Lauenburg. Lauenburger sind empört: Auf einem Baugrund wurden Bäume gefällt, die unter Schutz standen. Hat ein Bauunternehmen Fakten geschaffen?
Kahlschlag auf dem Grundstück an der Berliner Straße 57. Hat hier die Firma Semmelhaack mit Bagger und Motorsäge Tatsachen schaffen lassen? Das Unternehmen aus Elmshorn will auf dem 2600 Quadratmeter großen Gelände in Zentrumsnähe eine moderne Wohnanlage errichten. Am Freitag (5. Januar) sind hier mindestens fünf stattliche Bäume illegal abgeholzt worden.
Rückblick: Es war mitten in der großen Flüchtlingskrise im Jahre 2015: Die Stadt kaufte den ehemaligen Sexclub an der Berliner Straße 57, um dort Unterkünfte für Geflüchtete zu schaffen. Doch das Gebäude wurde für diesen Zweck nie benötigt. Auch als Tauschobjekt mit dem Wohnungsunternehmen Vonovia für die Erweiterung der Weingartenschule kam das Grundstück nicht infrage.
Lauenburg: Empörung über Kahlschlag neben ehemaligem Sexclub
Doch die Stadt blieb auf dem Grundstück nicht lange sitzen. Mehrere Investoren interessierten sich für den zentrumsnahen Baugrund. Doch dem schoben die Lauenburger Politiker fraktionsübergreifend einen Riegel vor: Kein Verkauf um jeden Preis, und dass für Wohnungen jede Menge alte Bäume gefällt werden sollen, wollten sie auch nicht akzeptieren. Wer auf dem Grundstück des ehemaligen Sexclubs bauen will, muss sich an einem qualifizierten Bebauungsplan orientieren. Damit kippten die Politiker einen von der Stadt schon fast eingetüteten Kaufvertrag, der potenzielle Investor sprang ab.
Die Verwaltung wurde beauftragt, die Aufstellung eines qualifizierten Bebauungsplans in die Wege zu leiten, der den Schutz der wichtigsten Bäume auf dem Areal sicherstellt. Dieser hat mittlerweile Rechtskraft. Demnach könnte auf dem Grundstück ein dreistöckiges Gebäude mit bis zu 27 Wohnungen entstehen. Insgesamt zwölf Großbäume wurden nach einer naturschutzfachlichen Ersteinschätzung als erhaltenswürdig eingestuft. Sieben Wohnungen sieht der Plan vor. Die Bäume auf der Fläche im Innenwinkel des Gebäudes könnten so erhalten werden. „Dabei handelt es sich um das Ortsbild prägende Buchen, Kastanien, Eichen und Ahornbäume“, heißt es im geltenden Bebauungsplan.
Politik und Verwaltung kompromissbereit
Mit der Firma Semmelhaack wurde sich die Stadt schließlich einig. Das Unternehmen engagiert sich vor allem für barrierearmes Bauen und war auch schon in Lauenburg aktiv. Im Oktober 2020 wurde die Wohnanlage an der Hamburger Straße 2-4 eingeweiht. 84 Wohnungen, davon 25 mit öffentlichen Mitteln geförderte, sind hier mittlerweile bezogen. Doch mit dem geplanten, viel kleineren Projekt an der Berliner Straße ging es bisher nicht voran. Offenbar machten die als Bestand festgelegten Großbäume bei der Planung doch Probleme.
„Mindestens ein Baum wird nicht zu halten sein“, sagte Projektentwickler Hartmut Thede im vergangenen Sommer gegenüber unserer Redaktion. Stadt und Politik zeigten sich daraufhin im Interesse des Bauprojektes kompromissbereit. „Wir haben daraufhin in Abstimmung mit dem zuständigen Ausschuss einen Baum von der Festsetzung befreit“, erklärt Bauamtsleiter Christian Asboe. Doch dieses Zugeständnis reichte den von Semmelhaack beauftragten Planern offenbar nicht. Dass die geschützten Bäume versehentlich abgeholzt wurden, ist nämlich unwahrscheinlich. Nach Informationen unserer Redaktion hatte das Unternehmen, das die Gehölze entfernte, einen detaillierten Arbeitsauftrag in der Tasche. An den wollen sich die Mitarbeiter auch gehalten haben.
SPD und Grüne über Kahlschlag empört
Der freche Baumfrevel blieb in Lauenburg nicht unbemerkt. Am Wochenende machten in den sozialen Netzwerken Bilder von der illegalen Abholzaktion die Runde. Auch die Politik wurde darauf aufmerksam. „Der Investor hat sich eigenmächtig über den politischen Beschluss hinweggesetzt und Fakten geschaffen“, ärgert sich der Vorsitzende des Bau- und Planungsausschusses, Martin Scharnweber (SPD). Der SPD-Fraktionsvorsitzende Immo Braune erinnert an die Vorgeschichte des Grundstücksverkaufs an die Firma Semmelhaack. „Es hatte damals sogar zunächst ein höheres Kaufangebot gegeben. Das war aber an die Bedingung geknüpft, dass die Bäume weichen müssen. Deshalb wurde es von der Politik abgelehnt.“
Auch die Lauenburger Grünen sind auf Zinne. Sie hatten gemeinsam mit der Lauenburger Wählergemeinschaft als erstes dafür geworben, den Baumbestand auf dem Gelände entsprechend zu schützen. „Wir müssen jetzt über Konsequenzen sprechen. Die Bäume, die zuviel gefällt wurden, müssen vom Investor ersetzt werden. Das dürfen dann aber keine Setzlinge sein, sondern gleichwertige, entsprechend gewachsene Bäume“, fordert Fraktionsvorsitzender Thorsten Pollfuß.
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Stadt kündigt weitreichende Konsequenzen an
Auch bei der Stadt ist die Empörung über die illegale Abholzaktion groß. Gleich nach Bekanntwerden hatten sich zuständige Mitarbeiter der Verwaltung vor Ort selbst ein Bild gemacht. Für den Baumfrevel findet Bauamtsleiter Christian Asboe deutliche Worte: „Ich sag es so, wie es ist: Das ist eine Riesensauerei.“ Doch damit will er es nicht bewenden lassen. „Die Stadt wird jetzt alle Register ziehen, die uns zur Verfügung stehen“, kündigt er an.
Jetzt muss nicht nur die Schuldfrage abschließend geklärt werden. Unklar ist nämlich bisher auch, ob die sieben verbleibenden Bäume auf dem Gelände überhaupt zu den geschützten gehören. Angesichts ihres teils geringen Umfangs sind da zumindest Zweifel angebracht. Möglicherweise wären dann noch mehr als fünf durch den B-Plan gesicherte Bäume der Motorsäge zum Opfer gefallen. Die Firma Semmelhaack war am Montag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.