Geesthacht. Vor knapp drei Wochen wurde Christoph J. von seinem eigenen Hund angefallen. Nun fand die Beisetzung unter großer Anteilnahme statt.

Es ist eine ergreifende Trauerfeier mit überwältigendem Andrang. Weit über 100 Menschen wollen dabei sein am Montag, 12. Februar, um in der Kapelle auf dem Geesthachter Waldfriedhof Abschied von Christoph J. zu nehmen. Der 35-Jährige wurde am 24. Januar von seinem eigenen Kampfhund im Stadtwald angefallen und so schwer verletzt, dass er zwei Tage später im BG Klinikum Hamburg in Boberg verstarb.

Das ist nicht einmal drei Wochen her. Nun muss der Bestatter den Trennvorhang in der Kapelle aufziehen, um den Weg zu weiteren Sitzplätzen im hinteren Bereich freizumachen, damit alle Trauergäste Platz nehmen können. Auch diese sind dann fast alle belegt. Bereits am vergangenen Freitag, 9. Februar, war seine Geesthachter Fußballmannschaft mit Trauerflor aufgelaufen, vor dem Heimspiel wurde mit einer Schweigeminute an den verstorbenen Kameraden erinnert.

Ergreifende Trauerfeuer in der Kapelle auf dem Waldfriedhof

Sein Team ist in der Kapelle auch mit einem Kranz als letztem Gruß vertreten, neun insgesamt sind zu Füßen des aufgebahrten hellbraunen Holzsarges auf den Fliesen verteilt. Zwischen den Kränzen sticht ein buntes Bild hervor, das ein Kind gemalt hat. Auf dem Sarg liegt ein weißes Blumengesteck.

Am 24. Januar fuhr Christoph J. mit seinem American Bully XL „Rio“ zum Gassigehen in den Geesthachter Stadtwald. Nach einem Angriff auf die Lebensgefährtin des 35-Jährigen war von der Behörde Leinenpflicht und Tragen eines Maulkorbs auferlegt worden. Eine Spaziergängerin fand Christoph J. am Nachmittag dann schwer verletzt in dem Waldstück am Haferberg. Er war von seinem eigenen Hund angefallen worden.

Wurde der Hund bei einem Vorbesitzer misshandelt?

Warum, das wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Zum hohen Blutverlust kam eine starke Unterkühlung, seine Körpertemperatur betrug nur noch 29 Grad Celsius. Niemand weiß, wie lange der Mann hilflos auf dem kalten Waldboden gelegen hatte. Der American Bully XXL harrte vor Ort in der Nähe seines Opfers aus, wurde von der Polizei erschossen, als er sich den Rettern bedrohlich näherte.

Christoph J. wurde mit dem Hubschrauber in das BG Klinikum nach Boberg geflogen, verstarb aber am darauffolgenden Freitagabend, die Verletzungen waren zu schwer gewesen. Christoph J. soll nicht der erste Halter des Hundes gewesen sein, es heißt, er habe bereits zwei Vorbesitzer gehabt. Und bei einem von ihnen sei der mächtige Hund nicht gut behandelt worden, gibt eine Stimme in den sozialen Netzwerken vor, zu wissen.

Verdacht: Hund wurde bereits als Welpe scharfgemacht

Diesen Verdacht könnte auch Christoph J. gehegt haben. Er hing sehr an seinem Hund. Eine Trennung lehnte er ab. Der Hund sei schon als Welpe trainiert worden, anzugreifen, das sei sein Verdacht gewesen nach dem ersten Vorfall, berichtet Pastorin Jana Wagner der Trauergemeinschaft.

Mit dem Lied „Schwarzer Anzug“ von Florian Künstler beginnt die Trauerfeier. „Manchmal gehen die Besten viel zu jung“, singt der Musiker gleich in der ersten Strophe. Von einem großen Porträtbild zwischen Bankreihe und Sarg lächelt Christoph J. ein letztes Mal zu seinen Eltern, Verwandten, Freunden und natürlich zu seiner Lebensgefährtin herüber. Die beiden kennen sich bereits viele Jahre. Es ist ein offenes Gesicht, einnehmend, mit kurzen Haaren und umkränzt von einem leichten Bart um das Kinn. Der Knopf des blauen Hemdes steht offen.

Ein schwerer Gang auch für Pastorin Jana Wagner von der Geesthachter Kirchengemeinde St. Salvatoris. Sie hält die Traueransprache und erinnert daran, dass Christoph J. als gebürtiger Geesthachter Junge schon in die Kita der Gemeinde gegangen sei. „Er ist friedlich eingeschlafen, ohne Schmerzen“, sagt die Pastorin. Mit der Familie bis zuletzt an seiner Seite.

Im März hätte Christoph J. einen neuen Arbeitsplatz angetreten

Nach den Schulbesuchen in Geesthachter Einrichtungen beginnt er seine berufliche Laufbahn in der Finanzbranche, lebt ein paar Jahre in Hamburg, zieht im vergangenen Sommer zurück nach Geesthacht. Zum März hätte er einen neuen Arbeitsplatz angetreten. Ein Grundstück mit Garten, eine Familie mit zwei Kindern, das sei sein Traum gewesen, schildert die Pastorin das angestrebte Lebensglück des jungen Mannes. So wie er es zuletzt gefunden hatte, mit seiner Verlobten und deren beiden Kindern.

Die 31-Jährige ist das erste Opfer von „Rio“. Der American Bully XXL fiel sie an, als sie beim Gassigehen am 10. Januar auf Eis ausrutschte und stürzte. Der muskulöse Kampfhund zerbiss ihr die Unterarme. Sie wurde just an dem Tag aus dem Krankenhaus in Boberg entlassen, als ihr Lebenspartner eingeliefert wurde.

Freunde starteten Spendenaktion für die Familie

Gesund sind die Arme noch nicht wieder. Ein Familienmitglied legt ihr nach der Trauerfeier den Riemen der Handtasche helfend über die Schulter. Viele kommen auch, um sie tröstend fest an sich zu drücken. Freunde hatten bereits im Vorfeld der Beisetzung Geld gesammelt zur Unterstützung der Familie. Die Aktion ist am 9. Februar beendet worden, 1550 Euro kamen zusammen.

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Zum Kondolieren bilden sich am Ausgang lange Schlangen. Nur langsam leert sich die Kapelle, viele Trauergäste bleiben lange vor dem aufgebahrten Sarg mit gesenkten Köpfen stehen. Man sieht ihnen an, dass sie bestürzt sind und es unfassbar schwerfällt, zu begreifen, was vorgefallen ist. Vor drei Wochen hat Christoph J. noch gelebt. Und nun stehen sie trauernd vor seinen sterblichen Überresten.