Hamburg. Bis zu 180.000 Haushalten drohen steigende Preise. Vereine raten, die Schreiben der Vermieter immer genau zu prüfen.

Beim Hamburger Mieterverein hören die Anfragen derzeit nicht auf. „Unser Rechtstelefon klingelt pausenlos“, sagt Sylvia Sonnemann, Geschäftsführerin von Mieter helfen Mietern. Der Grund: In diesen Tagen stecken massenhaft Ankündigungen über Mieterhöhungen in den Briefkästen – bis zu 180.000 Hamburger Haushalte sind betroffen.

Schuld daran ist der aktuelle, im Dezember veröffentlichte Mietenspiegel, in dem der höchste Anstieg seit 20 Jahren verzeichnet wurde. Diese Nachricht hätte Hamburgs Vermieter geradezu dazu animiert, weiter kräftig zu erhöhen, so Sonnemann. „Viele schicken jetzt einfach eine Erhöhung raus, ohne die Wohnung sorgfältig in die Preisspanne einzuordnen.“

Wohnung mieten in Hamburg: Mieterhöhungen genau auf Zulässigkeit prüfen

In zahlreichen Fällen sind die geplanten Mieterhöhungen nach Ansicht der Mietervereine demnach nicht in Ordnung. Das betreffe aktuell etwa die Hälfte der von Mitgliedern gestellten Anfragen, so Rolf Bosse, Geschäftsführer und Vorstand des Mietervereins zu Hamburg. Zum Teil gehe es nur um wenige Euro, der andere Teil seien aber gravierende Fälle. „Da nehmen Vermieter einfach den oberen Wert des Mietenspiegels als ortsübliche Vergleichsmiete, obwohl die Miete ohnehin schon überdurchschnittlich ist“, sagt Bosse. „Das ist schon frech.“

Bosse nennt ein Beispiel aus Winterhude: Die Altbauwohnung mit knapp 70 Quadratmetern kostet derzeit 930 Euro kalt und liegt damit bereits über dem Mietenspiegel-Mittelwert für diese Art der Wohnung in gehobener Wohnlage von 847 Euro. Jetzt verlangt der Vermieter monatlich 40 Euro mehr. Begründung: Die Wohnung habe eine gute Verkehrsanbindung, das Haus eine sanierte Fassade, es gebe Kabelanschluss, eine Gegensprechanlage und einen Wohnungswasserzähler. „Abgesehen davon, dass Wohnungswasserzähler gesetzlich vorgeschrieben sind, handelt es sich hier nicht um eine überdurchschnittliche Ausstattung“, sagt Bosse. „Wir haben die Erhöhung komplett zurückgewiesen.“

Die Mietervereine raten allen Betroffenen dazu, die geforderte Mieterhöhung immer zu prüfen – im Zweifel mithilfe der Experten. „Wir rufen dazu auf, nicht einfach mitzumachen – natürlich um selbst nicht mehr zu bezahlen als notwendig, aber auch im Sinne der Gemeinschaft“, sagt Sylvia Sonnemann von Mieter helfen Mietern. „Alle Erhöhungen, die jetzt einfach durchgehen, erhöhen den nächsten Mietenspiegel umso mehr.“ Der Hamburger Mietenspiegel wird alle zwei Jahre erhoben. Seit 2019 ist die durchschnittliche Netto-Kaltmiete demnach um 7,3 Prozent gestiegen, also um 63 Cent auf 9,29 Euro pro Qua­dratmeter.

Hamburg: Stadtentwicklungssenatorin appelliert an Vermieter

Auch wenn es für Laien nicht immer einfach sei, ungerechtfertigte Erhöhungen zu erkennen, könnten Mieter sich doch an folgenden Punkten orientieren: Die Miete muss mindestens 15 Monate unverändert bleiben, und eine Erhöhung darf frühestens ein Jahr nach der letzten Erhöhung angekündigt werden. Zudem gilt die sogenannte Kappungsgrenze, wonach die Miete in drei Jahren maximal um 15 Prozent steigen darf.

Ansonsten gilt: „Liegt die Erhöhung über dem Mittelwert des Mietenspiegels, muss diese begründet sein, die Wohnung also besondere Vorzüge haben“, so Rolf Bosse. Unter „besonders“ seien aber beispielsweise nicht ein Balkon, isolierverglaste Fenster oder ein Abstellraum zu verstehen – so etwas ist in Hamburg Standard.

„Jeder Vermieter sollte genau überlegen, welche Miethöhe angemessen ist“

„Gut und bezahlbar zu wohnen, ist ein existenzielles Grundbedürfnis der Menschen“, heißt es aus der Stadtentwicklungsbehörde. Deshalb appelliere Senatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) an die Vermieter, „ihrer sozialen Verantwortung nachzukommen und Mieterhöhungen nur maßvoll und in der Sache begründet vorzunehmen“. Gleichzeitig werde der Senat weiterhin alle Möglichkeiten nutzen, um die Mieter zu schützen. So wende Hamburg konsequent die Kappungsgrenze an und unterstütze die Bundesregierung bei ihrem Ziel, mögliche Mieterhöhungen weiter auf maximal elf Prozent in drei Jahren zu begrenzen.

Auch der Grundeigentümer-Verband Hamburg von 1832 e. V. appelliert: „Auf jeden Fall sollte sich jeder Vermieter genau überlegen, welche Miethöhe für sein Objekt angemessen ist“, sagt der Vorsitzende Torsten Flomm. „Einfach nur den Mittelwert des Rasterfeldes oder gar den Höchstwert zu verlangen, ist sicher zu kurz gesprungen.“

Hamburger Genossenschaften: Mieten werden nur moderat erhöht

So problematisch wie die Mietervereine schätzt Flomm die Situation allerdings nicht ein. „Ich gehe davon aus, dass in der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle sich Vermieter und Mieter auf eine angemessene Mieterhöhung verständigen werden“, sagt er. Es sei zwar richtig, dass die Mieten in einigen Rasterfeldern des Mietenspiegels, denen die Wohnungen je nach Lage, Ausstattung, Alter und Größe zugeordnet werden, deutlich gestiegen sind. Extreme Steigerungen gebe es aber nur in wenigen Rasterfeldern, in zahlreichen habe sich gar nichts Nennenswertes getan.

Die Mieten nur moderat zu erhöhen kündigten die Hamburger Genossenschaften an. Man orientiere sich nicht am Mietenspiegel, sondern an der Entwicklung der realen Bewirtschaftungskosten für Wohnraum, heißt es in einer Mitteilung des Vereins Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften.

Hamburgs Mieter, die diesen Monat eine Mieterhöhung erhalten, haben bis Ende März Zeit, ihrem Vermieter zu antworten. Bis dahin wird bei den Mietervereinen noch oft das Telefon klingeln.