Schwarzenbek. Klaus Gawlik gibt Ehrenamt des Behindertenbeauftragten ab. Der 72-Jährige bemängelt etliche Defizite in den Strukturen. Und nun?

Sechs Jahre hat sich Klaus Gawlik ehrenamtlich für die Rechte von Behinderten und für Inklusion in Schwarzenbek engagiert, jetzt will sich der 72-Jährige mehr um seine sechs Enkel und den Rest der Familie kümmern. „Ich habe den Menschen gern geholfen, aber der Weg in die Inklusion ist keineswegs barrierefrei. Es gibt sehr viele Hürden in der Verwaltung, bei den Behörden und in der Politik. Ich habe nicht mehr die Kraft, so viel Zeit und Nerven aufzubringen“, sagt der Schwarzenbeker.

Noch bis November dieses Jahres ist der pensionierte Metallbauer und Vertriebler gewählt. Dann möchte er sich ins Privatleben zurückziehen. „Ich werde bald 73, habe ein Augenleiden und bin Diabetiker. Die Arbeit hat mir Spaß gemacht, ist aber sehr fordernd, weil immer wieder zu allen Tageszeiten mein Diensthandy klingelt. Jetzt muss mal ein jüngerer Ehrenamtler ran“, zieht Klaus Gawlik Bilanz.

Behindertenbeauftragter Schwarzenbek: Zu viele Stolperfallen auf dem Weg zur Inklusion

Das hat er Petra Scheerer, Fachdienstleiterin für Öffentliche Sicherheit und Soziales in der Stadtverwaltung, bereits vor einiger Zeit mitgeteilt und seinen Rückzug aus dem Amt zum Ende seiner Wahlzeit jetzt im Ausschuss für Soziales, Kultur und Sport öffentlich gemacht.

Politik und Verwaltung haben umgehend reagiert und suchen jetzt per öffentlicher Ausschreibung nach einem Nachfolger. „Ich hoffe, dass sich schnell jemand findet. So besteht noch die Möglichkeit, dass ich meinen Nachfolger einarbeiten kann. Denn als ich anfing, hat man mich ins kalte Wasser geschmissen und anfangs auch noch einige Eiswürfel hinterhergeworfen, weil es in der Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung hakte“, erinnert sich Gawlik. Das hat sich mittlerweile gebessert. Mit Fachdienstleiterin Petra Scheerer und Bauamtsmitarbeiter Martin Schulte hat Gawlik feste Ansprechpartner und auch einiges erreicht. Mehr als 100 Beratungen hat Gawlik bereits durchgeführt.

Behindertenbeauftragter: Größtes Manko ist das Fehlen eines Inklusionsbeauftragten im Rathaus

Was fehlt, ist ein städtischer Inklusionsbeauftragter als Schnittstelle für alle Fragen rund um die Themen Barrierefreiheit, Hilfsmittel, Schwerbehindertenausweise, Zuschüsse und vieles mehr. Denn der Bedarf ist groß. Von den 17.500 Menschen in Schwarzenbek haben 3200 nach Angaben von Gawlik eine Behinderung. Die Stadt Geesthacht ist in diesem Punkt bereits einen deutlichen Schritt weiter. Sie hat bereits einen Inklusionsplan und mit Kathrin Abras seit dem 1. Juli 2022 auch eine Inklusionsbeauftragte, die als Ansprechpartnerin im Rathaus zur Verfügung steht.

„Die Einwohnenden erreiche ich derzeit vor allem durch die Beteiligung an den Geesthachter Netzwerken. Hier höre ich die aktuellen Problemlagen heraus und teile diese in der AG Inklusion mit, um sie zu besprechen und zum Thema zu machen. Aber ich mache auch Vorortbesuche in den Selbsthilfegruppen oder Geesthachter Werkstätten. Die Besuche und Beteiligungen werden gern angenommen“, beschreibt Kathrin Abras ihre Arbeit. Ein Beispiel für die Zusammenarbeit der Inklusionsbeauftragten mit den Betroffenen ist die Umgestaltung der städtischen Website, die derzeit läuft: „Es gibt mehrere Tools, die eine Webseite barrierefreier gestalten können. Diese Tools habe ich in den Werkstätten besprochen. Danach habe ich an den Fachdienst Zentrale Verwaltung zurückgeben können, welches Tool verständlicher für die Personen ist, die darauf angewiesen sind“, sagt Kathrin Abras. Im Juli 2024 soll die Zukunftswerkstatt Inklusion stattfinden, zu der Einwohnende und Akteure Geesthachts eingeladen sind

Inklusion: Schwarzenbek erstellt nach fünf Jahren Stillstand einen Aktionsplan Inklusion

Davon ist Schwarzenbek weit entfernt. Zwar gab es schon im Jahr 2019 einen politischen Beschluss, einen Inklusionsplan aufzustellen. Passiert ist seitdem nichts. „Ich hätte selbstverständlich an dem Plan mitgearbeitet, als ehrenamtlich Tätiger wäre es aber völlig illusorisch gewesen, so eine komplexe Expertise allein auszuarbeiten“, sagt der Noch-Behindertenbeauftragte Gawlik. So weit sind die Politiker inzwischen auch und haben ein externes Büro mit der Erstellung eines Aktionsplans Inklusion beauftragt. Die Ausschreibung läuft. Laut Gawlik sollen die Ergebnisse der Ausschreibung bis August vorliegen. Mit der Arbeit beginnen dürfte das ausgewählte Büro nicht mehr während der Amtszeit des 72-Jährigen.

Für seinen Nachfolger – sofern sich jemand findet – ergibt sich somit die Möglichkeit, von Anfang an am Inklusionsplan mitzuwirken und das weitere Vorgehen der Stadt in diesem Punkt wesentlich zu beeinflussen. Dabei könnte Schwarzenbek eigentlich schon deutlich weiter sein. Denn trotz diverser Erfolge wie beispielsweise bei der Neukonzeption des Stadtparks oder der nutzerfreundlicheren Gestaltung der Behindertenparkplätze in der Stadt ist Gawlik mit seinem Vorstoß für ein Inklusionszentrum gescheitert, da die Politiker kein Interesse an der Idee hatten.

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„Das ist ärgerlich. Wir hatten geeignete Räume an der Seestern-Pauly-Straße, die Miete wäre niedrig gewesen, und es hätte Zuschüsse gegeben. Die Stadt hätte lediglich Mieter sein und einen Teil der Miete zahlen müssen“, sagt Gawlik. Diese Chance ist vertan, und auch ein Teil der Kooperationspartner wie beispielsweise das Kümmerernetzwerk hat die Lockdowns während der Corona-Pandemie nicht überlebt. „Es wäre sinnvoll, alle Akteure rund um das Thema Inklusion von der Arbeiterwohlfahrt und dem Sozialverband bis hin zur Pflegeberatung an einem Standort zu bündeln. Das hätten wir bereits vor Jahren kostengünstig an der Seestern-Pauly-Straße haben können“, sagt Gawlik. Lange hat Gawlik auch für ein Büro im Rathaus gekämpft. Jetzt kann er stundenweise für seine Sprechzeiten das Amtszimmer des Bürgervorstehers im zweiten Stockwerk nutzen. Es ist zwar barrierefrei zu erreichen, aber schwer zu finden.

Wer sich für das Amt des Behindertenbeauftragten interessiert, bekommt weitere Informationen im Schwarzenbeker Rathaus bei Petra Scheerer unter 04151/88 11 21. Für die Tätigkeit gibt es eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 125 Euro im Monat.