Geesthacht. Prototyp von Komatsu aus Japan ist derzeit bei der Firma Schlüter der Star. Wie die E-Maschine das Bauen verändern könnte.
E-Autos sind schon ein bisschen selbstverständlich geworden. Aber große Elektro-Baumaschinen? Gibt es noch kaum. Jetzt ist ein seltener Prototyp in Geesthacht eingerollt: ein Elektro-Bagger. Auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, dass sich hier im Gewerbegebiet an der Leibnizstraße eine technische Innovation verbirgt. An großen und kleinen Baumaschinen herrscht kein Mangel auf der Stellfläche der Firma Schlüter in Geesthacht. Es ist eine Heerschar aus gelben und grünen Baggern zu sehen, die mit ihrer Farbgebung auf die Hersteller Komatsu und Sennebogen hinweisen.
Zu erkennen ist der Elektro-Bagger nur an Details. So hat er keinen Auspuff auf dem Dach, stattdessen eine Steckdose versteckt hinter einer kleinen Klappe. Der Komatsu PC 210 LCE – der letzte Buchstabe weist auf den elektrischen Antrieb hin – war zuletzt der Star bei Schlüters Tag der offenen Tür Ende April.
Seltene technische Bagger-Innovation zu Gast bei der Firma Schlüter in Geesthacht
Der große Gelbe von Komatsu ist eine absolute Rarität, es gibt europaweit nur fünf Stück. Die sind dort ausgeliefert worden, wo der japanische Hersteller Produktionsstätten unter anderem für den Bau von Bagger betreibt, zum Beispiel in Deutschland, England und Frankreich. So gibt es in ganz Deutschland nur einen einzigen Bagger dieser Art, und der ist jetzt zum ersten Mal überhaupt im Norden in Geesthacht zu Besuch.
Noch ist der Bagger kein Serienmodell. Hersteller Komatsu möchte zunächst, dass Unternehmen mit dem E-Modell im echten, harten Baustelleneinsatz Erfahrungen sammeln. Regelmäßig gibt es dann Gesprächsrunden unter Moderation von Schlüter-Vertretern, was unter den realen Outdoor-Bedingungen erlebt wurde.
Gesammelte Informationen fließen ein in die Entwicklung zur Serienreife
„Der sieht schon serienfertig aus, wenn man sich den genau anguckt“, lobt Christian Caillé, Leiter des Kundendienstes bei Schlüter, den Prototypen. „Japaner wollen immer gute Arbeit abliefern. Wir geben den jetzt an unsere Kunden, und unsere Kunden sollen uns ein Feedback geben, ob es für sie passt, was da gebaut wurde.“
Die Informationen gehen nach Japan und fließen ein in die weitere Entwicklung. „So dass man nachher ein kundengerechtes Gerät stehen hat“, erklärt Christian Caillé die weiteren Schritte. Von Geesthacht aus durchläuft der E-Bagger eine Rallye durch die weiteren Standort der Firma Schlüter in Deutschland.
Nun baggert der E-Bagger auf einer Baustelle der Strabag
Vom Geesthachter Schlüter-Standort aus wurde der E-Bagger mittlerweile zu einer Baustelle der Strabag transportiert. Der Prototyp-Bagger kostet Mietgebühren, wie alle anderen Bagger auch. Die Unternehmen würden trotzdem gerne mitmachen, berichtet Christian Caillé. Es sei gut für das Firmen-Renommee, zu den Pionieren zu gehören, die sich an so einem Test beteiligt haben.
Wenn der E-Bagger auf der Baustelle viel zu tun habe und schwer schuften müsse, halte der Akku etwa acht Stunden durch, bis allmählich der Saft ausgehe, bei leichteren Tätigkeiten seien es etwa elf Stunden, berichtet Christian Caillé. Die Batterie ist gewaltig, nimmt die gesamte Breite des Hecks ein. Neben der Öffnungsklappe befinden sich große Schlitze für die Lüftung.
Auf Bildschirme lassen sich 3-D-Geoprofile aufspielen
In der Kabine wird die Fahrt mit Joysticks links und rechts sowie zwei mittig angeordneten Pedalen im Fußbereich gesteuert. Das aber ist noch nicht das Besondere im Cockpit. Alle Baggerführerhäuser müssen gleich gestaltet sein. „Wir haben eine Euro-Steuerung, das ist so festgelegt. Es bedeutet, die Bedienung ist immer gleich, egal, welche Maschine wir haben“, erklärt Produktmanager Björn Poost. So wie einer, der das Autofahren auf einem Audi gelernt hat, mit jedem anderen Auto fahren kann, so soll es auch bei den Baggern sein.
Innovativ aber sind die Bildschirme mit 3-D-Steuerung, die rechts angebracht sind. Es gibt sie auch als Zusatzausstattung, aber hier sind sie standardmäßig bereits verbaut. Geologische Profile der Umgebung lassen sich als Relief aufspielen mit allen Hügeln und Senken.
Eine digitale Nulllinie verhindert das zu tiefe Absenken der Schaufel
Auf der Darstellung auf den Schirmen sieht es aus wie beim Blick aus einem Flugzeugcockpit auf ein Flugfeld. Einer zeigt in einer Totale den Bagger und seine Position im Raum mit Horizontlinie, ein weiterer Bildschirm bildet die Bewegungen der Schaufel ab. Wenn ein Gelände vom Vermesser aufgespielt ist, kann der Bagger Bewegungen komplett autonom ausführen. Für den Baggerführer ist sein Job dann eine Art begleitendes Fahren.
Mit dem Finger lässt sich auf dem Schirm digital eine Nulllinie einziehen. Diese Grenze wird die Baggerschaufel dann automatisch nicht unterschreiten. Es dient dazu, dass zum Beispiel weder Boden noch Schaufel beim Wegbaggern eines Erdhaufens beschädigt werden, weil die Baggerschaufel nicht mehr zu tief herabgelassen werden kann.
Autonomes Fahren als Mittel gegen Fachkräftemangel
„Da geht es immer mehr hin“, meint Christian Caillé bezüglich des autonomen Fahrens. Hintergrund: Wieder einmal der Fachkräftemangel. „Es gibt kaum noch qualifizierte Baggerfahrer in Deutschland. Um dem entgegenzuwirken, gibt es diese Steuerung“, sagt er. Der Baugeräteführer/in ist ein Ausbildungsberuf. „Wir leben viel von unserer eigenen Ausbildung“, berichtet Christian Caillé. Die neuen Jahrgänge beginnen am 1. August. Einen großen Bedarf an Fachpersonal gebe es auch in der Werkstatt.
Der Akku des Komatsu PC 210 LCE ist ein Lithium-Ionen-Akku wie bei den allermeisten E-Autos auch. „Es ist ein normaler Anschluss, die meisten Baustellen haben ja Baustrom“, sagt Christian Caillé. „Aber es gibt natürlich auch Baustellen, wo man keine richtige Stromversorgung hat, deshalb wird beim Antrieb auch noch in Richtung Wasserstoff geforscht.“
Auch interessant
- Diese Baustelle macht Verkehrschaos in Lauenburg komplett
- Wegen Schiedsrichter: Fußballfans stürmen Pavillon
- Geesthacht brennt: „Überall Trümmer, überall Flammen“
Als weitere Knackpunkte für den Einsatz von E-Baggern nennt er Baustellen, wo im Schichtbetrieb gearbeitet wird, sodass der Bagger keine Ruhephase hätte, um aufgeladen zu werden. „Der E-Bagger ist agiler, schneller und umweltfreundlicher“, nennt er die positiven Aspekte. „Ich denke schon, dass sich das durchsetzen wird. Die Frage ist jetzt erstmal, wie geht es in Deutschland mit der Infrastruktur weiter? Davon wird es abhängig sein, wie erfolgreich er hier betrieben werden kann.“