Lauenburg. Das junge Tier war offenbar in Panik ins Wasser gesprungen. Erster Rettungsversuch eines Fischers scheiterte. Wer letztlich half.
Große, braune Augen, klitschnasses Fell – völlig erschöpft saß der kleine Rehbock am Mittwochnachmittag vor einem Hauseingang in der Elbstraße in Lauenburg. Eine Szenerie, die im Disney-Film „Bambi“ nicht hätte trauriger sein können. Geheuer war dem Tier die Aufmerksamkeit der Menschen auf keinen Fall. Es konnte ja nicht wissen, dass die Geschichte für ihn am Ende gut ausgehen wird.
Fischer Eckhard Panz aus Hohnstorf traute seinen Augen nicht, als plötzlich ein Reh vor seinem Boot in der Elbe schwamm. „Ich beobachtete das Tier eine ganze Weile und hoffte, dass es von allein an Land schwimmen würde. Aber ich sah, dass es immer schwächer wurde“, erzählt er. Er verlangsamte seine Fahrt und versuchte den kleinen Bock ans Hohnstorfer Ufer zu geleiten. Aber das Tier driftete immer wieder Richtung Lauenburg ab, wo es schließlich mit Mühe und Not die Elbuferpromenade erklomm.
Völlig erschöpft und in Not: Hilfsaktion für kleinen Rehbock
Wie benommen ergab sich der Rehbock dort seinem Schicksal. „Mit zwei, drei Helfern hätte ich das Tier vielleicht ins Boot heben und an sicherer Stelle wieder aussetzen können. Aber wir hatten ja alle keine Erfahrungen, wie man ein Reh einfängt, ohne es zu verletzten“, sagt der Fischer, der schließlich die Polizei informierte. Eine zweistündige Rettungsaktion begann.
Obwohl das Reh ganz sicher keinen Bockmist gebaut hat, suchte es lieber das Weite, als die beiden Beamten eintrafen. Durch eine der Twieten gelang dem Tier schließlich die Flucht Richtung Elbstraße. Geheuer war ihm die Menschenwelt sicher nicht. Hin und her lief der Rehbock über das Kopfsteinpflaster, bremste dabei DHL-Fahrzeug und Altstadtbus aus.
Jagdpächter Thomas Burmester fängt das Tier ein
Schließlich schien es ihm wohl am sichersten, sich zitternd in einem Hauseingang niederzulassen. Die beiden Polizeibeamten hatten unterdessen Jagdpächter Thomas Burmester verständigt. Der ehemalige Lauenburger Kämmerer wird oft gerufen, wenn in der Region ein Wildtier in Not ist. Er beherbergte auch schon mal einen Waldkauz ein ganzes Wochenende bei sich zu Hause, bis er ihn wieder in die Freiheit entlassen konnte.
Damit das Tier nicht wieder Reißaus nehmen konnte, parkten die Beamten den Streifenwagen direkt vor dem Hauseingang. Die Falle für den jungen Bock schnappte zu. Hätte er doch nur gewusst, dass das alles zu seinem Besten geschah! Für Laien sah es vielleicht ein bisschen rabiat aus, wie Thomas Burmester den kleinen Rehbock an allen vier Beinen packte und in seinen Kofferraum verfrachtete. Aber er musste das Tier vor sich selbst schützen.
Kleiner Rehbock in neuer Heimat: die Augraben Niederung
Das Schlimmste, was hätte passieren können: Das Tier gerät erneut in Panik und verletzt sich bei einem Fluchtversuch. Bis auf den Schock und die Unterkühlung ging es dem keinen Bock gut, das stellte der Wildtierexperte mit einem Blick fest. Etwa drei Jahre, so schätzte er, sei das Tier alt. Rehe sind im Alter von etwa zwei Jahren ausgewachsen. In freier Wildbahn können sie bis zu 18 Jahre alt werden.
„Ein kapitaler Sechsender“, sagte der Jäger augenzwinkernd, als er den Rehbock sicher im Kofferraum hatte. Für alle, die sich nach dem Scherz doch ein bisschen um den Kleinen sorgten, gibt es eine gute Nachricht: Das Tier freut sich inzwischen in der Lauenburger Augraben Niederung seines jungen Lebens. „Er ist quietschvergnügt davon gesprungen“, versichert sein Retter.
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Rehbock wurde offenbar in die Enge getrieben
Doch wie ist der junge Rehbock überhaupt in die eiskalte Elbe geraten? „Rehe sind Fluchttiere. Möglicherweise ist das Tier durch Spaziergänger oder Hunde in die Enge getrieben worden“, vermutet Thomas Burmester. Andererseits suchen die Tiere immer öfter die Nähe des Menschen. „Durch das gute Nahrungsangebot in den Städten wird das Rehwild dort immer heimischer“, weiß der Jäger. Nicht unbedingt zur allgemeinen Freude – in vielen Gärten lassen sich Rehe mit Vorliebe junge Knospen, Baumrinde, Obstbaumaustriebe schmecken.
Noch etwas hat Thomas Burmester festgestellt: „In einigen Stadtteilen, zum Beispiel im Buchhorster Weg oder in der Hafenstraße, nehmen in letzter Zeit die Wildunfälle zu.“ Als Jäger wird er in solchen Fällen oft gerufen, um das verletzte Tier zu erlösen. Warum die Häufung gerade in diesem Bereich festzustellen ist, liegt für ihn auf der Hand. „Auf dem Lauenburger Butterberg ist das Wild über lange Zeit ungestört gewesen und konnte sich dort kräftig vermehren“, sagt er. Nach dem Hangabrutsch am 14. Februar ist der Butterberg in weiten Teilen abgeholzt worden.