Lauenburg. Vieles soll laut Bundesverband künftig digitalisiert werden. Einige der meist älteren Ehrenamtlichen könnten dann das Handtuch werfen.
Immer mehr Kunden, immer weniger Lebensmittel und kaum noch Freiwillige, die die Arbeit machen wollen: Die Lauenburger Tafel ist seit Jahren am Limit. Jetzt kommt ein anderer Aspekt hinzu, der das Aus des Vereins bedeuten könnte: Der Bundesverband setzt auf Digitalisierung. Der Plan: Künftig werden sich die Tafeln über eine Online-Plattform vernetzen und so den Warenaustausch regeln. Auch Koordination der Fahrten, Personaleinsatz und Abrechnung sollen über dieses Programm laufen.
„Das ist gut gemeint und sicher auch der künftige Weg. Aber für kleine, selbst organisierte Tafeln ist das nicht zu leisten“, fürchtet die Lauenburger Vorsitzende, Friederike Betge. Um das Programm in allen Modulen nutzen zu können, bietet der Bundesverband mehrmonatige Schulungen an. „Unsere ehrenamtlichen Helfer sind zum großen Teil im Rentenalter. Sie sind motiviert zu helfen, aber nicht um Computerschulungen zu absolvieren“, weiß die Vereinschefin.
Digitaler Wandel bedroht Existenz der Tafel Lauenburg
Waren es vor drei Jahren etwa 600 Menschen, die von den ehrenamtlichen Mitarbeitern einmal in der Woche mit Lebensmitteln versorgt werden, sind es inzwischen 800 Lauenburger, die auf diese Hilfe angewiesen sind. Keine leichte Aufgabe für die meist schon älteren Aktiven der Tafel. Abholen, einlagern, für den Verkauf aufbauen, wieder einlagern und den Verkaufsraum reinigen – die aktiven Tafelmitglieder haben viel zu tun.
Sabine Neumann ist die gute Seele der Lauenburger Tafel. Seit 16 Jahren ist sie nun schon ehrenamtlich dabei. „Als ich damals in den Vorruhestand ging, wollte ich etwas Sinnvolles tun und entschied mich dafür, Menschen in Not zu helfen“, erzählt sie. Inzwischen ist sie zweite Vorsitzende des Vereins und geht fast jeden Tag in den Nachbarschaftstreff ToM am Mooring, so wie früher zur Arbeit.
Zur Arbeit gehört jede Menge Papierkram
Sie ist unter anderem dafür verantwortlich, die Touren der beiden Fahrzeuge zu den Abholorten der Lebensmittel zu managen. Schon allein das ist etwas, was ihre ganze Aufmerksamkeit erfordert. „Den Einsatz zu koordinieren ist nicht einfach, denn wir haben derzeit einfach zu wenig Fahrer“, sagt Sabine Neumann. Auch wenn Supermärkte oder Hofläden außerplanmäßig Lebensmittellieferungen anmelden, müsse sie entsprechend reagieren. Dazu kämen Abrechnungen, Statistiken und anderer Papierkram.
„Wenn sich jemand damit auskennt, ist dieses neue Programm vielleicht eine Erleichterung. Aber ich will und kann mich damit nicht mehr beschäftigen“, sagt die 72-Jährige. Auch bisher hätten sich die Tafeln der Region miteinander ausgetauscht. „Das war ganz einfach. Die einen hatten ein paar Stiegen Paprika zu viel, die anderen Joghurt. Da haben wir uns angerufen oder über unsere WhatsApp-Gruppe ausgetauscht. Und schon war die Sache klar“, erklärt sie das Prinzip.
Anruf genügte und das Tauschgeschäft war perfekt
Jetzt, so fürchtet sie, könnte das selbst organisierte Tauschprinzip zusammenbrechen. „Die Schwarzenbeker Tafel will sich auf der Online-Plattform registrieren“, weiß sie. Doch die Situation lässt sich nicht vergleichen. Anders als Lauenburg, steht in Schwarzenbek das Deutsche Rote Kreuz als starker Träger hinter der Tafel.
Der Verein Lauenburger Tafel hat derzeit etwa 30 Mitglieder, die allerdings nicht alle aktiv in die Lebensmittelausgabe eingebunden sind. 15 aktive Helfer unterstützen Sabine Neumann bei der wöchentlichen Lebensmittelausgabe. Schon am Donnerstag beginnen die Freiwilligen die rund 180 Kisten zu packen, die erfahrungsgemäß freitags zwischen 10.30 und 11.30 Uhr ausgegeben werden. Jedes welke Salatblatt wird entfernt, matschiges Obst aussortiert. Für Sabine Neumann ist das Ehrensache: „Wir geben nur hochwertige Ware aus“, versichert sie.
Firma Smurfit Kappa stellt Mitarbeiter für Fahrerdienst frei
Zwei Euro zahlen die registrierten Tafelkunden für diese Lebensmittel. „Die meisten unserer Kunden sind dankbar. Es gibt allerdings auch solche, die sortieren noch an Ort und Stelle aus, was sie nicht mögen und werfen diese Lebensmittel dann einfach irgendwo hin“, ärgert sich Sabine Neumann. Für die freiwilligen Helfer bedeutet das zusätzliche Arbeit, abgesehen von der Verschwendung der Lebensmittel. „Es wäre schön, wenn wir ein paar Helfer hätten, die während der Ausgabe nach dem Rechten sehen“, wünscht sich Friederike Betge.
Noch wichtiger sei es allerdings, verlässliche Fahrer zu finden. Friederike Betge hofft, dass das Beispiel des Unternehmens Smurfit Kappa Schule macht. Das Wellpappenwerk überraschte kürzlich mit einem großzügigen Angebot: Interessierte Mitarbeiter können sich melden, wenn sie die Tafel als Fahrer unterstützen möchten. Sie werden in dieser Zeit in einem bestimmten Rahmen von der Arbeit bezahlt freigestellt. „Wir möchten damit unsere Verbundenheit mit dem Standort Lauenburg zum Ausdruck bringen“, sagt Werkleiter Torsten Kalhoff.
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Gute Zusammenarbeit ins digitale Zeitalter retten
„Das hilft uns bei vorerst über die Runden“, freut sich Friederike Betge. Sorgen macht ihr allerdings nach wie vor der digitale neue Kurs des Bundesverbandes. „Während den großen Tafeln in Trägerschaft damit sicher geholfen ist, werden die kleineren abgehängt“, fürchtet sie. Für Sabine Neumann ist die Sache jedenfalls klar: „Wenn künftig alles nur noch über den Computer läuft, bin ich raus“, kündigt sie an.
Möglicherweise trägt die bisherige gute Zusammenarbeit der regionalen Tafeln auch im digitalen Zeitalter Früchte. Die Tafel Schwarzenbek hat zumindest in Aussicht gestellt, für die Lauenburger die Warenkoordination auf der digitalen Plattform zu übernehmen.