Lauenburg. Seit der Elbhang abgerutscht ist, werden Autofahrer umgeleitet – und das wohl auch noch länger. Aber die Stadt hat jetzt einen Plan.
Fachwerkhäuser aus dem 16. Jahrhundert mit reich verzierten Fassaden, schmale Gehwege und altes Kopfsteinpflasters – die Elbstraße in der historischen Lauenburger Altstadt scheint aus einer anderen Zeit zu stammen. Doch seit einigen Tagen wird das idyllische Bild gestört: Rund um die Uhr fahren Schwertransporter, Fahrzeuge mit Anhänger und Lkw durch die schmale Gasse. Oft mit mehr als 40 Kilometern pro Stunde fahren die Autos durch die Elbstraße, erlaubt ist in dem verkehrsberuhigten Bereich nur Tempo 20.
„Laut, unangenehm, störend und eine Frechheit“, sagt Daniela Toebelmann (41) über den Verkehr vor ihrer Haustür. Seit dem Erdrutsch am Elbhang über der B209 am Mittwoch, 14. Februar, ist das Verkehrschaos in der Elbstraße zur Normalität geworden. An dem Unglückstag ging man zunächst nur von einer umgekippten Eiche aus, erst am nächsten Tag wurde das Ausmaß deutlich: Der Hang ist auf einer Fläche von etwa 1500 Quadratmetern ins Rutschen gekommen. „Es besteht Lebensgefahr“, sagt der stellvertretende Bürgermeister Christoph Haase weiterhin zu der Situation beim Butterberg. Zusätzlich sorgen sich die Bewohner eines Mehrfamilienhauses, das nur wenige Meter von der Abbruchstelle entfernt steht. Unterdessen hat die Stadtverwaltung jetzt einen konkreten Plan, wie es weitergeht.
Erdrutsch an B209: Lauenburgs Altstadt vor dem Kollaps?
Die Bundesstraße 209 ist seit dem ersten Erdrutsch gesperrt. Wann sie wieder freigegeben werden kann, ist unklar. Eine wenigstens einspurige Öffnung ist jetzt für Ende kommender Woche im Gespräch. Bis sie wieder in beiden Richtungen passierbar ist, dürften noch Wochen vergehen.
Die Elbbrücke Lauenburg wurde von Niedersachsen aus in Richtung Lauenburg gesperrt. Autos und Lastwagen sollen schon in Niedersachsen über die B5 nach Geesthacht ausweichen. Mit dieser Umleitung sollen Anwohner der Altstadt nicht noch mehr belastet werden, denn der innerörtliche Verkehr fließt seit dem Erdrutsch bereits vermehrt durch die Altstadt. Am Donnerstagmorgen fuhr sich dort sogar ein Lastwagen fest, wie Bauamtsleiter Christian Asboe und Kommissar Jan Vogel von der örtlichen Polizei bestätigen.
Dass sich die Autofahrer nicht an die Verkehrslenkung halten, wird schnell klar. Trotz der Sperrung beobachten Anwohner, wie regelmäßig Autofahrer über die Brücke aus der gesperrten Richtung über die Brücke fahren und anschließend durch die Altstadt kurven. „Ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn ein Kind auf die Straße rennt“, sagt eine Anwohnerin der Elbstraße. Sie beunruhigt, neben dem zunehmenden Verkehr, vor allem die Geschwindigkeit der Autos. Auch Daniela Toebelmann ist genervt. Sie ist Anwohnerin und Inhaberin eines Goldschmiedeateliers an der Elbstraße, jetzt kann sie nachts nicht mehr schlafen. „Mein Bett vibriert von den Erschütterungen“, sagt sie. Außerdem ist sie besorgt um die historischen Häuser: „Es wäre gut, wenn es eine Strategie zur Entlastung der Häuser und der Anwohner gäbe.“
Erdrutsch an B209: Anwohnerin sorgt sich wegen fehlenden Tourismus
Yildiz Frühauf (49) ist ebenfalls unzufrieden mit der Verkehrslenkung nach dem Erdrutsch an der B209. Sie hat aber ein anderes Anliegen. Yildiz Frühauf betreibt direkt hinter der Elbbrücke einen Wohnmobilstellplatz, mehrere Ferienwohnungen, einen Bootsverleih und ein Café. Vier Stellplatzgäste hätten ihr bereits abgesagt, da sie aus Niedersachsen nicht über die Brücke fahren durften. Jetzt fielen ihr zu Saisonbeginn mehr als 50 Prozent der Einnahmen weg. „Wir leben hier alle von Tourismus“, sagt sie.
„Es ist absoluter Quatsch, dass Anwohner und Wohnmobile nicht über die Brücke dürfen“, stimmt ihr Günter Latz (84) zu. Er hilft regelmäßig im Bootshaus. Gerade ist er beim Überqueren der Brücke Richtung Lauenburg von der Polizei angehalten worden. Das sei eine Ordnungswidrigkeit gewesen und kostet um die 50 Euro, haben die Beamten ihm mitgeteilt. „Dabei wohne ich direkt hinter der Brücke. Hätte ich etwa auch über Geesthacht fahren sollen?“, fragt Latz. „Die Beschilderung ist Schwachsinn“, sagt auch Martin Frühauf (70), pensionierte Polizeidirektor und Yildiz‘ Mann. Er fordert, mehr Straßen und vor allem die Elbbrücke für Anwohner freizugeben und die Gewichtsbegrenzung in der Altstadt von 2,8 auf 3,5 Tonnen zu erhöhen, damit auch Wohnmobile durch die Elbstraße fahren können.
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Nach dem Hangrutsch an der Hafenstraße ist die Lage weiterhin angespannt. Mehrere Bewohner wie Daniela Toebelmann und Yildiz Frühauf haben sich schon mit ihren Beschwerden an die Stadt gewandt. „Ich kann Ihnen versichern, dass alle Beteiligten mit Hochdruck daran arbeiten, die Lage am Steilhang so wiederherzustellen, dass ein sicherer Verkehrsfluss garantiert ist“, sagt Christoph Haase in einer aktuellen Pressemitteilung.
Erdrutsch an B209: Naturschutzbehörde billigt geplantes Vorgehen am Elbhang
Unterdessen bleibt die B209 weiter gesperrt. Inzwischen steigt aber die Hoffnung, sie spätestens zum Ende der nächsten Woche einseitig öffnen zu können. Nach einem Treffen mit der Naturschutzbehörde des Kreises zeigt sich Lauenburgs Bauamtsleiter Christian Asboe zuversichtlich: „Wir können alles so machen, wie wir es wollten. Die Naturschutzbehörde war sehr kooperativ.“ Die Behörde muss die Pläne zur Sicherung des Hanges genehmigen, da der Elbhang ein Biotop ist. Zunächst wurden jetzt die letzten hohen Bäume gefällt. „Das ist eigentlich ein Jammer“, sagt Asboe, als die letzte hohe Eiche fällt. In Laufe der nächsten Tage beginnen voraussichtlich die Aufräumarbeiten. Sogenannte Big Bags aus Kunststoffgewebe sollen den Hang vorerst absichern. Anschließend kann eine Ampelschaltung eingerichtet und die Fahrbahn auf Elbseite freigeben werden.
Langfristig soll der Hang mit einer Verflechtung aus Hanfmatten gesichert werden. In Absprache mit der Naturschutzbehörde sollen heimische Büsche eingepflanzt werden, aber keine hohen Eichen mehr. Bevor der Plan in die Tat umgesetzt werden kann, muss allerdings noch ein Statiker zustimmen. Bis die Arbeiten am Hang beendet und die Bundesstraße wieder beidseitig befahren werden kann, wird es voraussichtlich noch mehrere Wochen dauern. Auf die Frage, wie es zu dem Erdrutsch kommen konnte, sagt Christian Asboe: „Der Hang wurde nicht ordentlich gepflegt.“ Die Stadt sei nicht Eigentümer des Hanges, weshalb sie erst jetzt aktiv wurde, als „Gefahr im Verzug“ war.