Geesthacht. Das Portal im Direktorenhaus der ehemaligen Pulverfabrik wird in den Originalzustand versetzt. Bald kann es jeder besichtigen.
Ein Schmuckstück erhält seinen alten Glanz zurück: Geesthachts wohl schönstes Treppenhaus wird in den Originalzustand versetzt. Der ist von 1913 und zeigt feinsten Jugendstil, als das Verwaltungsgebäude als repräsentativer Sitz für den Direktor der Düneberger Pulverfabrik errichtet wurde. Das Portal soll bald allen weit offenstehen – zum Besichtigen und Staunen.
Eigentümer des Anwesens in der heutigen Lichterfelder Straße 27-29 ist Klaus-Dieter Haase. Nach dem Kauf des leerstehenden Hauses 1976 vom Kelter-Verlag, dessen Pläne für eine Ansiedlung an dieser Stelle sich zerschlagen hatten, entwickelte er sich aus Interesse für seine neue Heimat zum Fachmann für das industriehistorische Gelände, verfasst unter anderem das Werk „Düneberg – Die Pulverkammer Deutschlands“.
Geesthachts schönste Treppenhaus erstrahlt in neuem Glanz
„Viele Geesthachter kennen das Viertel gar nicht“, sagt Klaus-Dieter Haase. Aus gutem Grund: Wer von der Düneberger Straße aus in die Lichterfelder Straße einbiegt, sieht zunächst nur ein Gewerbegebiet. Dass sich nach der nächsten Biegung ein beschauliches Wohnquartier in über 100-jährigen Häusern der ehemaligen Pulverfabrik anschließt, erwartet niemand.
Auch die Gebäude mit dem SmuX und dem Tierheim gehören zum historischen Ensemble. Zehn Häuser sind es insgesamt. Der Kelter-Verlag änderte die Pläne – so wurde der Weg frei für die Umwandlung in Wohnhäuser
Wohl kein anderes Haus in Geesthacht hat vom Beginn im wilhelminischen Kaiserreich bis heute eine so wechselvolle Geschichte seiner Nutzung aufzuweisen wie das Haus mit dem schlichten Planungsnamen „Düneberg 185“. 1936 wurde das Verwaltungsgebäude in ein Forschungs- und Betriebslabor umgewandelt, beherbergte in den 40er-Jahren zudem ein Pulvermuseum.
Nach Kriegsende zogen Soldaten der britischen Besatzungsmacht ein, später die Berufsschule. Fast hätte sich durch den Kelter-Verlag eine weitere gewerbliche Nutzung ergeben. Weil dessen Pläne sich änderten, aber bereits mehrere ebenfalls leerstehende Häuser angekauft worden waren, kam schließlich Klaus-Dieter Haase ins Spiel.
Elf Wohneinheiten sind in dem Gebäude vermietet
Auf Bitten des Verlages vermittelte er weitere Immobilien an gleichgesinnte Freunde und Bekannte, schuf zusammen mit seiner Frau, einer Galeristin, eine kulturelle Anlaufstelle in Düneberg mit Ausstellungen und Konzerten im Wohnzimmer. Die allmähliche Umwandlung der alten Verwaltungs- in Wohnhäuser – sie hatte mit dem Einzug des Ehepaares Haase in Düneberg 185 begonnen.
Sein Sachbuch verstand er damals als Beitrag zu den Feierlichkeiten von „800 Jahre Geesthacht“ im Jahre 2016. Die Idee zur Restaurierung des Jugendstil-Treppenhauses samt Besichtigungsmöglichkeit kam ihm aus Anlass des Jubiläums zur Verleihung der Stadtrechte vor 100 Jahren. Elf Wohneinheiten sind in dem Gebäude vermietet, in einer davon lebt Horst Schulz, vielen bekannt unter seinem Künstlernamen Hoschek.
Er packt als Hausmeister beim Umbau mit an. Bevor alter Glanz zurückkehrt, staubt es erst mal. Horst Schulz steht auf einer Leiter, schabt mit einem Spatel Dichtungsmaterial von einer Säule. Die Trennwand, die den Söller vor Kurzem noch halbierte, ist bereits herausgerissen. Die Wand war eingezogen worden, um dahinter Platz für eine weitere Wohnung zu schaffen, zuletzt diente sie jahrelang nur noch als Abstellkammer.
Wie bloß kommt die Farbe der Säule wieder runter?
Der Mieter hatte die Hälfte der Säule, die bei ihm dann Teil der Wand war, irgendwann Rosa angemalt, passend zu den anderen Wänden. Nun steht sie zweifarbig im Raum. Gleich hinter der Eingangstür befindet sich links ein weiterer kleiner Raum, der früher als Pförtnerloge diente.
Die Farbe wieder beschädigungsfrei abzubekommen, bereitet gerade einiges Kopfzerbrechen bei der Wiederherstellung des Originalzustandes. „Ich warte mal die Gespräche mit dem Denkmalschutzamt ab“, sagt Klaus-Dieter Haase, „die haben uns immer gute Ratschläge gegeben.“
1945 gab es einen Fliegerangriff, der den Fensterrahmen verrückte
Vor einem ähnlichen Farbproblem stand er schon einmal. In den 1970er-Jahren, als Klaus-Dieter Hasse mit seiner Frau Frauke in das leerstehende Gebäude einzog, waren drei Außenwände noch immer mit dem Tarnanstrich zum Schutz vor feindlichen Bombern aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges versehen, nur die Klinkerfassade war verschont geblieben. Nachdem andere Methoden fehlgeschlagen waren, „blieb am Ende nur das Sandstrahlen“, erzählt Klaus-Dieter Hasse.
Die Angst vor einem Fliegerangriff hatte ihre Berechtigung. Der kam schließlich am 7. April 1945 um 13 Uhr aus südlicher Richtung. Die Attacke galt der Fabrik, aber zwei Bomben fielen in der Nähe der heutigen Lichterfelder Straße. Noch heute sei festzustellen, dass der nach Westen ausgerichtete obere Fensterrahmen im Konferenzzimmer fünf Zentimeter nach innen gedrückt wurde, hat Klaus-Dieter Haase entdeckt.
Im November 1912 gab es die Baugenehmigung - auch für elektrische Beleuchtung
Die nun entfernte Trennwand verkleinerte die Vorhalle des Treppenhauses deutlich. Jetzt entfaltet sie wieder ihre ganze Schönheit. Der Plan für das Haus stammt von 1912. Architekt ist der berühmte Hermann Distel mit Sitz in Bergedorf. Nach ihm ist dort eine Straße benannt. Er hat auch das Verwaltungshauptgebäude der Uni Hamburg entworfen.
Die nackten Engelchen fanden die Direktoren nicht so gut für eine Pulverfabrik
Die Bauzeichnungen enthielten mehrere klassische Jugendstilelemente. Die etwa bis zum Ersten Weltkrieg vorherrschende Kunstrichtung orientierte sich an Motiven aus der Natur mit verspielten Ranken und Wellen. Mit einigen anderen Stilelementen konnten sich die Direktoren einer Pulverfabrik allerdings wohl nicht anfreunden. So fänden sich in den Originalplänen noch nackten Engelchen über dem Haupteingang – sie wurden durch Adler ersetzt, hat Klaus-Dieter Haase recherchiert.
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Aber die Details wie die Treppenhäuser und deren Geländer sowie die Eingangstüren entsprechen ziemlich genau den Ideen des Architekten. Und sie sind immer noch da. Vieles aus der Zeit von vor 100 Jahren hat die Zeit unversehrt überdauert. Die dunkelbraunen Kacheln an den Wänden sind komplett, das schwungvolle und leicht wirkende schmiedeeiserne Geländer, die braunen Holztüren.
Nur die Fliesen auf dem Boden als Verschleißteile sind neu. „Fliesen-Harry aus Altona“, sagt Klaus-Dieter Haase schmunzelnd. Aber sie passen sich gut ein ins Ensemble. Wer es nicht weiß, dem fällt es nicht auf.