Lauenburg. März 1974 geriet Prof. Dr. Julius Hackethal erneut in die bundesweiten Schlagzeilen – diesmal als Chef des städtischen Krankenhauses.

War es für die Stadt Fluch oder Segen, dass sich Professor Dr. Julius Hackethal ausgerechnet Lauenburg als neue Wirkungsstätte auserkoren hatte? Man schrieb das Jahr 1964. Der damals 43-jährige Mediziner war wieder einmal in Ungnade seines Berufsstandes gefallen, als er in Erlangen dem Klinikchef schwere Kunstfehler vorwarf, von denen mehr als die Hälfte tödlich ausgegangen seien. Spätere Untersuchungen ergaben, dass diese Vorwürfe haltlos waren. Damit war die akademische Karriere Hackethals vorläufig beendet.

Das verschlafene Städtchen an der Elbe erschien dem gefeuerten Mediziner offenbar bestens geeignet, weiter zu praktizieren und zu forschen. 1965 wurde er Assistenzarzt am Städtischen Krankenhaus und, nachdem der bisherige Chefarzt ausgeschieden war, sogar dessen Nachfolger. Viele alteingesessene Lauenburger beschreiben Hackethal noch heute als einfühlsamen Arzt mit spektakulären medizinischen Erfolgen. Doch fast auf den Tag genau vor 50 Jahren endete sein Dienstverhältnis mit der Stadt Lauenburg – ebenfalls mit einem großen Krach. Bundesweit waren die Zeitungen voll von den neuen Geschichten rund um den „Skandaldoktor“ und seinem Rechtsstreit mit der Stadt Lauenburg.

Eine Frage der Ehre: Wer hat wem die Freundschaft gekündigt?

Das Fass zum Überlaufen hatte offenbar eine Forderung des Mediziners an den Magistrat gebracht: Hackethal wollte den Operationssaal mit einem teuren Gerät ausstatten, doch die Stadt wollte die Summe von fast 100.000 Mark nicht locker machen. „Dann gehe ich eben“, soll der Krankenhaus-Chef gesagt haben. Später ging es vor 50 Jahren nur um die Frage: Wer hatte wem die rote Karte gezeigt? Der Mediziner klagte in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht in Kiel auf die Feststellung, dass die mit Schreiben vom 23. März ausgesprochene Kündigung seitens des Bürgermeisters Dieter Wollenberg unwirksam sei und das Arbeitsverhältnis durch seine Kündigung am 21. März beendet worden sei.

Das Gebäude des Lauenburg-Krankenhauses. Es wurde 2009 abgerissen.
Das Gebäude des Lauenburg-Krankenhauses. Es wurde 2009 abgerissen. © BGZ

Bergedorfer Zeitung machte Streit öffentlich

Für die Redaktion der Bergedorfer Zeitung war der offen ausgetragene Streit zwischen Hackethal und Wollenberg ein Dilemma. Schließlich pflegte man zu beiden Kontrahenten ein „freundschaftliches, vertrauensvolles Verhältnis“. Das brachte der damalige Chefredakteur Karl Mührl in einem Kommentar am 24. März 1974 auf den Punkt: „Im Interesse vor allem des Krankenhauses und seines guten Rufes haben wir den längst bekannten ‚Kampf‘ dieser beiden nicht an die Öffentlichkeit gebracht, hoffend, daß es irgendwann doch wieder ein gutes Verhältnis zwischen dem Chefarzt und dem Magistrat geben könnte.“

Ganz in diesem Sinne achtete die Redaktion peinlich darauf, dass beide Kontrahenten zu gleichen Teilen zu Wort kamen – was die Stimmung womöglich weiter anheizte. Der Lauenburger Magistrat beließ es nämlich nicht bei der Kündigung, sondern schickte ein Hausverbot hinterher. Hackethal durfte das Lauenburger Krankenhaus nicht mehr betreten, seine Widerklage war gescheitert. Der Mediziner kochte, der Bürgermeister frohlockte. „Mit einer gewissen Genugtuung darf ich feststellen, daß der Rechtsstandpunkt der Stadt im Gegensatz zu allen Vorwürfen, die durch den Professor erhoben wurden, uneingeschränkt Anerkennung gefunden hat“, wird Wollenberg in der Zeitung zitiert.

Hackethal provozierte mit seinen Thesen

Wer aber damals gedacht hatte, dass Hackethal Lauenburg den Rücken kehren würde, wurde eines Besseren belehrt. Was viele Lauenburger freute, ärgerte seine Gegner in der Stadt: Nach seiner Entlassung aus dem öffentlichen Dienst kaufte Hackethal 1975 die weiße Villa an der Berliner Straße 57. Dort richtete er seine chirurgische Praxis ein. Tagsüber stand er ohne Pause zehn Stunden lang am OP-Tisch, nachts „heckt er seine Bücher aus“, wie es der Spiegel zu jener Zeit formulierte.

Gerade hatte Hackethal sein drittes Buch „Sprechstunde“ auf den Markt gebracht. Eine seiner Thesen: „Man muß den Patienten sagen, in welche Gefahr sie sich begeben, wenn sie zu einem Arzt gehen.“ Der „Nestbeschmutzer“ beschäftigte die Gerichte mit Klagen gegen Berufskollegen und solchen, die er sich immer wieder selbst einfing – unter anderem auch, weil er sich für aktive Sterbehilfe einsetzte.

Deal mit österreichischem Gesundheitsministerium geplatzt

Hackethal gefiel sich offenbar in der Rolle als ewiger Querulant, auch in seiner Wahlheimat Lauenburg. „Man will, dass ich mich erschieße, oder auswandere“, erzählte Hackethal Anfang 1978. Später gab er bekannt, in Kürze eine Stelle als Leiter einer großen Klinik in Österreich anzunehmen. Am 5. September 1978 konfrontierte Redakteur Detlef Bienwald den Professor mit einem Gerücht, das in Lauenburg kursierte: „Stimmt es, daß ihre Übersiedlung vom Tisch ist?“ Der Professor wies die „Unterstellung“ empört zurück. Lediglich ein paar Einzelheiten müssten noch geklärt werden.

Es war aber doch was dran an dem Gerede: Der Deal mit dem österreichischen Gesundheitsministerium war geplatzt. „Die Ärzteorganisationen dort sind noch viel schlimmer als in Deutschland“, sagte Hackethal ein halbes Jahr später gegenüber der Lauenburgischen Landeszeitung. Ewig hielt es den umstrittenen Mediziner aber nicht in Lauenburg. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Bernau am Chiemsee, wo er im Oktober 1997 an den Folgen eines Krebsleidens verstarb.

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Das Lauenburger Krankenhaus war aber bis zu seiner Schließung mit dem Namen Hackethal verbunden. 1990 entließ die Stadt das Krankenhaus aus ihrer Regie – es wurde an das Johanniter-Krankenhaus in Geesthacht angegliedert und 2004 endgültig stillgelegt. Im Jahre 2009 machte das Lauenburger Krankenhaus letztmalig von sich reden. Es gab Streit um die Bäume auf dem ehemaligen Klinikgelände, die letztlich wie das Gebäude selbst dem Bau des Discounters Penny weichen mussten.

Auch die Villa, in der Hackethal zuletzt praktizierte, ist mittlerweile abgerissen. Hier kam es erst gar nicht zum Streit um die Bäume auf dem Grundstück. Entgegen dem Bebauungsplan verübte der Investor einen Kahlschlag auf dem Gelände. Dort, wo der umstrittene Mediziner einst operierte und den Medien Interviews gab, sollen Wohnungen gebaut werden.