovia mit 1920 Wohnungen mit Abstand größter Vermieter. „Wenn die Vonovia die Miete im Borgfelder Stieg erhöhen will, ist es für sie ein Leichtes, drei Vergleichswohnungen aus ihrem Bestand zu finden – etwa am Rothenburgsorter Weg“, weiß Boockhoff.

Wenn Mietern oft auch wenig Möglichkeiten blieben, Erhöhungen abzuwenden, könnten zumindest 80 Prozent wegen formaler Fehler zumindest aufgeschoben werden. „Das sind für den Vermieter oft einige Hundert Euro, die schon helfen“, sagt sie.

Mietenspiegel führt regelmäßig zu Erhöhungen

Vonovia-Unternehmenssprecher Olaf Frei betont derweil gegenüber unserer Redaktion: „Wir unterstützen die Mietspiegel ohne Wenn und Aber. In allen Städten und Regionen, in denen es einen qualifizierten Mietenspiegel gibt, ist er die Grundlage auch für unsere Mietverträge.“

In Norderstedt führt der Mietenspiegel – der laut Richard Holstein bundesweit der niedrigste sei – allerdings zu regelmäßigen Erhöhungen. „Es gibt Vermieter, die uns fragen, wann endlich der neue Spiegel erscheint, weil sie die Miete erhöhen wollen“, berichtete Holstein.

Jens Kalke will nach der ersten Beratung nun in der Grünen-Fraktion Vor- und Nachteile abwägen. Petra Burmeister würde in dem Projekt derweil „nicht die höchste Priorität“ sehen.

Über den Mieterverein Geesthacht und Umgebung

Der Mieterverein Geesthacht und Umgebung sitzt im Kreissparkassencenter (Bohnenstraße 1) und ist für Geesthacht, Schwarzenbek, Lauenburg, Reinbek und Umgebung zuständig. Die meisten der 1300 Mitglieder (Monatsbeitrag 10 Euro) wohnen in Geesthacht. Nach drei Monaten sind die Mitglieder über den Verein rechtsschutzversichert. Persönliche Beratungen mit einer Fachanwältin für Mietrecht sind nach vorheriger Vereinbarung mittwochs ab 18 Uhr möglich. Telefonische Sprechzeiten unter der Nummer (04152) 70 82 5 sind mittwochs und freitags von 9.15 bis 11.30 Uhr.